Rechte Extreme beim linken Falter

Wiener Falter-Verlag offerierte Bücher mit antisemitischen & demokratiefeindlichen Inhalten

„Sie versuchten alle zu betrügen, vom Jungen bis zum Alten. Von einem, der nicht sehr reich war, versuchten sie, wenigstens etwas wegzunehmen, und bei einem Reichen sind sie bestrebt, ihn ganz und gar zu ruinieren.“

Dieses judenfeindliche Stereotyp entstammt dem Buch „Anastasia: Das Wissen der Ahnen“ von Wladimir Megre. Der russische Schriftsteller hat mehr als ein Dutzend „Anastasia“-Bücher verfasst. Auch in „Anastasia: Energie des Lebens“ lässt Megre seine Protagonistin, eine in der russischen Taiga lebende Einsiedlerin, Antisemitisches von sich geben.

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Die vom „israelischen Stamm Levi gesteuerten Juden … versuchen, so viel Geld wie nur möglich in ihren Händen zu konzentrieren“. Ihre systematische Verfolgung sei die Strafe dafür. Im Band „Anastasia: Neue Zivilisation“ wiederum geht es um „dunkle Mächte“, die laut „Anastasia“ einen die Menschheit beherrschenden Dämon eingesetzt hätten. Der Dämon behaupte von sich selbst: „Wenn ich ein Dämon bin, dann sollen in Zukunft die Menschen meine Idee Demokratie nennen.“

Zwei der Anastasia-Bücher mit antisemitischen Inhalten, die bis zu einer Volksblatt-Anfrage auf faltershop.at angeboten wurden. ©faltershop.at (Screenshot)

In rechtsextremen Schwurblerkreisen ist derartige Literatur wohl begehrt. Nicht erwarten würde man sie allerdings im Angebot eines linksliberal positionierten Verlages. Tatsächlich fanden sich die drei erwähnten Bücher und ein gutes Dutzend weiterer Megre-Werke im Onlineshop des Wiener Falter-Verlages.

Eine „Kurzbeschreibung des Verlags“ preist die „Anastasia“-Reihe geradezu schwärmerisch an: „Seit dem Erscheinen von Band 1 in Russland (1996) hat sich dort Unglaubliches getan. Anastasias Botschaft berührte die Herzen von Millionen von Menschen, und die überwältigende Resonanz löste eine revolutionäre Dynamik aus, die mittlerweile weit über den russischen Sprachraum hinausgeht.“

Tatsächlich ist „Anastasia“ in Russland Kult. Die Bücher propagieren die Gründung autarker „Familienlandsitze“, um der „von dunklen Kräften beherrschten Welt“ zu entkommen. Auch im Kreml findet der „Anastasianismus“ Gefallen: Ex-Präsident Dmitri Medwedew, der heute mit Blut-und-Boden-Rhetorik lautester Scharfmacher im Ukraine-Krieg ist, befand „die Idee der Familienlandsitze für absolut positiv“.

Weniger positiv finden diese aus Russland einsickernde Ideologie Verfassungsschützer in Europa. Wegen der Parallelen zum muslimischen Antisemitismus hat sich die Dokustelle Politischer Islam die auch hierzulande (siehe unten) aktive „Anastasia-Bewegung“ genauer angeschaut. Für Direktorin Lisa Fellhofer handelt es sich bei der Bewegung um eine esoterische Strömung mit antisemitischen und völkischen Lehren. Die westliche Demokratie werde abgelehnt und als „Dämonkratie“ verunglimpft.

Angebot gelöscht

Das passt ganz in Wladimir Putins Konzept. Alles, was die liberale Demokratie untergräbt, ist dem Kremlchef nur Recht. Aber warum gefällt das ausgerechnet dem linken Falter-Verlag? Tut es eh nicht, die Extremistenbücher sind nur irgendwie ins Angebot gerutscht. Man habe sie schon einmal gelöscht, „offenbar sind sie wieder reingewandert“, sagt Christa Thurnher vom Falter-Buchverlag und beteuert, „keine Ahnung“ zu haben, wie das passieren konnte. Sie bedankt sich beim VOLKSBLATT für den Hinweis. Kurz darauf sind die „Anastasia“-Bücher von falter-shop.at verschwunden.

Von Manfred Maurer

„Anastasia-Bewegung“ auch in OÖ aktiv

Der wegen antisemitischer Tendenzen umstrittene „Anastasia“-
Kult hat auch in Oberösterreich schon Wurzeln geschlagen. Ausgerechnet in St. Radegund, dem Innviertler Geburtsort des 1943 von den Nazis ermordeten Widerstandskämpfers Franz Jägerstätter.

Dort betreibt Permakultur-Bauer Rupert Peterlechner „Anastasialand“, ein Öko-Bauernhof, wo das Medium Sabine auch „Anastasia-Channelings“ anbietet. „Die Gedanken von Anastasia sind für mich ausschlaggebend, um hier eine Oase der Harmonie und Achtung vor der Schöpfung entstehen zu lassen“, schreibt Peterlechner völlig unverdächtig auf seiner Webseite.

Konfrontiert mit den extremistischen Inhalten der von ihm empfohlenen „Anastasia“-Bücher meinte er gegenüber dem VOLKSBLATT, da seien „einzelne Passagen rausgepickt worden, die für mich keine Relevanz haben“.

Er wolle zwar nicht sagen dass die Juden selber schuld seien, „aber was der wahre Hintergrund ist, weiß ich nicht“. Und will er offenbar auch nicht wissen: „Das kann mir alles wurscht sein.“

„Ist mir völlig blunzn“

Ähnlich reagiert Peterlechner auf die Frage, was er davon halte, dass die Demokratie in einem „Anastasia“-Buch als „Dämonkratie“ bezeichnet wird: „Das ist mir völlig blunzn.“

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