UNHCR: Weltweit 120 Millionen Menschen auf der Flucht

UNO-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi © APA/KEYSTONE/SALVATORE DI NOLFI

Die Zahl der Vertriebenen weltweit ist 2023 und auch bisher im Jahr 2024 erneut gestiegen und hat ein historisches Hoch erreicht. Laut dem „Global Trends Report“ des UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) waren mit Stand Mai 2024 rund 120 Millionen Menschen weltweit von Vertreibung betroffen – das ist mehr als die Bevölkerungszahl von Österreich, Deutschland, der Schweiz und der Niederlande zusammen bzw. rund 1,5 Prozent der gesamten Weltbevölkerung.

Die immer weiter steigende Zahl der Flüchtenden sei ein „schrecklicher“ Indikator „für den Zustand der Welt“, so das UNHCR. Es war der 12. Anstieg in Folge. Das UNHCR führte das auf „neue und sich verändernde Konflikte“ sowie „das Unvermögen, bestehende Krisen zu lösen“ zurück.

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Vor allem der verheerende Konflikt im Sudan treibe die Zahlen in die Höhe, wurde im jährlichen UNHCR-Bericht zu Flucht und Vertreibung vermerkt. Seit April 2023 wurden mehr als 7,1 Millionen Menschen innerhalb ihres Landes vertrieben, weitere 1,9 Millionen flohen über die Grenzen des Sudan. Insgesamt waren laut den Angaben mit Ende 2023 10,8 Millionen Sudanesinnen und Sudanesen auf der Flucht. In der Demokratischen Republik Kongo und in Myanmar wurden im vergangenen Jahr Millionen von Menschen durch heftige Kämpfe innerhalb des Landes vertrieben.

Das UNO-Palästinenserhilfswerk UNRWA schätzt, dass bis Ende des vergangenen Jahres bis zu 1,7 Millionen Menschen (75 Prozent der Bevölkerung) im Gazastreifen „durch die katastrophale Gewalt vertrieben wurden, wobei viele palästinensische Flüchtlinge mehrfach fliehen mussten“. Syrien ist mit 13,8 Millionen Vertriebenen innerhalb und außerhalb des Landes nach wie vor die größte Vertreibungskrise der Welt.

„Hinter diesen drastischen und steigenden Zahlen verbergen sich unzählige menschliche Tragödien. Dieses Leid muss die internationale Gemeinschaft dazu veranlassen, dringend zu handeln und die Fluchtursachen zu bekämpfen“, wurde UNO-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi zitiert. „Es ist höchste Zeit, dass die Kriegsparteien das grundlegende Kriegsrecht und das Völkerrecht respektieren. Ohne eine bessere Zusammenarbeit und gemeinsame Anstrengungen zur Bewältigung von Konflikten, Menschenrechtsverletzungen und der Klimakrise werden die Vertreibungszahlen weiter steigen und weiteres Leid sowie kostspielige humanitäre Maßnahmen verursachen.“

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Der zahlenmäßig höchste Anstieg wurde laut UNHCR bei der Gruppe der Binnenvertriebenen (Internally Displaced People/IDP) verzeichnet. Mit rund 68,3 Millionen Menschen, die vor Konflikten geflohen und im eigenen Land geblieben sind, wurde nach Angaben des Internal Displacement Monitoring Centre ein Anstieg um fast 50 Prozent innerhalb von fünf Jahren verzeichnet.

Die Zahl der Flüchtlinge und anderer Personen, die internationalen Schutzes bedürfen, stieg dem Report zufolge auf 43,4 Millionen (Flüchtlinge unter dem Mandat von UNHCR und UNRWA). Die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge lebt in Nachbarländern und rund 75 Prozent halten sich in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen auf, also in Ländern die zusammen weniger als 20 Prozent des Welteinkommens erwirtschaften.

Mit Abstand die meisten Asylanträge verzeichneten die USA mit insgesamt 1,2 Millionen. Danach folgte mit großem Abstand Deutschland mit rund 330.000 Anträgen, vor Ägypten, Spanien und Kanada.

Im aktuellen Bericht finden sich auch neue Analysen zur Klimakrise und ihren unverhältnismäßig großen Auswirkungen auf Vertriebene. Oft sei der Klimawandel gerade in jenen Regionen spürbar, die auch durch Konflikte, Armut und Hunger geprägt sind. „Ende 2023 lebten fast drei Viertel der gewaltsam Vertriebenen in Ländern, die hohen bis extrem hohen klimabedingten Gefahren ausgesetzt waren.“ Dazu gehörten die Demokratische Republik Kongo, Somalia, Sudan, Syrien und Jemen. Der Kampf um Ressourcen – etwa Trinkwasser – in Zufluchtsländern, die vom Klimawandel stark betroffen sind, könne weitere Fluchtbewegungen auslösen.

Einige positive Entwicklungen gab es laut „Global Trends Report“ im Jahr 2023 bei Rückkehr und Resettlement (Umsiedelung). Weltweit konnten im vergangenen Jahr mehr als fünf Millionen Binnenvertriebene und eine Million Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren. Von Resettlement, der dauerhaften Neuansiedlung von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen, konnten 2023 ebenfalls mehr Menschen profitieren, insgesamt waren es beinahe 160.000.

„Flüchtlinge – und die Gesellschaften, die sie aufnehmen – brauchen Solidarität und Unterstützung. Sie können einen Beitrag zur Gesellschaft leisten und tun dies auch, wenn sie die Möglichkeit dazu bekommen“, erklärte Grandi der UNHCR-Presseaussendung zufolge. „Im vergangenen Jahr sind Millionen Menschen in ihre Heimat zurückgekehrt, das ist ein wichtiger Hoffnungsschimmer. Die Lösungen liegen am Tisch. Wir haben gesehen, dass Länder wie Kenia bei der Inklusion von Flüchtlingen eine Vorreiterrolle spielen, aber es braucht ernsthaftes Engagement.“

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