Revolution der „Islamophoben“

Iraner rebellieren gegen einen Islam, der den Menschen auch anderswo Angst einjagt

„Islamophobe“ Muslime: Iranerinnen lehnen sich auf gegen religiöse Zwänge, die in vielen muslimischen Staaten Alltag sind.
„Islamophobe“ Muslime: Iranerinnen lehnen sich auf gegen religiöse Zwänge, die in vielen muslimischen Staaten Alltag sind. © AFP/Nimani

Ob die Islamische Republik im Iran den 44. Jahrestag ihrer Ausrufung am 1. April 1979 noch erleben wird, steht in den Sternen. Schon oft sah sich das Mullah-Regime mit Protesten konfrontiert, doch noch nie stand es derart mit dem Rücken zur Wand. Der vom Tod einer in die Fänge der Religionspolizei geratenen Frau entfachte Zorn auf die gottesstaatlichen Repräsentanten und Institutionen hat breite Bevölkerungsschichten erfasst.

Muslimische Iranerinnen wollen sich — unterstützt auch von muslimischen Männern — der Fesseln einer Religion entledigen, die den Anspruch erhebt, ihr Leben bis ins letzte Detail und bis hinein ins Intimste einem strengen, noch dazu diskriminierenden Reglement zu unterwerfen. Das Kopftuch, das die 22-jährige Mahsa Amini im September nicht vorschriftsgemäß getragen und so die Sittenwächter provoziert hatte, ist zum Symbol dieses Kampfes gegen die religiöse Bevormundung im Allgemeinen und die sexualisierte Entrechtung der Frau im Besonderen geworden.

Kopftuch als Symbol

Die gegen die Theokratie auf die Barrikaden gehenden Muslime machen sich eines Vergehens „schuldig“, das im Iran mit dem Tod bestraft werden, aber auch hier in Europa, ganz besonders in Österreich schnell an den Pranger führen kann: Islamophobie. Es mag absurd klingen, Muslimen pathologische Angst vorm Islam zu unterstellen, doch genau das passiert. Wer, wie viele Iranerinnen, ein Problem mit dem Kopftuch als zentralem Symbol des Politischen Islam hat, muss damit rechnen, im Europäischen Islamophobie-Report gelistet zu werden, den der aus Oberösterreich stammende Politikwissenschafter Farid Hafez seit 2015 alljährlich herausgibt. Die dort — bis vor Kurzem sogar mit EU-Förderung — neben echten Islamhassern an den Pranger gestellten Muslime haben eines gemeinsam: Ihr Engagement für einen säkularen Islam, der Frauen nicht unter Burka oder Kopftuch zwingt und auch sonst als gleichberechtigt betrachtet.

Die iranische Revolution gegen Kopftuchzwang und Zwangsreligiosität wäre nach der Logik des Hafez-Reports somit als Islamophobie in Reinkultur einzustufen. Richtig interpretiert hat der Begriff tatsächlich eine gewisse Berechtigung, wenn auch nicht im Sinne des Erfinders. Eine Phobie ist eine Angststörung, ausgelöst durch anhaltende und übermäßige Angst vor einem Objekt oder einer Situation. Ein Islam, der die Unterdrückung bis hin zur Ermordung von für ungläubig erklärten Menschen rechtfertigt, macht berechtigt Angst. Ob diese „übermäßig“ ist, ist eine Ermessensfrage. Jedenfalls legen viele Menschen im Iran gerade ihre Angst ab und bieten deren Auslöser die Stirn.

Drohbotschaft

Was dort passiert, hat allerdings eine globale Dimension. Denn der Islam als religiöse Drohbotschaft ist ja kein bloß iranisches Phänomen. Auch kein afghanisches. Die Mullahs in Teheran und die Taliban in Kabul stehen nur momentan aufgrund der Ereignisse in diesen beiden Ländern im Fokus. Der islamische Anspruch, Menschen an die kurze Leine der Religion zu legen, wird nämlich überall dort geltend gemacht, wo sich dazu die Gelegenheit bietet. Kaum ein Land, in dem der Islam maßgeb-lich Einfluss erlangt hat, ist ein Hort der eigentlich von der UNO als universell, also für alle geltend erklärten Menschenrechte. Fast überall, wo muslimische Regierungen die Macht ausüben, sind andere Religionen schlechter gestellt, grundsätzlich verboten, bestenfalls geduldet. Die Diskriminierung Anders- bzw. Ungläubiger ist — in unterschiedlicher Intensität und Brutalität — sogar hochoffiziell festgeschrieben, auch wenn von muslimischen Vertretern gern Anderes behauptet wird.

Primat der Scharia

1990 hat die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) in Kairo ihre „Erklärung der Menschenrechte im Islam“ beschlossen. Was ein Pendant zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO sein soll, ist eigentlich deren Aushebelung. Denn alle Menschenrechte — ob Religions- oder Meinungsfreiheit — werden darin unter einen Scharia-Vorbehalt gestellt. Recht ist demnach nur, was mit islamischem Recht vereinbar ist. Ist diese Bedingung erfüllt, erlaubt die Kairoer Erklärung sogar Selbstjustiz.

Nicht weniger als 56 Staaten haben dieses Prinzip der Dominanz des Islam unterschrieben. Dass dies vielen Menschen, auch Muslimen Angst macht, sollte daher nicht verwundern. Bleibt zu hoffen, dass die „Islamophoben“ ihre Angst überwinden und die Fesseln ihrer Religion sprengen. Nicht nur im Iran.

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