Terrorklage gegen WM-Gastgeber

Familie eines IS-Opfers klagt Katar wegen mutmaßlicher Finanzierung von Terrororganisationen

Steven Sotloff in einem IS-Propagandavideo vom August 2014 mit seinem Mörder „Dschihadi John“: Wurde das islamistische Grauen mit Geld aus Katar gefördert?
Steven Sotloff in einem IS-Propagandavideo vom August 2014 mit seinem Mörder „Dschihadi John“: Wurde das islamistische Grauen mit Geld aus Katar gefördert? © AFP

Während in Katar das runde Leder rollt, ist der WM-Gastgeber in den USA mit einer Klage konfrontiert, die auch der US-Administration nicht in den außenpolitischen Kram passen dürfte: Die Familie des im August 2014 in Syrien von IS-Terroristen geköpften Journalisten Steven Sotloff hat beim Bezirksgericht in West Palm Beach (Florida) Katar wegen Terrorförderung verklagt. Die dem VOLKSBLATT vorliegende Klageschrift ist — ungeachtet der für alle Genannten geltenden Unschuldsvermutung — politisch hochexplosiv.

Mörderische „Beatles“

Darum geht es: Im August 2013 wird Steven Sotloff, der für US-Medien über den Arabischen Frühling berichtet hatte, von der Terrororganisation Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS, später IS) entführt. Ein Jahr später wird der 31-Jährige vor laufender Kamera enthauptet. Der auf dem Video vermummte Mörder ist inzwischen ebenfalls tot: Mohammed Emwazi, alias „Dschihadi John“, starb 2015 bei einem US-Drohnenangriff. Der in London aufgewachsene Kuwaiter gehörte einer vierköpfigen Terrorzelle an, die in Medien wegen ihres britischen Akzents „Beatles“ genannt wurde. Zwei von ihnen wurden heuer in den USA zu lebenslanger Haft verurteilt, der Vierte sitzt seit August in britischer Haft.

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Was hat das mit Katar zu tun? Laut Klageschrift sehr viel. Denn sie zeigt enge Verbindungen zwischen Katar und IS auf. Wörtlich heißt es etwa: „Um ihre islamistischen Ziele zu verfolgen, förderte die katarische Regierung die private Geldbeschaffung für ISIS und seine Vorgängerorganisationen und erlaubte deren Financiers, in Katar zu operieren.“ Und: „Bereits 2003 betrieb Abdul Karim al-Thani, ein Mitglied der katarischen Königsfamilie, in Katar einen Unterschlupf für Abu Mussab al-Zarqawi, den Anführer des gleichnamigen Terrornetzwerks (El Kaida im Irak, Anm.), aus dem schließlich ISIS wurde.“

Auch einen direkten Bezug zum Mordfall Sotloff beschreiben die Kläger: Das „Todesurteil“ gegen Sotloff (und die ebenfalls enthauptete US-Geisel James Foley) habe der IS-Richter Fadel al Salim unterschrieben. Diesem hätte die katarische Hilfsorganisation „Qatar Charity“ (QC) im Jahr 2013 über die „Qatar National Bank“ (CNB) 800.000 US-Dollar auf ein Konto bei der türkischen Ziraat Bank überwiesen. Das Geld habe Salim verwendet, um eine IS-Brigade zu bilden und IS-Richter zu werden.

Königliche Verschwörung?

Da sowohl QC als auch die CNB unter Kontrolle der Machthaber des Emirates stehen, machen Sotloffs Hinterbliebene ihre Ansprüche „gegen die Mitglieder einer den Terrorismus finanzierenden Verschwörung geltend, die von der Regierung und der königlichen Familie des Staates Katar angeführt wird“.

Eine Stellungnahme Katars ist nicht bekannt, eine VOLKSBLATT-Anfrage ließ die katarische Botschaft in Washington unbeantwortet. Dass Geld in Terrorkanäle geflossen ist, hat ein Mitglied der Königsfamilie freilich selbst nicht ausgeschlossen: „In Syrien hat jeder Fehler gemacht“, sagte Ex-Premier Hamad bin Jassim Al-Thani 2017 in einem Interview, beteuerte aber, dass Katar nie absichtlich extremistische Gruppen in Syrien finanziert habe. Genau das wird in der Klage bestritten: Katar habe gezielt Terrorgruppen finanziert, um den regionalen Rivalen Syrien zu destabilisieren.

Der US-Regierung dürften die Vorwürfe kaum abwegig vorkommen. Die Klageschrift zitiert auch Ileana Ros-Lehtinen, Vorsitzende eines Nahost-Kongressausschusses, die erklärt hatte, dass „Katar bekanntermaßen ein günstiges Umfeld für die Finanzierung von Terrorismus darstellt und Berichten zufolge von den USA als terroristisch eingestufte ausländische Organisationen wie die Hamas sowie mehrere in Syrien operierende extremistische Gruppen finanziert“.

Biden: „Katar guter Freund“

Solche Erkenntnisse hindern die USA freilich nicht, Katar als wichtigen Verbündeten zu hofieren. Im Jänner bezeichnete Präsident Joe Biden Katar bei einem Besuch von Emir Tamim bin Hamad Al-Thani im Weißen Haus als „guten Freund“. Und im November wurde Katar gar „Schutzmacht“ der USA in Afghanistan. Das Emirat vertritt nun im Taliban-Staat, zu dem die USA die Beziehungen abgebrochen hat, Washingtons Interessen…

Von Manfred Maurer

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