Rechtes Südtirol-Paradoxon

Ausgerechnet Melonis ideologische Verwandtschaft schreit laut Alarm

Ex-Mussolini-Bewunderin Giorgia Meloni: Läutet die neue Regierungschefin eine neue Ära in Österreichs „zehntem Bundesland“ ein?
Ex-Mussolini-Bewunderin Giorgia Meloni: Läutet die neue Regierungschefin eine neue Ära in Österreichs „zehntem Bundesland“ ein? © AFP/Solaro

Die Südtiroler Volkspartei (SVP) machte sich die Entscheidung nicht leicht: Sollten ihre Abgeordneten im Römer Parlament gegen die neue Regierung von Giorgia Meloni votieren oder sollte die Besorgnis wegen autonomiefeindlicher Tendenzen der Postfaschistin lediglich sanft per Stimmenthaltung ausgedrückt werden?

Die SVP-Jugend etwa drängte auf ein Nein. Nachdem der neue Außenminister Antonio Tajani seinem österreichischen Amtskollegen Alexander Schallenberg (ÖVP) ein Bekenntnis zum Autonomiestatus übermittelt hatte, rang sich der SVP-Vorstand fast einstimmig zu freundlicher Distanz gegenüber der Rechtsregierung durch: Am Vorabend des österreichischen Nationalfeiertages enthielten sich die zwei SVP-Senatoren und drei -Kammerabgeordneten bei der Vertrauensabstimmung über die neue Regierung.

Meloni dankte in ihrer Antrittsrede nicht nur mit einem Bekenntnis zur Autonomie, sondern versprach Österreichs „zehntem Bundesland“ sogar eine Wiederherstellung von Kompetenzen, die durch Urteile des Verfassungsgerichtes über die Jahre ausgehöhlt worden waren.

Folgen den Worten Taten?

Man wird sehen, welche Taten den Worten folgen. Skepsis ist angesichts vergangener Äußerungen Melonis über Südtirol angebracht. Pikanterweise schreien jedoch ausgerechnet jene politischen Kräfte am lautesten Alarm, die sowohl Melonis postfaschistischen „Fratelli d’Italia“ (FDI, „Brüder Italiens“) als auch Matteo Salvinis rechtsextremer Lega ideologisch nahe sind.

So steht auf der Webseite der „Südtiroler Freiheit“ (SF), dem FPÖ-Pendant südlich des Brenners, nach wie vor die Parole „Nein zur Faschistenregierung Meloni!“ SF-Chef Sven Knoll betont gegenüber dem VOLKSBLATT, dass Melonis Rede an dieser Einschätzung „überhaupt nichts geändert“ habe.

Jenes Lager, das stets den inflationären Einsatz der Faschismuskeule beklagt, wenn es selbst davon getroffen wird, schwingt selbige ohne Zögern gegen italienische Nationalisten. Die tun sich naturgemäß schwer mit dem Österreich-Nationalismus von Südtirolern, auch wenn der eine wie der andere in derselben Denke wurzelt.

FPÖ in Freude und Angst

Dieses ideologische Südtirol-Paradoxon plagt auch die FPÖ: Ausgerechnet der Erfolg jener Kräfte, die den südtirolpolitischen Vorstellungen der FPÖ am fernsten stehen, euphorisiert FPÖ-Politiker: „Jetzt wird in Italien endlich eine Frau ohne jegliche Quote Regierungschefin und den ganzen Linken und Emanzen hier passt es wieder nicht. Da soll sich jemand auskennen. #bravo Italia“, twitterte der blaue EU-Abgeordnete Harald Vilimsky nach Melonis Wahltriumph. „Eine starke Frau an der Spitze Italiens. … Brava Giorgia Meloni!“, freute sich auch die stellvertretende FPÖ-Vorsitzende Marlene Svazek.

Kurz darauf schickten die Tiroler FPÖ-Landtagsabgeordnete Gudrun Kofler und der frühere FPÖ-Südtirolsprecher Werner Neubauer gemeinsam mit Südtiroler Freiheitlichen einen offenen Brief an die Bundesregierung, in dem sie dringend vor der von FPÖlern bejubelten Meloni warnten. Da soll sich noch jemand auskennen…

Ex-Mussolini-Bewunderin

Tatsächlich birgt die Vita der Frau, die den faschistischen Diktator Benito Mussolini einmal als „guten Politiker“ bezeichnet, inzwischen aber jeglichem Faschismus abgeschworen hat, einige Alarmsignale für Südtirol. Am 100. Jahrestag der Kriegserklärung Italiens an Österreich- Ungarn hatte sie gefordert, „dass die Südtiroler nach Österreich auswandern sollen, wenn ihnen die italienische Trikolore nicht passt“.

Die Regierung in Bozen hatte sich am 23. Mai 2015 geweigert, auf Landesgebäuden die italienische Flagge zu hissen. Zwei Jahr später tobte Meloni, weil die damalige ÖVP-FPÖ-Regierung im Regierungsprogramm den Südtirolern die Doppelstaatsbürgerschaft in Aussicht gestellt hatte: „Hände weg von Südtirol! … Es ist ein Wahnsinn, zu denken, dass ein Teil Italiens von einer Mehrheit österreichischer Bürger bewohnt sein könnte“.

Die Doppelstaatsbürgerschaft — ein Steckenpferd der Freiheitlichen — ist im türkis-grünen Regierungsprogramm nicht enthalten. Ein südtirolpolitischer Sprengsatz wurde also lange vor Melonis Start entschärft. An ihr wird es nun liegen, Vertrauen aufzubauen. Südtirols Schutzmacht Österreich muss wachsam sein, kann aber gelassener bleiben, als Melonis aufgeregte Ideologie-Verwandtschaft.

Eine Analyse von Manfred Maurer

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