Russische Präsidentschaftswahl startet mit Protestaktionen

Wiederwahl Putins gilt als sicher © APA/AFP/OLGA MALTSEVA

Begleitet von mehreren Protestaktionen und Festnahmen hat am Freitag in Russland die dreitägige Präsidentschaftswahl begonnen. In verschiedenen Städten und Regionen wurden den Behörden zufolge in Wahllokalen Brandsätze gezündet. Vor einem Wahllokal in einer russisch besetzten Region der Ukraine explodierte laut der örtlichen Wahlkommission eine Bombe. Noch bis Sonntag sind die Menschen aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Ein Sieg von Amtsinhaber Wladimir Putin gilt als sicher.

Der russische Präsident gab am Freitag laut Kreml seine Stimme online ab. Bei einer Sitzung des russischen Sicherheitsrates beschuldigte Putin die Ukraine, die Präsidentschaftswahlen stören zu wollen. Zu diesem Zweck habe die Ukraine russisches Territorium beschossen und Soldaten eingesetzt, um die Grenzen seines Landes zu überqueren. „Diese feindlichen Angriffe werden nicht ungestraft bleiben“, drohte der Kremlchef. Laut Putin gab es vier Angriffe auf die Region Belgorod und einen auf die Region Kursk durch bewaffnete ukrainische Einheiten.

Trotz der Warnungen der Behörden vor Strafen für Protestierende wurden den Behörden zufolge mindestens neun Menschen wegen „Vandalismus“ in Wahllokalen festgenommen. Unklar war zunächst, ob es sich um einen koordinierten Protest gegen die Wahl oder Einzelfälle handelte.

Von der unabhängigen Nachrichtenagentur SOTA veröffentlichte Aufnahmen aus einem Wahllokal in Moskau zeigten eine ältere Frau, die eine Wahlkabine in Brand setzt, bevor sie festgenommen wird. In anderen Landesteilen zündeten Wähler bei der Stimmabgabe Molotowcocktails oder Feuerwerkskörper. Weitere Festnahmen erfolgten, nachdem Menschen Farbe in die Wahlurnen geschüttet hatten.

In St. Petersburg versuchte nach Angaben der Wahlbehörde eine 20-jährige Frau, einen Molotow-Cocktail auf ein Stimmlokal zu werfen. Die „illegalen Handlungen“ seien von der Polizei „wirksam unterbunden“ und niemand verletzt worden, erklärte ein Verantwortlicher der örtlichen Wahlbehörde.

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Die insgesamt dreitägige Präsidentschaftswahl in Russland hatte am Freitag um 08.00 Uhr (Ortszeit, 21.00 Uhr MEZ am Donnerstag) auf der Halbinsel Kamtschatka und in Tschukotka im äußersten Osten des elf Zeitzonen umfassenden Landes begonnen. Zehn Stunden später waren dann die Wahlstellen im gesamten Land geöffnet. Auch in den von Russland besetzten Gebieten in der Ukraine waren die Menschen zur Stimmabgabe aufgerufen.

In Moskau standen bereits in der Früh einige Dutzend Einwohner vor den Wahllokalen Schlange, um bei der Stimmabgabe zu den Ersten zu gehören. Die 70-jährige Ljudmila sagte, es sei wichtig, für Russlands Zukunft zu wählen. Sie unterstütze Putin und hoffe „vor allem auf den Sieg“ in der Ukraine, betonte sie. Der 72-jährige Natan, ein weiterer Putin-Wähler, sagte, er wolle, dass die Regierung „die Beschäftigung erhöht und dafür sorgt, dass es keinen Krieg gibt und Stabilität im Land herrscht“.

Bei der Wahl konkurriert Kremlchef Putin mit drei unbedeutenden Kandidaten, die sich weder der Offensive in der Ukraine noch der zunehmenden Unterdrückung im Land entgegenstellen. Alle bedeutenden Kritiker Putins sind entweder tot, inhaftiert oder im Exil – was seine Wiederwahl sehr wahrscheinlich macht. Mitte Februar starb der prominenteste Widersacher des Präsidenten, der Oppositionelle Alexej Nawalny, in einer russischen Strafkolonie.

Nawalnys Witwe, Julia Nawalnaja, hatte die russische Bevölkerung zum Protest und zu einer Stimmabgabe für alle Kandidaten außer Putin aufgerufen. Zudem forderte sie die Unterstützer der Opposition auf, zur gleichen Zeit am Sonntag um 12.00 Uhr in die Wahllokale zu gehen, um ihre Geschlossenheit und Präsenz zu demonstrieren. Die Moskauer Staatsanwaltschaft reagierte auf den Aufruf mit der Ankündigung, dass jede Form des Protests „nach geltendem Recht strafbar“ sei.

Eine weitere Amtszeit würde es Putin ermöglichen, bis 2030 zu regieren – länger als jeder russische Staatenlenker seit Katharina der Großen im 18. Jahrhundert. Nach einer Verfassungsreform könnte er sogar erneut kandidieren und bis 2036 an der Macht bleiben. Nach Einschätzung eines staatlichen Meinungsforschungsinstituts könnte der amtierende Kremlchef mehr als 80 Prozent der Stimmen erhalten.

Der Kreml setzte an den drei Tagen auch illegale Scheinabstimmungen in besetzten Gebieten der Ukraine an. Kiew protestierte gegen die unter Bruch des Völkerrechts abgehaltenen Abstimmungen und forderte die internationale Gemeinschaft auf, die Ergebnisse nicht anzuerkennen. Die Oberste Rada, das ukrainische Parlament, verlangte zudem, den Sanktionsdruck auf Russland zu erhöhen.

Vor einem Wahllokal in der Region Cherson im Süden der Ukraine explodierte der örtlichen Wahlbehörde zufolge eine Bombe. „In Skadowsk wurde ein improvisierter Sprengsatz in einem Mülleimer vor dem Wahllokal platziert“, teilte die der russischen Besatzung nahestehende regionale Wahlkommission über den Onlinedienst Telegram mit. Demnach kam bei der Explosion niemand zu Schaden. Laut dem russischen Militär beschoss die ukrainische Armee zudem Wahllokale in der besetzten Stadt Kachowka.

Das Außenministerium in Kiew warf Russland vor, unter Verstoß des internationalen Rechts die territoriale Integrität der Ukraine zu verletzten. Das Ministerium forderte die Menschen in den besetzten Gebieten auf, nicht an den „Pseudowahlen“ teilzunehmen. „Russlands Diktatur hat schon lange nichts mehr mit Demokratie zu tun“, hieß es in einer Mitteilung. Vielmehr werde Putin wegen des Verdachts, schwere Kriegsverbrechen in der Ukraine begangen zu haben, vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag per Haftbefehl gesucht. Er halte sich inzwischen seit mehr als 24 Jahren durch Manipulation, Propaganda und Gewalt, darunter Attentate auf unabhängige Politiker, an der Macht.

In den besetzten Teilen der ukrainischen Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson sind nach russischen Angaben 4,5 Millionen Menschen zum Urnengang aufgerufen. Abgestimmt wird auch auf der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim, die Moskau bereits 2014 annektiert hatte.

Dass es keine unabhängigen OSZE-Wahlbeobachter gegeben hat, kritisierte auch das österreichische Außenministerium am Freitag. Die Präsidentschaftswahlen hätten „inmitten von Repression, Einschüchterung und Verfolgung“ begonnen. „Das russische Volk verdient eine echte Wahl und die Sicherheit und Freiheit, sie auszuüben“, hieß es in einer Stellungnahme im Onlinedienst X. Verurteilt wurde außerdem „die Scheinwahlen“ in den besetzten Regionen. „Diese “Wahlen” sind illegal, ihre Ergebnisse entbehren jeglicher Legitimität!”

Auch UNO-Generalsekretär Antonio Guterres verurteilte die Einbeziehung besetzter ukrainischer Gebiete in die russische Präsidentenwahl. Die Annexion ukrainischer Gebiete durch Russland in den vergangenen Jahren sei völkerrechtswidrig und damit nichtig, erklärte ein Sprecher des Generalsekretärs. Er verwies auf Resolutionen der UNO-Generalversammlung, die Russland zur Einhaltung der territorialen Unversehrtheit der Ukraine aufgefordert hatten.

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