Moskaus „Schutz“ Transnistriens macht Europa nervös

Transnistrien ist schon seit den 90er-Jahren von Moldau abtrünnig © APA/AFP/VADIM DENISOV

Nachdem pro-russische Separatisten der abtrünnigen moldauischen Region Transnistrien Russland um „Schutz“ gegenüber Moldau gebeten hatten und Moskau das postwendend als „Priorität“ bezeichnete, machte sich am Donnerstag sowohl in Moldau als auch im Rest Europas Unruhe breit. Europäische Außen- und Verteidigungsminister wollen französischen Angaben zufolge in den kommenden Tagen in Paris zu Beratungen über weitere Unterstützung für die Ukraine aber auch Moldaus zusammenkommen.

Russische Nachrichtenagenturen zitierten am Mittwoch das Außenministerium in Moskau mit den Worten, „der Schutz der Interessen der Bewohner Transnistriens, unserer Landsleute, ist eine der Prioritäten“. In einer bei einem Sonderkongress in Tiraspol verabschiedeten Resolution war Moskau von den Separatisten darum gebeten worden, „Maßnahmen einzuleiten, um Transnistrien angesichts des zunehmenden Drucks durch Moldau zu verteidigen“. Moldau habe einen „Wirtschaftskrieg“ gegen Transnistrien gestartet und blockiere lebenswichtige Importe, um die Region in ein „Ghetto“ zu verwandeln.

Es gebe „sozialen und wirtschaftlichen Druck auf Transnistrien, der den europäischen Prinzipien und Ansätzen zum Schutz der Menschenrechte und des freien Handels direkt widerspricht“, hieß es in der Erklärung, die vom Präsidenten der international nicht anerkannten „Republik“, Wadim Krasnosselski, initiiert wurde. In Transnistrien leben laut der Resolution mehr als 220.000 russische Staatsangehörige. Auch russische Soldaten sind dort stationiert.

Beim EU-Beitrittskandidaten Moldau, der zwischen der Ukraine und Rumänien liegt, dürften diese Nachrichten die Angst vor einer russischen Aggression auch auf ihrem Staatsgebiet schüren – erst recht, weil Russland bereits seit Jahrzehnten eigene Soldaten in Transnistrien stationiert hat. Moldau weist die Erklärungen der Separatisten als „Propaganda“ zurück. Die Region profitiere von „der Politik des Friedens, der Sicherheit und der wirtschaftlichen Integration mit der Europäischen Union“, die „allen Bürgern“ zugute komme, schrieb der stellvertretende Ministerpräsident Oleg Serebian am Mittwoch im Onlinedienst Telegram.

Die Region ist seit den 1990er-Jahren von Moldau abtrünnig. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 haben sich moldauische Politiker immer wieder sehr besorgt gezeigt. Beobachter warfen Russland zudem vor, die Lage in der Region gezielt mit Provokationen zu destabilisieren.

Die Machthaber in Transnistrien verwiesen in ihrem Appell an Moskau nun auch auf russische Staatsbürger, die in dem Separatistengebiet lebten. Auch das dürfte viele beunruhigen. Laut russischer Militärdoktrin sind Einsätze der Armee auch außerhalb des eigenen Staatsgebiets erlaubt, wenn es um den vermeintlichen Schutz russischer Staatsbürger geht. Zurzeit hat aber auch der Kreml Transnistrien nicht als eigenen Staat anerkannt.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) wirft Kreml-Chef Wladimir Putin ein „sehr gefährliches Spiel mit dem Feuer“ vor. Das vermeintliche Schutzersuchen aus Transnistrien klinge „ein bisschen wie aus einem Drehbuch des Kreml“, sagte Schallenberg am Donnerstag in Beirut. „Er (Putin) sei nur gewarnt, dass das Moskauer Drehbuch, das sich jetzt wieder zu entfalten scheint, nicht funktionieren wird.“

Nach ähnlichen Manövern hatte Russland bereits im Jahr 2014 die ukrainische Halbinsel Krim annektiert sowie acht Jahre später vier weitere ukrainische Regionen. Putin „war schon immer für Überraschungen gut, leider Gottes für schlechte Überraschungen in den letzten Jahren“, sagte Schallenberg am Rande seiner Nahost-Reise vor mitreisenden Journalisten. „Wir haben nicht ausgeschlossen, dass es zu einer solchen Entwicklung kommt, vor allem aufgrund der Energiesituation“, sagte der Außenminister mit Blick auf die Ankündigung der Ukraine, den Gastransitvertrag nach Moldau zu kappen. Die Verwendung billigen russischen Gases unter anderem für die Stromproduktion ist eine der Haupteinnahmequellen der Separatistenregion.

Auf die Frage, wie Moldau auf eine mögliche Annexion Transnistriens durch Russland reagieren solle, sagte Schallenberg: „Kühlen Kopf bewahren ist momentan das Beste, was sie tun können.“ Die ersten Reaktionen der moldauischen Regierung seien „sehr vernünftig“ gewesen, „was sehr beruhigend war“.

Protest kam auch aus Paris und Berlin: Das französische Außenministerium prangerte „immer aggressivere Destabilisierungsversuche“ in Moldau an. Diese seien „höchstwahrscheinlich von Russland orchestriert“, sagte ein Sprecher. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock warf Russland das Anfachen des Konfliktes vor. „Seit Jahren instrumentalisiert Russland Minderheiten in der Ukraine“, schrieb Baerbock am Donnerstag im Onlinedienst X. In Moldau setze Putin „auf das gleiche durchsichtige Drehbuch“, fügte sie hinzu.

Bei einem geplanten Treffen in Paris würden konkrete Hilfsmaßnahmen für die Ukraine erörtert, teilt ein Sprecher des französischen Außenministeriums mit. Es werde aber auch darüber beraten, wie man Länder verteidige, die von Russland destabilisiert würden, insbesondere Moldau.

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