Nicht angekommen in Österreich

Manche Muslime haben Problem mit Rechtsstaat und Gleichberechtigung, aber keines mit Gewalt

Nur eine kleine Minderheit der Muslime befürwortet ein Recht des Mannes auf Züchtigung seiner Ehefrau, beim Erbrecht aber ist jede/r Zweite gegen Gleichberechtigung.
Nur eine kleine Minderheit der Muslime befürwortet ein Recht des Mannes auf Züchtigung seiner Ehefrau, beim Erbrecht aber ist jede/r Zweite gegen Gleichberechtigung. © Prostock-studio - stock.adobe.com

Die gute Nachricht zuerst: Eine klare Mehrheit der Muslime hierzulande befürwortet Demokratie und Rechtsstaat, lehnt Gewalt gegen Andersgläubige oder Frauen ab. Zu diesem Ergebnis kommt das vom Förderungsprogramm für Sicherheitsforschung (Kiras) des Finanzministeriums initiierte Forschungsprojekt „Fokus Religion und Rechtsstaat“ (Forrest).

Das Institut Integral hat dafür 1019 Muslime im Großraum Wien befragt. Untersucht wurde, wie sich nationale Herkunft und religiöse Ausrichtung in der Haltung zum Rechtsstaat widerspiegeln.

Intolerante Fundis

53,9 Prozent der Befragten stehen der westlich-pluralistischen Gesellschaft demnach „sehr“ oder „eher tolerant“ gegenüber. Die Kehrseite: 33 Prozent begegnen diesem System „eher“ bis „extrem intolerant“. Der Rest ist neutral.

Wenig überraschend: „Je orthodoxer die religiöse Haltung, desto stärker die Ablehnung von Pluralismus und individueller Vielfalt“, so die Studie. Konkret: Sechs von zehn islamischen Fundis haben ein Problem mit dem Pluralismus, bei der als „ungebunden/restreligiös“ bezeichneten Gruppe sind es „nur“ 14 Prozent. Auch wer schlecht oder nicht Deutsch spricht, ist häufiger ablehnend gegenüber der pluralistischen Gesellschaft. Mit der Länge der Aufenthaltsdauer wächst die Toleranz.

Interessanterweise spielt entgegen der Erwartung der Autoren das Bildungsniveau kaum eine Rolle: Die Toleranz gegenüber Pluralismus ist bei Akademikern (55,8 Prozent) nur marginal stärker als bei Muslimen mit Pflichtschulabschluss (54,4). Die Neigung zur Intoleranz ist bei Hochschulabsolventen mit 33,5 Prozent sogar stärker als bei Pflichtschulabsolventen (30,5).

Nach der Herkunft haben Ägypter, Syrer, Iraker sowie Palästinenser das größte Problem mit Pluralismus: Jede zweite ist eher, sehr bzw. sogar extrem intolerant. Das trifft auch auf fast ein Drittel der Türken und Asiaten zu. Lediglich bei Menschen mit südosteuropäischen Wurzeln ist die Intoleranz gegenüber der liberalen Demokratie mit 12 Prozent schwächer ausgeprägt.

Erb- und Züchtigungsrecht

Dass ein beträchtlicher Teil der Muslime mit dem Kopf noch nicht ganz in Österreich angekommen ist, zeigt sich auch beim Frauenthema: Grundsätzlich befürworten zwar 80 Prozent gleiche Rechte von Mann und Frau, wenn es konkret wird, schaut es aber anders aus. Nur 49,7 Prozent der Befragten befürworten gleiches Erbrecht.

Die Frauen sehen das übrigens kaum anders als die befragten Männer (51,4 zu 48,4 Prozent für gleiches Erbrecht). Nicht zu übersehen ist auch eine Minderheit von acht Prozent, die eine „starke Kontrolle der Frau“ inklusive Zwangsheirat und Züchtigungsrecht des Mannes befürwortet. Das ist insofern nicht verwunderlich, als solche Positionen auch in Österreich in Islam-Lehrbüchern verbreitet werden.

Ähnlich verhält es sich beim Thema Gewalt. Fünf von sechs befragten Muslimen lehnen religiös begründete Gewalt strikt ab. Doch etwas mehr als zehn Prozent befürworten Gewalt als Mittel der Bestrafung bei religiösem Fehlverhalten. Immerhin 7,4 Prozent der muslimischen Männer und 3,9 Prozent der Frauen befürworten Körperstrafen für Personen, die den Islam bzw. Mohammed beleidigen, 3,1 bzw. 2,1 Prozent sogar deren Hinrichtung. Genau das fordert das Buch „Ilmihal (Katechismus, Anm.) für Frauen“, welches zumindest im Befragungszeitraum 2021 in einer Wiener Moscheebibliothek und einer türkischen Buchhandlung angeboten wurde.

Nur Befürworter, nicht Täter

Die Studienautoren sind jedoch um Entdramatisierung bemüht. Aus den Ergebnissen könne „nicht darauf geschlossen werden, dass die befragten Personen selbst Gewalt anwenden würden, sondern nur auf ihre Befürwortung derselben“.

Ähnlich relativiert werden auch verstörende Ergebnisse hinsichtlich der Einstellung zum Primat des Rechtsstaates. Demnach tendieren fast 40 Prozent der Befragten dazu, religiösem gegenüber staatlichem Recht den Vorzug zu geben und damit im Konfliktfall die Verletzung staatlicher Gesetze zu befürworten.

Auch hier erklären die Studienautoren den Schluss für unzulässig, dass Befürworter von Gesetzesübertretungen im Namen Gottes „auch tatsächlich bereit wären, diese auszuführen, genauso wenig, wie man von einem Befürworter der Todesstrafe in Österreich automatisch annehmen könnte, dass er auch persönlich bereit wäre, jemand zu töten“.

Heimatgefühle

Ungeachtet der Probleme mit dem hiesigen Gesellschaftssystem fühlen sich die meisten befragten Muslime hier zuhause. Für genau 71,3 Prozent ist Österreich inzwischen zur Heimat geworden. Neun Prozent würden jedoch lieber in einem islamischen Land leben. Manche von ihnen würden aus Österreich gern eines machen…

Von Manfred Maurer

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