
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat am Dienstagvormittag in seiner Rede im ukrainischen Parlament auf die historischen Beziehungen beider Länder verwiesen und betont, dass Österreich auch „19 Monate nach Kriegsausbruch in bedingungsloser und ungebrochener Solidarität hinter der Ukraine“ stehe. Politisch sei Österreich nicht neutral, so Sobotka weiters, der auch versprach, dass Österreich Kiew auf dem Weg in die Europäische Union weiter unterstützen werde.
Bis dato habe Österreich die Ukraine bilateral mit über 152 Millionen Euro unterstützt. Zudem habe man als EU-Nettozahler substanzielle indirekte Hilfe im Rahmen der Europäischen Union, die bisher rund 59 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt hatte, geleistet und rund 100.000 Vertriebene aus der Ukraine aufgenommen, so Sobotka. „Österreich wird die Unterstützung der Ukraine und des ukrainischen Volkes fortsetzen, so lange wie es nötig ist“, bekräftigte der Nationalratspräsident.
Der ukrainische Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk betonte nach dem Gespräch mit Sobotka, dass man eine Reihe von Fragen in Bezug auf die Unterstützung der Ukraine sehr genau behandelt habe und die Zusammenarbeit der Parlamente ausbauen wolle. Die Sanktionen gegenüber Russland sollten fortgesetzt und die Friedensformel von Präsident Wolodymyr Selenskyj umgesetzt werden.
Die psychologische Unterstützung für die Ukraine sei wichtig, konstatierte Helmut Brandstätter, der auch Obmann der bilateralen parlamentarischen Gruppe Ukraine/Moldau/Belarus ist. Es sei immer wieder beeindruckend, welch „unglaublicher Spirit“ hier in der Ukraine herrsche, so der NEOS-Abgeordnete, der seit Kriegsbeginn zum vierten Mal in der Ukraine ist. Der ÖVP-Abgeordnete Wolfgang Gerstl betonte indes, wie wichtig es sei, sich selber ein Bild zu machen, denn das erste was im Krieg falle, sei die Wahrheit.
Es sei wichtig zu zeigen, dass Österreich weiter hinter der Ukraine stehe, sagte Georg Bürstmayer. „Ich fühle mich beschämt, wenn die Leute sich für die Hilfe Österreichs bedanken, weil es im eigentlichen Interesse Österreichs liegt, die Ukraine weiter zu unterstützen“, so der Grüne Nationalratsabgeordnete weiter. „Jede Gelegenheit sich vor Ort ein Bild zu machen und Informationen zu sammeln ist besonders wichtig und gleichzeitig auch eine Gelegenheit Mitgefühl und Solidarität zu zeigen“, betonte auch Christian Oxonitsch (SPÖ).
Die FPÖ, die laut Botschaft noch an keiner Reise einer Parlamentarierdelegation in die Ukraine seit Kriegsbeginn teilgenommen hatte, reagierte indes mit einer Presseaussendung. „Wir Freiheitliche werden uns sicherlich nicht zu den Schaulustigen im Ukraine-Kriegstourismus einreihen, während an der Front Elend, Not und Tod lauert“, schrieb FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker. Im Gegenzug erwarte er sich „Initiativen im Sinne einer aktiven Neutralitätspolitik zur Beendigung des furchtbaren Krieges“, so Hafenecker.
Am Dienstagnachmittag besuchten die Parlamentarier dann ein Caritas-Hilfsprojekt in Irpin, einer Stadt, die massiv vom russischen Angriffskrieg zerstört wurde. „Bislang konnten wir über das Caritas Netzwerk vier Millionen Menschen helfen und wir sind derzeit mit 24 Projekten in allen Regionen der Ukraine aktiv“, sagte Andreas Knapp, Auslandshilfe-Generalsekretär der Caritas Österreich in einer Aussendung. Neben der Ausgabe von materieller Hilfe, würden die Menschen über das Caritasnetzwerk auch beim Wiederaufbau der vielen zerstörten Wohnhäuser unterstützt, so Knapp. Dies sei gerade angesichts des nahenden Winters eine ganz wichtige Unterstützung.
Danach ging es für die Parlamentsdelegation weiter in das rund 25 Kilometer nördlich von Kiew gelegene Butscha, wo die Parlamentarier nach dem Besuch einer Fotoausstellung in der St. Andreas-Kirche an einem Massengrab eine Schweigeminute abhielten. Anatolii Fedoruk, der Bürgermeister von Butscha berichtete den Parlamentariern von den russischen Gräueltaten und sagte:” Es ist wichtig für uns, dass wir diesen Krieg gewinnen. Genauso wichtig ist es aber, dass die Verbrecher, die diese Taten verübt haben, bestraft werden.„
Am 31. März 2022 hatte sich die russische Armee aus der vor dem Krieg rund 35.000 Einwohner zählenden Stadt Butscha zurückgezogen. Zwei Tage später war das Massaker von Butscha bekannt geworden. Die ukrainische Staatsanwaltschaft hat seither über 9.000 Kriegsverbrechen in und um Butscha registriert. Mehr als 1.400 Menschen seien getötet worden. Über 175 Leichen seien in Massengräbern oder “Folterkammern” gefunden worden. Laut „New York Times“, die monatelange Recherchen in Butscha führte und neben zahlreichen Gesprächen mit Bewohnern, auch Sicherheitskameras auswertete und Regierungsunterlagen analysierte, sollen Fallschirmjäger der 234. russischen Luftlandedivision Schuld am Tod Dutzender Zivilisten in der Jablunska-Straße in Butscha sein.
Moskau weist solche Anschuldigungen bis heute jedoch vehement zurück und spricht von einer Inszenierung des ukrainischen Geheimdienstes. Zahlreiche Staats- und Regierungschefs, darunter auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), sprachen hingegen von russischen Kriegsverbrechen in Butscha. Eine von den Vereinten Nationen eingerichtete Untersuchungskommission sprach am Montag von „fortlaufenden Beweisen“ russischer Kriegsverbrechen, von „wahllosen Angriffen auf Zivilisten“ bis zu „fortgesetzter systematischer und weitverbreiteter Anwendung von Folter“.
Nach der Rückfahrt nach Kiew legten die österreichischen Parlamentarier schließlich einen Kranz an der Erinnerungsmauer für die gefallenen Verteidiger der Ukraine nieder, ehe sie an einer Zeremonie zu Ehren der Opfer des Holodomor in der Ukraine teilnahmen und das Holodomor-Museum besuchten. Unter dem Holodomor, was übersetzt so viel wie Tötung durch Hunger bedeutet, wird die durch den Sowjetdiktator Josef Stalin gezielt herbeigeführte Hungersnot in der Ukraine bezeichnet, der in den Jahren 1932 und 1933 bis zu vier Millionen Ukrainer zum Opfer fielen. Grund dafür waren die von Stalin eingeleitete Zwangskollektivierung der Landwirtschaft und sein Krieg gegen die ländliche Bevölkerung, gefolgt von der Beschlagnahmung von Getreide und Saatgut sowie dem Verhindern der Flucht von Hungernden. Zudem leugnete die sowjetische Führung die Hungersnot, lehnte internationale Hilfe ab und nützte den Hunger gezielt um die ukrainische Elite zu eliminieren.