Die Regierung von Frankreichs neuem Premierminister Michel Barnier wird nicht wie erwartet am Freitag, sondern erst morgen vorgestellt. Es würden noch „letzte Anpassungen“ vorgenommen, teilte die Regierung mit, wie französische Medien berichteten. Zwei Wochen nach seiner Ernennung hatte der konservative ehemalige EU-Kommissar am Donnerstagabend nach schwierigen Beratungen die Zusammensetzung seiner künftigen Mitte-Rechts-Regierung Präsident Emmanuel Macron vorgelegt.
Frankreichs nächste Regierung steht indes so gut wie fest. Nach Angaben aus bisherigen Regierungskreisen soll der derzeitige Europaminister Jean-Noël Barrot Außenminister werden. Der 41-Jährige gilt als überzeugter Europäer und war in seiner bisherigen Funktion auch für die deutsch-französischen Beziehungen zuständig. Verteidigungsminister Sébastien Lecornu bleibt Angaben zufolge im Amt.
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Der konservative Politiker Bruno Retailleau, bisher Fraktionschef der Republikaner im Senat, soll nach übereinstimmenden Informationen neuer Innenminister werden. Der bisherige Amtsinhaber Gérald Darmanin kündigte bereits an, dass er die Regierung verlassen werde. Er hatte sich vergeblich um den Posten als Außenminister bemüht. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire scheidet auf eigenen Wunsch aus der Regierung aus. Er soll durch zwei Macron nahestehende Politiker ersetzt werden, Antoine Armand als Minister für Wirtschaft und Industrie und Matthieu Lefèvre als Haushaltsminister. Barnier hatte betont, dass er keine globale Steuererhöhung plane.
Der Fraktionschef der Republikaner in der Nationalversammlung Laurent Wauquiez erklärte, dass er das Angebot abgelehnt habe, Wirtschaftsminister zu werden. Er werde nicht Teil der neuen Regierung sein. Wauquiez bringt sich derzeit als Präsidentschaftskandidat in Stellung und könnte Sorge gehabt haben, dass die kommende Regierung nicht lange an der Macht bleiben werde. Streit gibt es um die mögliche Ernennung der konservativen Senatorin Laurence Garnier, die in der Vergangenheit gegen die Aufnahme der Freiheit zur Abtreibung in die Verfassung und gegen die Kriminalisierung von so genannten Konversionstherapien für Homosexuelle gestimmt hatte.
Nach bisherigen Informationen soll lediglich ein Vertreter des linken Lagers an der Regierung beteiligt sein, und zwar ausgerechnet der derzeitige Chef der Transparenzbehörde, die für die Überprüfung möglicher Interessenskonflikte der Regierungsmitglieder zuständig ist. Der ehemalige sozialistische Abgeordnete Didier Migaud ist als Justizminister im Gespräch. Barnier hatte Schwierigkeiten, linksgerichtete Politiker für sein Kabinett zu gewinnen. Mehrere linke Politiker erklärten, dass sie Angebote Barniers abgelehnt hätten. Das links-grüne Wahlbündnis Neue Volksfront lehnte die Zusammenarbeit mit Barnier ab, da es sich durch die Ernennung eines konservativen Premierministers seines Wahlsiegs beraubt sieht.
Noch vor der Ernennung der neuen Regierung in Paris hagelte es Kritik von Frankreichs Linker, da sie als Wahlsieger im künftigen Kabinett keine große Rolle spielen wird. Von einer „Demokratieverweigerung, die völlig inakzeptabel und unerträglich ist“, sprach der Koordinator der Linkspartei, Manuel Bompard, beim Sender France Bleu Provence. Grünen-Politikerin Sandrine Rousseau sprach von einer „Allianz der Verlierer“.
„Es ist eine Regierung der Verlierer, die den Kurs der vorherigen Regierungen fortsetzt, obwohl sie die letzten Parlamentswahlen verloren haben, und die außerdem Minister der Républicains einschließt, obwohl sie bei den letzten Parlamentswahlen weniger als sechs Prozent erreicht haben“, sagte Bompard. Kritik äußerte auch Macrons Amtsvorgänger, der Sozialist François Hollande. Weshalb habe man eine Neuwahl organisiert, wenn am Ende dieselben regierten, nur noch ein wenig weiter rechts, fragte sich Hollande im Sender France Bleu Occitanie. Die Linke sowie Gewerkschaften riefen dazu auf, an diesem Samstag gegen die neue Regierung zu demonstrieren.
Angesichts der schwierigen Mehrheitsverhältnisse hatte die Regierungsbildung sich länger hingezogen als üblich. Zu den Inhalten von Barniers Politik wurde bisher so gut wie nichts bekannt. Barnier will Anfang Oktober eine Regierungserklärung in der Nationalversammlung abgeben.
Barnier hatte mit Macron bis zuletzt über die Zahl der Regierungsposten für seine eigene Partei der Republikaner gestritten. Macron soll seinen Wunsch zurückgewiesen haben, sowohl das Wirtschafts- als auch das Innenministerium mit Politikern seines Lagers zu besetzen. Die Republikaner waren bei der vorgezogenen Parlamentswahl im Juli lediglich auf 47 der 577 Abgeordneten gekommen.
Seit dem unklaren Ausgang der Wahl befindet sich Frankreich in einer der tiefsten Regierungskrisen der jüngeren Zeit. Die derzeitige Regierung ist seit zwei Monaten nur noch geschäftsführend im Amt. Die Nationalversammlung ist in drei verfeindete Blöcke gespalten – das linke Lager, das bisherige liberale Regierungslager und die Rechtspopulisten von Marine Le Pen.