UNO-Sicherheitsrat fordert „sofortige Waffenruhe“ in Gaza

UNO-Sicherheitsrat fordert Waffenruhe im Gazastreifen © APA/AFP/ANGELA WEISS

Fast sechs Monate nach Beginn des Gaza-Krieges hat der UNO-Sicherheitsrat erstmals eine „sofortige Waffenruhe“ im Gazastreifen gefordert. Die Vetomacht USA enthielt sich bei der Abstimmung des mächtigsten Gremiums der Vereinten Nationen am Montag in New York und ermöglichte so die Annahme der völkerrechtlich bindenden Resolution. Israel Premier Benjamin Netanyahu sagte daraufhin die geplante Reise einer israelischen Delegation in die USA ab.

Von den 15 Mitgliedern des UNO-Gremiums stimmten 14 für die Resolution. Der Sicherheitsrat verlangte weiters die umgehende und bedingungslose Freilassung aller von der radikalislamistischen Palästinenserorganisation Hamas festgehaltenen Geiseln. Es ist jedoch fraglich, ob oder inwieweit die Resolution Einfluss auf Entscheidungen der israelischen Regierung von Ministerpräsident Netanyahu oder der Hamas zum weiteren Kriegsverlauf haben wird.

Der israelische Minister für strategische Angelegenheiten, Ron Dermer, und der nationale Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi hätten am Montag in die USA fliegen sollen, um sich mit hochrangigen Regierungsvertretern zu treffen. Diese hätten den israelischen Gästen Alternativen zu einer von Israel geplanten, von den USA und anderen Verbündeten abgelehnten Bodenoffensive in der südlichen Gaza-Stadt Rafah vorlegen wollen. Weiteres Thema der Gespräche wären die Vorschläge Washingtons für eine Ausweitung der humanitären Hilfe für die Not leidende Bevölkerung im Gazastreifen gewesen.

Die USA bedauerten Israels Reaktion auf die durch die Enthaltung der USA angenommene UNO-Resolution. Dass Ministerpräsident Netanyahu die Reise einer Delegation in die USA absage, sei „überraschend und bedauerlich“, erklärt das Außenministerium. Weiter heißt es, eine großangelegte israelische Invasion der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens wäre ein Fehler und würde die Sicherheit Israels schwächen. In US-Regierungskreisen ist zudem von einer Überreaktion Israels die Rede. Wahrscheinlich seien innenpolitische Spannungen der Grund für Netanyahus Entscheidung, keine Delegation nach Washington zu schicken. US-Präsident Joe Biden habe nicht vor, deswegen mit Netanyahu zu telefonieren. Dieser habe Biden auch nicht im Voraus angerufen.

Die Stimmenthaltung der USA im UN-Sicherheitsrat zu einer „sofortigen Waffenruhe“ im Gazastreifen soll nach Angaben des Weißen Hauses keinen „Politikwechsel“ bedeuten. Das machte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Montag vor Journalisten klar. Die USA hätten sich der Stimme enthalten, weil sie zwar eine Waffenruhe unterstützten, die Resolution aber keine Verurteilung der Hamas enthalte.

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„Es hätte schon vor Monaten eine Waffenruhe geben können, wenn Hamas willens gewesen wäre, Geiseln freizulassen“, sagte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield. „Hamas steht einem Frieden weiter im Weg“, betonte sie. Sie erklärte weiter, man sei einem Abkommen zur Freilassung der Geiseln nahe. Hamas müsse das aktuelle Angebot akzeptieren, forderte sie.

Israels UNO-Botschafter Gilad Erdan nannte es hingegen „eine Schande“, dass der Text der Resolution nicht die Taten der Hamas verurteile. Das Massaker der Hamas vom 7. Oktober sei für den Krieg verantwortlich. So lange sich die Hamas weigere, die Geiseln freizulassen, bleibe Israel nur das militärische Vorgehen, betonte er. Die Forderung einer bedingungslosen Waffenruhe gefährde in der Tat die Geiseln, es handle sich um eine „schändliche Resolution“.

UNO-Generalsekretär António Guterres orderte mit Nachdruck eine Umsetzung der Resolution des Weltsicherheitsrats. „Ein Scheitern wäre nicht zu verzeihen“, mahnte Guterres am Montag auf der Plattform X, vormals Twitter. Auch Spitzenvertreter der Europäischen Union haben sich erfreut über die Resolution des Weltsicherheitsrats zu einer sofortigen Waffenruhe im Gazastreifen gezeigt und zu einer Umsetzung aufgerufen. „Die Umsetzung dieser Resolution ist für den Schutz aller Zivilisten von entscheidender Bedeutung“, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag auf X. Ähnlich äußerten sich auch EU-Ratspräsident Charles Michel und der Außenbeauftragte Josep Borrell.

Bemühungen um eine Forderung des Weltsicherheitsrats nach einer Waffenruhe waren bisher vor allem am Widerstand der USA gescheitert. Seit Kriegsbeginn im Oktober vergangenen Jahres hatte Washington sich als engster Verbündeter Israels gegen eine Waffenruhe gewandt und drei Vetos gegen entsprechende Resolutionen eingesetzt. Allenfalls forderten US-Vertreter kürzere „Feuerpausen“.

Angesichts der steigenden Zahl ziviler Opfer und einer drohenden Hungersnot in Teilen des abgeriegelten Küstenstreifens verstärkten die USA zuletzt aber den Druck auf Israel. Auch US-Präsident Joe Biden äußerte sich zunehmend kritisch, etwa mit Blick auf die von Israel geplante Bodenoffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens. Dort haben Hunderttausende palästinensische Binnenflüchtlinge Schutz vor den Kämpfen gesucht.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit rund 1.200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Dabei verschleppten sie auch rund 250 Menschen als Geiseln.

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