US-Journalist Gershkovich zu 16 Jahren Haft verurteilt

Der US-Journalist Evan Gershkovich ist in Russland wegen angeblicher Spionage zu 16 Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Das Gericht in der Stadt Jekaterinburg am Ural verkündete am Freitag das Urteil gegen den Reporter der Zeitung „The Wall Street Journal“. Das ungewöhnliche Tempo, mit dem der Prozess hinter verschlossenen Türen abgehalten wurde, hat Spekulationen genährt, dass ein lange diskutierter Gefangenenaustausch zwischen Russland und den USA bevorstehen könnte.

Gershkovich war beschuldigt worden, im Auftrag des US-Geheimdienstes CIA Informationen über einen russischen Panzer-Hersteller gesammelt zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von 18 Jahren gefordert. Der 32-Jährige bestreitet die Vorwürfe. Das „Wall Street Journal“ sprach von einem Scheinurteil. Gershkovich sei lediglich seiner Arbeit als Journalist nachgegangen. Die US-Regierung wies das Urteil als unrechtmäßig zurück. Gershkovich sei zur Zielscheibe der russischen Regierung gewordne, „weil er Journalist und Amerikaner ist“, teilte US-Präsident Joe Biden in einer schriftlichen Stellungnahme mit. Die Regierung kämpfe weiter für eine Freilassung des Reporters.

Österreich verurteilte das Urteil als „schweren Schlag für die Menschenrechte in Russland“. „Wir verurteilen diesen Repressionsakt gegen die Pressefreiheit“, teilte das Außenministerium am Freitagnachmittag in englischer Spreche auf X mit. „Freie, pluralistische Medien sind von zentraler Bedeutung für die Demokratie. Journalismus ist kein Verbrechen.“

Besorgt äußerte sich auch der UNO-Menschenrechtsrat. „Journalisten sollten ihre wesentlichen beruflichen Tätigkeiten in einer sicheren Umgebung ausüben können, ohne Repressalien fürchten zu müssen – im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsverpflichtungen Russlands“, teilte das Gremium der Vereinten Nationen am Freitag mit. Der Rat mit Sitz in Genf forderte die Freilassung aller Journalisten in Russland, die allein wegen ihrer Arbeit inhaftiert seien.

Gershkovich wurde im März 2023 festgenommen und sitzt seitdem in Haft. Die russische Regierung hatte erklärt, der Journalist sei auf frischer Tat ertappt worden, hat aber keine Beweise veröffentlicht. Die US-Botschaft in Moskau hat mehrmals die sofortige Freilassung Gershkovichs gefordert. Sie warf der russischen Regierung vor, US-Bürger zu missbrauchen, um politische Ziele zu erreichen.

Nach offiziellen russischen Angaben laufen im Verborgenen Verhandlungen über einen Austausch von Gershkovich mit den USA, ohne dass bisher eine Einigung erzielt werden konnte. Russische Beobachter deuten eine schnelle Verurteilung als möglichen Hinweis darauf, dass Gershkovich nun rasch ausgetauscht werden könnte. In der Regel muss nach russischer Justizpraxis ein Urteil vorliegen, damit es zu einem Austausch kommt. Der Machtapparat presst so immer wieder in den USA inhaftierte Russen frei. Zudem hat der Kreml ein Interesse daran, einen nach dem Mord im Berliner Tiergarten 2021 verurteilten Russen in Deutschland freizubekommen.

Ein vom Gericht veröffentlichtes Video zeigt, wie Gershkovich in einem Glaskäfig im Gerichtssaal saß und die Urteilsverkündung verfolgte. Der von juristischen Fachbegriffen geprägte Urteilstext wurde mit raschen Worten in nur vier Minuten verlesen. Richter Andrej Minejew erklärte, Gershkovichs Haftzeit seit seiner Festnahme vor fast 16 Monaten werde auf die bevorstehende Lagerhaft angerechnet. Offiziell kann Gershkovich binnen 15 Tagen Berufung einlegen. Auf die Frage des Richters, ob er Fragen habe, antwortete Gershkovich auf Russisch „Nein“.

Zahlreiche westliche Medien haben ihre Mitarbeiter aus Russland abgezogen, nachdem Russlands Präsident Wladimir Putin im Zuge des Angriffskriegs gegen die Ukraine Gesetze mit hohen Strafandrohungen gegen die „Diskreditierung“ der Streitkräfte oder die Verbreitung von „Fake News“ erließ. Die russisch-amerikanische Journalistin Alsu Kurmasheva wurde im vergangenen Jahr wegen Verstoßes gegen das Gesetz über „ausländische Agenten“ und die Verbreitung angeblich falscher Informationen über die Streitkräfte verhaftet. Sie bestreitet ebenfalls die Vorwürfe.

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