„Operation Luxor“: (K)ein Flop im Kampf gegen politischen Islam

Offensive gegen Muslimbrüder stößt an rechtsstaatliche Grenzen, umso wachsamer muss die Gesellschaft sein

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) (r.) mit Einsatzkräften am Montag, 9. November 2020, im Rahmen der Operation „Luxor“ in Wien.
Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) (r.) mit Einsatzkräften am Montag, 9. November 2020, im Rahmen der Operation „Luxor“ in Wien. © APA/BMI

Es war die bisher spektakulärste Polizeiaktion gegen den Islamismus in Österreich: Mehr als 900 Beamte führten in den frühen Morgenstunden des 9. November 2020 in Wien, der Steiermark und Kärnten zeitgleich 60 Razzien bei mutmaßlichen Anhängern und Förderern der Muslimbruderschaft durch.

Die Hausdurchsuchungen resultierten aus eineinhalbjährigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Graz gegen rund 100 Verdächtige wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung (§ 278b Abs. 2 StGB), der kriminellen Organisation (§ 278a StGB), der staatsfeindlichen Verbindung (§ 246 Abs. 1 und 2 StGB), der Terrorismusfinanzierung (§ 278d Abs. 1 und 1a StGB) und der Geldwäscherei (§ 165 Abs. 3 StGB).

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Insbesondere ging es um angebliche Finanzierung der verbotenen palästinensischen Terrororganisation Hamas. Die Anwesenheit des damaligen Innenministers Karl Nehammer (ÖVP) an einem der Einsatzorte in Wien unterstrich die Bedeutung dieser „Operation Luxor“, die der damalige Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) als „wichtigen Schlag gegen den politischen Islam“ bezeichnete.

Schlag ins Wasser?

Drei Jahre danach wird die Aktion eher als Schlag ins Wasser wahrgenommen. Tatsächlich gab es bislang für keinen der Beschuldigten strafrechtliche Konsequenzen. Niemand wurde festgenommen, niemand angeklagt, folglich auch niemand verurteilt. 30 Verfahren laufen zwar noch, alle anderen wurden aber eingestellt. Zuletzt jene gegen zwei aus Syrien stammende Brüder und die diesen zugeschriebenen Vereine namens „Liga Kultur“ in Graz und Wien. Sie wurden konkret verdächtigt, zwischen 2002 und 2020 die Organisation des Österreich-Ablegers der Muslimbruderschaft sowie der terroristischen Hamas aufgebaut zu haben.

Eine abschließende Klärung des Sachverhaltes wird es nicht geben. Denn das Oberlandesgericht (OLG) Graz hat einem Antrag der Brüder auf Einstellung des Verfahrens wegen überlanger Ermittlungsdauer stattgegeben. Laut Strafprozessordnung darf die Staatsanwaltschaft grundsätzlich nicht länger als drei Jahre ermitteln. Danach ist Anklage einzubringen oder das Verfahren einzustellen.

„Kein Verdachtssubstrat“

Die Dokumentationsstelle Politischer Islam (DPI) hatte im Herbst 2021 den Brüdern und ihren „Liga Kultur“-Vereinen auf Basis öffentlich abrufbarer Social-Media-Postings sowie ihres Internetauftritts eine „ideologische, strukturelle und persönliche Nähe zur Muslimbruderschaft“ bescheinigt. Strafrechtlich ist dies jedoch irrelevant, solange Terrorismus bzw. dessen Unterstützung nicht nachweisbar sind. Und das ist offenbar nicht gelungen.

Das OLG Graz kam zu der Ansicht, dass den vorliegenden Verfahrensergebnissen wie Telefonüberwachungen und Auswertungen der Privat- und Firmenkonten „kein Substrat“ zu entnehmen sei, das den Verdacht belegen würde, die Brüder hätten „terroristische Vereinigungen angeführt, sich als Mitglied an kriminellen Organisationen oder auf Österreich bezogenen staatsfeindlichen Verbindungen beteiligt oder derartige Personenverbindungen sonst auf irgendeine Weise unterstützt“. Die Annahme der Staatsanwaltschaft, einer der Brüder habe Mitglieder für die Hamas anzuwerben versucht und Spenden für terroristische Zwecke lukrieren wollen, wird als „Hypothese ohne Beweismittelbezug“ qualifiziert.

Bekenntnis zur Muslimbruderschaft

Nichtsdestotrotz hatten die Ermittlungen ein radikales Weltbild durchaus bestätigt. Die Beschuldigten bekannten sich sogar zur Weltanschauung der Muslimbruderschaft, bestritten aber eine Mitgliedschaft. Letztere wird freilich niemals nachweisbar sein, da es das Wesen eines Geheimbundes ist, keine öffentlichen Mitgliederverzeichnisse zu führen. Judenfeindliche Äußerungen, das Befürworten der Beschneidung von Frauen oder das Ablehnen von Ehen mit Nicht-Muslimen wiederum wurden offenbar als strafrechtlich irrelevant eingestuft.

Antisemitische Lieder

Noch besteht die Möglichkeit, dass die „Operation Luxor“ am Ende doch zu Verurteilungen führt. Etwa im Fall eines steirischen Religionslehrers, bei dem das Verdachtssubstrat ziemlich eindeutig klingt. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Der Mann besaß eine CD mit antisemitischen Liedern: „Oh Allah, oh Liebster, ich wünsche mir eine Krankheit, die die Juden vernichtet“, lautet eine Strophe.

Selektive Sensibilität

Da die Alarmanlage für muslimischen Antisemitismus offenbar weniger scharf eingestellt ist als jene für autochthonen Judenhass — Stichwort: Liederbuch-Affäre in Niederösterreich —, lösen mörderische Muslimfantasien weder in Politik noch in Medien die ansonsten üblichen Empörungsreflexe aus. So ist es möglich, dass islamische Buchhandlungen in Österreich unter den Augen von Justiz und Sicherheitsbehörden Bücher mit Aufrufen zur Ermordung von Juden, Anregungen zur Steinigung von Ehebrechern oder Hamas-Huldigungen verbreiten können. (Siehe dazu: „Machtlos gegen Islamisten-Bücher?“)

„Türkise Showaktion“?

Ob also die Verurteilung eines Religionslehrers mit antisemitischem Liedgut als der große Schlag gegen den politischen Islam durchgeht, darf bezweifelt werden, zumal die meisten Medien ihr Urteil längst gefällt haben. Hans Rauscher befand schon im Herbst 2022 im „Standard“, dass es sich bei der „Operation Luxor“ nur um eine „klassische türkise Showaktion“ gehandelt habe.

Eine ausschließlich den strafrechtlichen Output messende Bewertung mag tatsächlich zum Schluss kommen, die Aktion sein ein Flop gewesen. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass es das Prinzip des „legalistischen Islamismus“ ist, sich möglichst nicht mit dem Rechtsstaat anzulegen, sondern seine Ziele in dessen Rahmen zu verfolgen.

Wir haben ein Problem…

Die Muslimbruderschaft und ihre Anhänger verstehen sich virtuos auf dieses demokratische Spiel, bei dem freilich die Demokratie am Ende auf der Strecke bleiben könnte. Auch wenn die im Zuge der Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse nicht für Anklagen reichen, „haben wir als Gesellschaft ein Problem mit einem solchen Gedankengut“, warnt die Wiener Politologin Nina Scholz.

Akteure aus dem ideologischen Umfeld der Muslimbruderschaft oder der Milli-Görüs-Bewegung strebten „nach einer homogenen Gesellschaft, in der sich alle Menschen einer normativ islamischen Ordnung unterwerfen sollen“. Die Überlegenheit des Islam, die von diesen Organisationen ins Feld geführt werde, gehe mit der Abwertung der nicht-muslimischen Bevölkerung einher.

Fatal für Integration

Untersuchungen zeigten, so Scholz zum VOLKSBLATT, „dass in vielen ihrer Moscheen nicht für Integration, sondern für Segregation von der nicht-muslimischen Mehrheitsbevölkerung geworben wird“. (Siehe dazu: Studie über Koranschulen in Oberösterreich)

Das sei nicht per se strafrechtlich relevant, aber, so die Politologin: „Dem gesellschaftlichen Frieden und Zusammenhalt ist diese Ideologie, wie jeglicher anderer Extremismus allerdings nicht zuträglich.“

Gewaltpotenzial

Hinzu komme, „dass diese Ideologie anschlussfähig ist für radikalere Kräfte, die Gewalt als legitimes Mittel zur Erreichung derselben Ziele betrachten“. Das gelte umso mehr, „als etwa die Muslimbruderschaft im Laufe ihrer Geschichte schon immer ein taktisches Verhältnis zu Gewalt hatte, was sich etwa an der Gründung der Hamas als palästinensischer Ableger der Bruderschaft zeigt“.

Abgesetzte Gutachter

Pikanterweise sind Scholz und der Historiker Heiko Heinisch die bislang einzigen, für die die „Operation Luxor“ Folgen hatte. Die beiden Islamismus-Experten hatten das der Großrazzia zugrundeliegende Gutachten über die Muslimbruderschaft und die Hamas verfasst. Das OLG Graz hat einem vom Landesgericht zurückgewiesenen Einspruch mehrerer Beschuldigter gegen die Gutachter wegen mangelnder Sachkunde und Befangenheit stattgegeben.

Das OLG ortete bei Heinisch einen „äußeren Anschein der Befangenheit“, weil dieser im Jahr 2017 in einer TV-Diskussion über einen Beschuldigten die Ansicht geäußert hatte, dass dessen Bekenntnis zur Muslimbruderschaft ihn nicht befähige, einen Kindergarten zu führen. Das genügte, um Heinisch für befangen zu erklären. Und es genügte sogar, die Befangenheit auch gleich seiner Kollegin Scholz zu unterstellen, weshalb beide ihrer Gutachtertätigkeit enthoben wurden.

„Erfolg“ der Muslimbrüder

Mangelnde Sachkunde war jedenfalls nicht der Enthebungsgrund. Ein solcher Vorwurf wäre auch durch den neu bestellten Gutachter, den deutschen Islamismus- und Terrorexperten Guido Walter Steinberg, Lügen gestraft worden. Dessen Einschätzung der Muslimbruderschaft deckt sich nämlich mit jener der geschassten Gutachter. Demnach implizierten die Inhalte der Muslimbruderschaft „die Ablehnung der liberalen Demokratie und des Rechtsstaats, die den Islamisten als mit dem Islam unvereinbar gelten“.

Selbst wenn die Islamisten akzeptierten, dass sie ihren Herrschaftsanspruch im Westen zurzeit nicht durchsetzen könnten, mache eine solche Haltung die Integration in nichtmuslimische Gesellschaften unmöglich, so Steinberg in einer Publikation für die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. Als den „vielleicht sichtbarsten Erfolg der Muslimbrüder“ wertet Steinberg, „dass ihr Judenhass in der westlichen Diaspora weiter um sich gegriffen hat. Schlaglichtartig wurde dies nach dem 7. Oktober 2023 klar, als viele nichtislamistische Muslime die Verbrechen der Hamas ignorierten oder sogar guthießen“.

Islamisten sind keine Partner

In Österreich gibt es, wie man nun weiß, einflussreiche Muslime, die sich zur Ideologie der Muslimbruderschaft bekennen. Juristisch sind sie, wie man nun weiß, schwer bis gar nicht greifbar. Umso mehr ist die Gesellschaft gefordert, die politische Auseinandersetzung mit allen Anhängern dieser gefährlichen, als Religion getarnten Ideologie zu führen anstatt sie blauäugig als Partner zu hofieren, mit ihnen — wie vorigen Freitag in — gemeinsam die Rettung der Demokratie zu demonstrieren oder sie gar als Religionslehrer auf Kinder loszulassen, weil sie eine strafrechtlich weiße Weste haben.

Wenn die im Zuge der „Operation Luxor“ gewonnenen Erkenntnisse keine entsprechende Bewusstseinsbildung in Politik und Medien zur Folge haben, dann war sie tatsächlich ein Flop.

Eine Analyse von Manfred Maurer

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