
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) beendet am Mittwoch seinen Irak-Besuch in der Autonomen Region Kurdistan. In der Hauptstadt Erbil kommt es neben einem bilateralen Wirtschaftsforum zu Treffen mit dem Präsidenten der Region Kurdistan-Irak, Nechervan Barzani und Premier Masrour Barzani sowie dem Patriarchen der Chaldäisch-Katholischen Kirche, Louis Raphaël Sako. Die ölreiche Region Kurdistan-Irak im Norden des Landes ist als Wirtschaftspartner von großem Interesse.
Der Mineralölkonzern OMV ist seit 2007 in der Region tätig. Auch die Fluglinie Austrian (AUA) ist vor Ort präsent und bietet Direktflüge zwischen Wien und Erbil an. Generell sind die Handelsbeziehungen zwischen dem Irak und Österreich laut Wirtschaftskammer (WKO) zuletzt gewachsen.
Die für die Ölproduktion wichtige Stadt steht unter Kontrolle der Zentralregierung, wird aber auch von der kurdischen Autonomieregierung im Nordirak beansprucht. Schallenberg hatte am Dienstag die Bedeutung eines „stabilen und geeinten Irak“ unterstrichen. In den vergangenen Jahren habe die Zentralregierung an Durchschlagskraft gewonnen. Das sei auch im Verhältnis zwischen Bagdad und Erbil zu erkennen. Dass nunmehr die Öleinnahmen aus der kurdischen Autonomie „transparent“ über die Zentralregierung laufen würden, sei vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen.
Allerdings moniert die Regionalregierung in Erbil, dass sie bezüglich Zahlungen seitens Bagdad benachteiligt werde. Schallenberg wird in Erbil auch mit dem Chef der nationalistisch-konservativen Kurdischen Demokratischen Partei (KDP), Massoud Barzani, sprechen.
In der ethnisch gemischten Region kam es zuletzt bei Unruhen rivalisierender Gruppen zu Ausschreitungen, die etwa in Kirkuk sogar Menschenleben forderte. Grund für die Proteste war eine Ankündigung der Zentralregierung in Bagdad, wonach ein Hauptquartier der Armee in der Stadt geräumt und der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) übergeben werden soll.
Arabische und turkmenische Anrainer demonstrierten anschließend tagelang gegen die Pläne. Kurden hielten Gegenproteste ab und sprachen sich für das Vorhaben aus. Am Samstag brach Gewalt zwischen den Anrainergruppen aus, wie Medien meldeten. Auch Schüsse sollen demnach gefallen sein. Die Zentralregierung beschloss nach Angaben des Gouverneurs der Stadt schließlich, ihre Pläne zunächst zu verschieben.
Zum Abschluss seines Irak-Besuchs ist Schallenberg am Nachmittag bei Kardinal Sako zu Gast. Der Patriarch hatte Mitte Juli angekündigt, dass er sich aus der Residenz in Bagdad zurückziehe und in die Autonome Region Kurdistan in ein Kloster begebe. In einem Schreiben hieß es, er habe diese Entscheidung getroffen, weil der irakische Präsident Abdul Latif Rashid ein vom früheren Präsidenten Jalal Talabani erlassenes Sonderdekret aus dem Jahr 2013 aufhob. Dieses hatte Sako weitreichende Befugnisse zur Verwaltung chaldäischer Stiftungsangelegenheiten eingeräumt und offiziell als Oberhaupt der Chaldäischen Kirche anerkannt.
Der Schritt kam, nachdem eine Auseinandersetzung zwischen Sako und den „Babylon-Brigaden“ kulminiert war. Der Kardinal meinte bezüglich der Entscheidung des Präsidenten in einem Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur KNA: „Es zeigt, dass er unter großem Einfluss der Babylon-Milizen steht, die sich christlich nennen, aber in Wahrheit eine schiitische Gruppe mit wenigen Christen sind. Möglicherweise erhält Rashid von den Milizen falsche Informationen und war sich nicht über die Konsequenzen seines Handelns bewusst. Es handelt sich jedenfalls um einen unglaublichen Präzedenzfall, für den es keine Grundlage gibt.“
Die Zahl der Christinnen und Christen im Irak ist in den vergangenen 20 Jahren vor allem wegen der Gewalt radikaler Islamisten drastisch gesunken. Als Diktator Saddam Hussein 2003 nach einer von US-Truppen lancierten Invasion gestürzt wurde, lebten noch rund 1,5 Millionen im Irak, aktuell wird die Anzahl auf maximal 250.000 geschätzt.
Daher beschrieb das Oberhaupt der katholischen Ostkirche gegenüber KNA die Lage seiner Glaubensgemeinschaft im Irak als prekär. Er sprach von „Entführungen, Morde, Vertreibungen und Ausgrenzungen“. Zahlreiche Kirchen seien zerstört, christliches Eigentum beschlagnahmt worden.
„Der Irak muss seine Kultur und seine Gesetze ändern“, so Sako, „als Christen werden wir als Zweite-Klasse-Bürger betrachtet. Aber wir sind Iraker. Wir waren im Irak, bevor die Muslime da waren. Wir waren die Mehrheit und haben das Land und seine Kultur geprägt. Sie müssen uns dankbar sein, anstatt uns zu marginalisieren und zum Auswandern zu drängen.“ Im Jahr 2021 hatte Papst Franziskus trotz der Corona-Pandemie den Irak besucht und dort für Vielfalt und Verständigung geworben.
In Bagdad hatte Schallenberg (ÖVP) am Dienstag Staatspräsident Abdul Latif Rashid, Premier Mohammed Shia’ al-Sudani und Außenminister Fuad Hussein getroffen. Zudem wurde die aus Sicherheitsgründen in einem Hotel untergebrachte österreichische Botschaft Bagdad feierlich wiedereröffnet. Sie war 1991 geschlossen wurden und ist nun seit rund einem Jahr wieder in Funktion.