Ukraine-Konferenz: 83 Teilnehmer stützen Abschlusserklärung

Auch Kanzler Nehammer nimmt an Konferenz teil © APA/KEYSTONE/REUTERS/POOL/Denis Balibouse

Bei der Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz haben 83 Länder und Organisationen am Sonntag die gemeinsame Abschlusserklärung unterstützt. Österreich ist unter den zustimmenden Staaten, auch Deutschland und die USA. Auch EU-Kommission, EU-Parlament, Europäischer Rat und Europarat stimmten zu. Nicht dabei sind laut einer beim Gipfel veröffentlichten Liste Bahrain, Brasilien, Kolumbien, der Vatikan, Indien, Indonesien, Mexiko, Saudi-Arabien, Südafrika, Thailand und die VAE.

Die teilnehmenden Staats- und Regierungschefs hätten sich nicht auf ein klares Vorgehen zur Einbeziehung Russlands in einen Friedensprozess einigen können. Es habe keine Einigkeit geherrscht in der Frage, wann genau und wie künftig Russland einbezogen werden solle, sagte die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd nach Angaben der Nachrichtenagentur sda zum Abschluss der Konferenz.

Lesen Sie auch

Bei einer Pressekonferenz zeigte sich Amherd dennoch zufrieden, „dass gewichtige Stimmen zusammengekommen sind“. Die breite Zustimmung zu den Zielen der Konferenz habe sie „auch in Gesprächen gespürt“. Mit der gemeinsamen Erklärung sei ein „klarer Rahmen festgeschrieben worden“.

Ihr ukrainischer Amtskollege Wolodymyr Selenskyj gab an, er wolle sich Russland „mit voller Verteidigung und Diplomatie“ entgegenstellen. Der Gipfel hätte Respekt für die territoriale Integrität der Ukraine gezeigt. Es gebe bereits Zusagen einiger Länder für weitere Arbeitsgruppen im Friedensprozess. Eine zweite Konferenz sei das Ziel. „Russland kann morgen mit uns Verhandlungen beginnen, ohne auf etwas zu warten, wenn es sich von unseren rechtmäßigen Territorien zurückzieht“, sagte Selenskyj.

Der Friedensgipfel für die Ukraine in der Schweiz mit mehr als 90 Staaten ging am Sonntag zu Ende. Das Treffen, an dem auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) teilnahm, soll einen Friedensprozess einleiten, in den langfristig auch Russland eingebunden werden soll. Nehammer nannte die fehlende Einstimmigkeit „nicht dramatisch“, denn eine gemeinsame „Grundhaltung“ sei vorhanden.

Video
Ich möchte eingebundene Social Media Inhalte sehen. Hierbei werden personenbezogene Daten (IP-Adresse o.ä.) übertragen. Diese Einstellung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft in der Datenschutzerklärung oder unter dem Menüpunkt Cookies geändert werden.

Die Erklärung würden „wohl nicht alle unterschreiben“, sagte der Kanzler vor dem Abschluss am Rande des Gipfels zu Medien. Grund dafür sei vor allem die Wortwahl. Einige Länder würden sich etwa zieren, Russland als „Aggressor“ zu bezeichnen. Die Gespräche bei der Konferenz hätten Nehammer „positiv motiviert“, er spüre viel gegenseitigen Respekt.

Kaum jemand habe es zu Beginn des Krieges für möglich gehalten, dass sich die Ukraine so lange halte. Nehammer deutete das Treffen in der Schweiz unabhängig von einer Einigung als „großes Zeichen“ und „Erfolg“: „Das Schicksal der Ukraine wird gesehen.“ Betroffen seien schließlich nicht nur europäische Länder: „Es gibt Verbündete überall in der Welt für den Frieden.“

Wichtige Themen waren etwa der Schutz des russisch besetzten AKW Saporischschja, der Verzicht auf den Einsatz von Atomwaffen, Getreideexporte und Gefangenenaustausch. Man habe klar kommuniziert, dass es keinen Frieden ohne Russland gebe. Der Wunsch sei, eine Folgekonferenz mit konkreten Verhandlungen zu organisieren, sagte Nehammer. Details dazu könne er aber noch nicht abschätzen.

Die Abschlusserklärung der Ukraine-Konferenz sei vollständig und „ausgeglichen“, sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba zu Journalisten. Die Positionen der Regierung in Kiew seien berücksichtigt. Es seien keine alternativen Friedenspläne auf dem Gipfel-Treffen diskutiert worden. Die Ukraine werde nicht zulassen, dass Russland in der Sprache von Ultimaten rede.

Wie weit eine Friedenslösung entfernt ist, hatten Äußerungen aus Moskau unmittelbar vor dem Gipfel deutlich gemacht. Der russische Präsident Wladimir Putin nannte seine Bedingungen für Verhandlungen, darunter der vollständige Verzicht der Ukraine auf die Gebiete Donezk, Luhansk, Cherson, Saporischschja und die Schwarzmeer-Halbinsel Krim – etwas mehr als ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebiets. Putin schließt russischen Angaben zufolge Gespräche mit der Ukraine nicht aus. Es seien aber Garantien nötig, um die Glaubwürdigkeit etwaiger Verhandlungen zu gewährleisten, zitierten russische Medien Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Sonntag.

US-Vizepräsidentin Kamala Harris wies Putins Forderung als abwegig zurück. „Wir müssen die Wahrheit sagen. Er ruft nicht zu Verhandlungen auf, er ruft zur Kapitulation auf“, sagte sie – und sicherte der Ukraine anhaltende Unterstützung im Abwehrkampf gegen Russland zu. „Amerika steht nicht aus Nächstenliebe an der Seite der Ukraine, sondern weil es in unserem strategischen Interesse ist.“

In der Abschlusserklärung hieß es, Russlands Krieg in der Ukraine verursache „großes menschliches Leid und Zerstörung“, doch ein Weg zum Frieden erfordere die Beteiligung aller Parteien. Die Ernährungssicherheit dürfe in keiner Weise als Waffe eingesetzt werden. Deshalb müsse es eine freie sichere Handelsschifffahrt geben sowie einen Zugang zu Seehäfen im Schwarzen und Asowschen Meer. Angriffe auf Handelsschiffe in Häfen und entlang der gesamten Route sowie auf zivile Häfen und zivile Hafeninfrastruktur seien nicht hinnehmbar, sagte Amherd. Ferner müssten alle Kriegsgefangenen durch Austausch freigelassen werden. Alle verschleppten und unrechtmäßig vertriebenen ukrainischen Kinder und alle anderen ukrainischen Zivilisten, die unrechtmäßig festgehalten würden, müssten in die Ukraine zurückgebracht werden.

Demnach muss jede Nutzung von Kernenergie und Atomanlagen sicher, geschützt, überwacht und umweltfreundlich sein. Ukrainische Atomkraftwerke und -anlagen wie der Atommeiler Saporischschja müssten unter voller Kontrolle der Ukraine und im Einklang mit den Grundsätzen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA und unter ihrer Aufsicht sicher und geschützt betrieben werden. Jede Drohung mit oder der Einsatz von Atomwaffen im Rahmen des Krieges gegen die Ukraine sei unzulässig, heißt es weiter.

Das könnte Sie auch interessieren