
Sechs Tage vor seinem Auslaufen hat Russland einer Verlängerung des Getreideabkommens mit der Ukraine zugestimmt, zugleich aber seine Forderungen im Zusammenhang mit eigenen Düngemittelexporten bekräftigt. „Das ist so eine Art Geste guten Willens von Russland in der Hoffnung darauf, dass nach Ablauf so langer Zeit die Bedingungen und Verpflichtungen, die bestimmte Seiten auf sich genommen haben, erfüllt werden“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Dienstag in Moskau.
Die Zustimmung war am Montagabend vom russischen Vize-Außenminister Sergej Werschinin bekanntgegeben worden, der zuvor in Genf mit UNO-Vertretern verhandelt hatte. Anders als bei der ersten Verlängerung des Deals im November wird die Laufzeit diesmal nur um 60 Tage ausgedehnt. Das Ende Juli von den Kriegsparteien, der UNO und der Türkei unterzeichnete Abkommen war zunächst auf 120 Tage befristet gewesen.
Laut den Vereinten Nationen gibt es nun noch weitere, informelle Beratungen. „Die Unterredungen wurden gestern wie vereinbart abgeschlossen, aber Konsultationen mit allen Parteien werden fortgesetzt“, teilte das Büro von UNO-Nothilfekoordinator Martin Griffiths am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters in einem E-Mail mit. Griffiths und die UNO-Handelsbeauftragte Rebeca Grynspan hatten sich am Montag mit Werschinin in Genf getroffen.
Es wurde aber Kompromissbereitschaft angedeutet. „Im Zusammenhang mit der Schwarzmeer-Getreideinitiative sieht das Abkommen eine Verlängerung um 120 Tage vor, aber unter den gegenwärtigen Umständen konzentrieren sich der Generalsekretär und sein Team in engem Kontakt mit allen Parteien darauf, alles zu tun, um Kontinuität der Initiative zu gewährleisten“, sagte UNO-Sprecher Stephane Dujarric am Dienstag in New York.
Moskau beklagt, dass westliche Sanktionen die Ausfuhr russischer Lebens- und Düngemittel behindern. Peskow wiederholte nun Vorwürfe, Versprechungen über eine Erleichterung russischer Exporte von Lebensmitteln und Dünger seien nicht eingehalten worden. UNO-Generalsekretär António Guterres sei „es leider nicht gelungen, die blinde Mauer des kollektiven Westens zu durchschlagen“, sagte er.
Der russische Vizeaußenminister Alexander Gruschko pochte darauf, dass bei den Düngemittelexporten „in vollem Umfang alle Versprechen und Verpflichtungen uns gegenüber erfüllt werden“ müssen. „Diesbezüglich hat sich für uns nichts verändert“, forderte der Vertreter des Aggressorstaates gegenüber der Nachrichtenagentur Tass die Abschaffung aller „direkten und indirekten Sanktionen“ für die Exporte.
Die Vereinten Nationen hatten bei der Unterzeichnung des Abkommens im Juli 2022 versprochen, sich für eine Erleichterung der russischen Exporte einsetzen zu wollen. Formell sind die Exporte möglich, doch erschweren westliche Sanktionen ihre konkrete Durchführung. Laut Werschinin müssten unter anderem Bankzahlungen, Transportlogistik und Versicherungen erleichtert werden. Moskau besteht auch auf der Wiedereröffnung der russischen Pipeline für Ammoniak, die durch die Ukraine führt. Seit dem völkerrechtswidrigen russischen Angriff auf das Nachbarland im Februar 2022 ist sie nicht mehr in Betrieb.
Ohne Zustimmung Russlands wäre die Vereinbarung am Wochenende ausgelaufen. Durch die Initiative sind mehr als 24 Millionen Tonnen Getreide auf den Weltmarkt gekommen, was insbesondere die Nahrungsmittelknappheit in den ärmsten Ländern lindern soll. Mehr als 800 Schifffahrten wurden bisher über ein in der Bosporusmetropole Istanbul angesiedeltes Kontrollzentrum abgewickelt. Auf dem Landweg wären diese Exporte kaum zu bewerkstelligen gewesen, da für den Transport einer Schiffsladung Dutzende komplette Güterzüge erforderlich wären. Mit Abstand größter Abnehmer der Getreidexporte ist China, gefolgt von Spanien, der Türkei, Italien und den Niederlanden. Auf diese fünf Staaten entfallen zwei Drittel der bisher über drei ukrainische Häfen ausgeführten Agrargüter.