Blinken fordert von Israel Untersuchung nach Tod von Helfern

US-Außenminister Antony Blinken © APA/AFP/POOL/BENOIT TESSIER

Nach dem Tod von sieben Mitarbeitern der Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) im Gazastreifen hat US-Außenminister Antony Blinken von Israel eine „rasche, gründliche und unabhängige Untersuchung“ gefordert. Er habe mit der israelischen Regierung gesprochen und Aufklärung verlangt, sagte Blinken am Dienstag in Paris nach einem Treffen mit seinem französischen Amtskollegen Stéphane Séjourné. Israels Premier Benjamin Netanyahu bedauerte den „unbeabsichtigten“ Angriff.

Einem Medienbericht zufolge ging dieser auf einen Terrorverdacht zurück. Die Streitkräfte hätten den Hilfskonvoi am Montagabend wegen der Vermutung attackiert, ein Terrorist sei mit ihm unterwegs gewesen, berichtete die israelische Zeitung „Haaretz“ am Dienstag unter Berufung auf nicht näher genannte Verteidigungsbeamte.

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Eine Einheit, die für die Sicherheit der vom Konvoi befahrenen Straße verantwortlich ist, hatte demnach zuvor einen bewaffneten Mann auf einem Lastwagen identifiziert. Der von Fahrzeugen des WCK eskortierte Lastwagen sei dann in eine Lagerhalle gefahren. Wenige Minuten später hätten die drei Fahrzeuge der Hilfsorganisation die Lagerhalle wieder verlassen – jedoch ohne den Lastwagen, auf dem sich der Bewaffnete befunden haben soll.

Eine israelische Drohne habe schließlich nacheinander drei Raketen auf den Konvoi gefeuert. Einige Helfer seien aus dem zuerst angegriffenen Wagen in eines der beiden anderen Fahrzeuge geflüchtet, hieß es weiter. Wenige Sekunden später wurde dem Bericht zufolge dann auch dieses getroffen. Die Überlebenden hätten die Verwundeten dann zum dritten Wagen gebracht, das schließlich ebenfalls angegriffen worden sei. Sieben Menschen starben. Die Angaben ließen sich zunächst allesamt nicht unabhängig überprüfen.

Israels Präsident Yitzhak Herzog sprach den Angehörigen der opfer sein Beileid aus. Sein Büro erklärte am Dienstag, Herzog habe mit dem Gründer der Hilfsorganisation, José Andrés, telefoniert und „seine tiefe Trauer und aufrichtige Entschuldigung angesichts des tragischen Verlusts“ ausgedrückt.

Der US-Außenminister forderte, „unschuldige Zivilisten, Kinder und Humanitäre Helfer“ müssten besser geschützt werden. Es dürfe nicht die Situation entstehen, in der Helfer selber in Gefahr gerieten, sagte Blinken. Sowohl er als auch Präsident Joe Biden hätten bei jeder Gelegenheit von Israel mehr Platz für humanitäre Hilfe eingefordert. Hilfe müsse nicht nur in den Gazastreifen gelangen, sondern dort auch verteilt werden können.

Zu möglichen Konsequenzen nach dem Beschuss der humanitären Helfer wollte Blinken vorerst nichts sagen. Er verteidigte die amerikanische Militärhilfe für Israel, die der Selbstverteidigung des Landes etwa gegen den Iran oder die Hisbollah diene, die eine Vernichtung Israels anstrebten. Laufende Waffenlieferungen an Israel erfolgten langfristig und unabhängig von dem aktuellen Konflikt.

Die Hilfsorganisation hatte am Dienstag den Tod von Mitarbeitern im Gazastreifen durch einen Luftangriff bestätigt. Das Team sei in einer konfliktfreien Zone unterwegs gewesen und die Fahrt sei mit dem israelischen Militär koordiniert worden. Die Helfer seien beschossen worden, nachdem sie mehr als 100 Tonnen humanitäre Lebensmittel entladen hätten, die auf dem Seeweg in den Gazastreifen gebracht worden waren.

Auch Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock drängte eine rasche Untersuchung. „Die israelische Regierung muss diesen schrecklichen Vorfall schnell und gründlich untersuchen“, schrieb die Grünen-Politikerin am Dienstag auf der Plattform X (früher Twitter). Baerbock fügte hinzu: „Wir fordern die israelische Regierung erneut auf, für funktionierende Maßnahmen zur Konfliktlösung zu sorgen. Solche Vorfälle dürfen nicht passieren.“ Ihr tiefstes Mitgefühl gelte den Familien der sieben getöteten WCK-Mitarbeitern.

Großbritannien bestellte den israelischen Botschafter ein. Außenminister David Cameron hatte zuvor auf X erklärt, mit seinem israelischen Kollegen Israel Katz gesprochen zu haben. Der Tod der sieben Mitarbeiter der Hilfsorganisation World Central Kitchen sei völlig inakzeptabel. Unter den Toten sind auch drei Briten. Israel müsse zügig erläutern wie es zu dem Vorfall kommen konnte und Änderungen vornehmen, um die Sicherheit von Helfern zu gewährleisten.

Auch Polen forderte Aufklärung von Israel. In einem Telefonat mit seinem Amtskollegen Katz habe er eine unabhängige Untersuchung des Angriffs angemahnt, bei dem auch ein Pole getötet wurde, schrieb Außenminister Radoslaw Sikorski am Dienstag auf der Plattform X. In einer ebenfalls auf X veröffentlichten Videobotschaft nannte Sikorski den Namen des getöteten polnischen Helfers. „Unser tapferer Landsmann Damian Sobol aus Przemysl war mit Hilfsgütern für die Bedürftigen in Gaza unterwegs, wo sich eine humanitäre Katastrophe abspielt. Er wurde bei einem Angriff getötet, für den die israelische Armee die Verantwortung übernommen hat.“ Sikorski sprach der Familie des Helfers sein Mitgefühl aus.

Australiens Ministerpräsident Anthony Albanese bestätigte den Tod der 44-jährigen Entwicklungshelferin Lalzawmi „Zomi“ Frankcom und forderte, die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. „Dies ist eine menschliche Tragödie, die sich niemals hätte ereignen dürfen“, sagte er vor Journalisten. In den USA zeigte sich die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates, Adrienne Watson, erschüttert. „Humanitäre Helfer müssen geschützt werden, wenn sie dringend benötigte Hilfe liefern, und wir fordern Israel auf, den Vorfall schnell zu untersuchen“, erklärte sie in sozialen Medien.

Das österreichische Außenministerium forderte auf X eine unabhängige Untersuchung des Vorfalls und den ungehinderten Zugang von Helfern zum umkämpften Küstenstreifen. „Das Leben von Zivilisten und die humanitären Helfer müssen zu allen Zeiten beschützt werden“, so das Außenamt in einem englischsprachigen Posting.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sprach den Familien der Opfer ihr Mitgefühl aus. „Ich würdige die Helfer, die in Gaza ihr Leben verloren haben“, teilte sie am Dienstag auf X mit. „Mein tiefstes Beileid gilt ihren Familien und Freunden.“ Die Hilfsorganisation WCK sei ein entscheidender Partner bei der Linderung des Leidens der Menschen in Gaza.

EU-Chefdiplomat Josep Borrell verurteilte den Luftangriff im Gazastreifen. Der Außenbeauftragte der Europäischen Union würdigte am Dienstag auf X die getöteten NGO-Mitarbeiter und drängte auf eine Untersuchung. „Trotz aller Forderungen zum Schutz von Zivilisten und humanitären Helfern gibt es neue unschuldige Opfer.“ Die britische und spanische Regierung forderten eine umgehende Aufklärung des Vorfalls. Ägypten verurteilte den Angriff. Das Außenministerium in Kairo sprach in seiner Erklärung vom Dienstag von anhaltenden Angriffen Israels auf Organisationen, die im humanitären Bereich tätig seien.

Der Nothilfekoordinator der Vereinten Nationen, Martin Griffiths, hat den Mut der sieben getöteten humanitären Helfer in Gaza hervorgehoben. „Sie waren Helden. Sie wurden getötet, während sie versucht haben, hungernde Menschen zu ernähren“, schrieb er am Dienstag auf X. Er sei empört, schrieb Griffiths weiter. „Die Handlungen derer, die dahinterstehen, sind durch nichts zu rechtfertigen“, fügte er hinzu.

Netanyahu sprach in einer Videobotschaft von einem „tragischen Fall eines unabsichtlichen Treffers unserer Streitkräfte gegen Unschuldige im Gazastreifen“. Man prüfe den Vorfall und werde alles tun, damit er sich nicht wiederhole. Die Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) kündigte an, sie werde angesichts des tödlichen Angriffs auf einen Hilfskonvoi ihren Einsatz in der Region sofort stoppen.

WCK berichtete, die Helfer hätten gerade ein Lagerhaus in der Ortschaft Deir al-Balah im zentralen Abschnitt des Gazastreifens verlassen, als sie beschossen worden seien. „Dies ist nicht nur ein Angriff auf WCK, dies ist ein Angriff auf humanitäre Organisationen, die in schlimmsten Situationen kommen, in denen Nahrung als Waffe im Krieg eingesetzt wird“, sagte die Geschäftsführerin der Organisation, Erin Gore. „Dies ist unverzeihlich.“ Die sieben Opfer stammten laut der Mitteilung aus Australien, Polen, Großbritannien und den Palästinensergebieten – zudem habe eines der Opfer die US-amerikanische und kanadische Staatsbürgerschaft.

Das israelische Militär teilte in einem englischsprachigen Video auf der Plattform X (früher Twitter) mit, es führe „eine gründliche Untersuchung auf höchster Ebene durch, um die Umstände dieses tragischen Vorfalls zu verstehen“. Armeesprecher Daniel Hagari kündigte darin an, der Vorfall werde von einem „unabhängigen, professionellen Expertengremium“ untersucht werden.

WCK ist seit dem Beginn des Krieges zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen an der Verteilung von Hilfsgütern in dem Palästinensergebiet beteiligt. Sie ist eine von zwei Hilfsorganisationen, die Hilfsgüter von Zypern aus per Schiff in den Gazastreifen liefern, und war dort auch am Bau eines provisorischen Anlegers beteiligt.

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