Wehret den Anfängen!

Klimakleber sind keine Terroristen, aber auch die RAF hat nicht mit Terror begonnen

Wie weit geht Klimaschutz? Noch verbreiten radikale Aktivisten vor allem Ärger, aber Radikalisierung kann in Terror münden.
Wie weit geht Klimaschutz? Noch verbreiten radikale Aktivisten vor allem Ärger, aber Radikalisierung kann in Terror münden. © APA/Steinmaurer

Tomatensuppe auf Kunstwerke, Festkleben auf Hauptverkehrsadern, platte SUV-Reifen — Teile der Klimaschutzbewegung haben sich dermaßen radikalisiert, dass nicht nur Rufe nach härteren Strafen sondern auch schon Terrorvorwürfe laut werden.

Sind Klimakleber Terroristen? Wer morgens im Stau steht, weil junge Leute das Klima mit Straßenblockaden retten wollen, fühlt sich ebenso terrorisiert, wie der Autofahrer, der erst gar nicht zum Stau kommt, weil ihm ebenfalls unter dem Deckmantel des Klimaschutzes die Luft aus den Reifen gelassen wurde. So zornig das Betroffene verständlicherweise macht, so berechtigt der Ärger und so real die Gefahr einer lebensgefährlichen Behinderung von Rettungseinsätzen auch sein mag — Terrorismus ist das nicht. Terrorismus bedeutet einen gezielten Angriff auf Leib und Leben.

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Auch Greta radikalisiert

Dennoch ist es angebracht, diese Gefahr im Auge zu behalten. Denn die Radikalisierung von Teilen der Klimaschutzbewegung ist nicht zu leugnen. Es geht nicht nur um die Aktivisen der „Letzten Generation“. Auch die grüne Ikone Greta Thunberg tritt radikaler auf. Sie will nicht mehr nur das Klima, sondern gleich die Welt vorm Kapitalismus retten. Zu Jahresbeginn offenbarte sie bei der Vorstellung ihres Buches „The Climate Book“, dass sie jetzt auch für die „Überwindung“ des „unterdrückerischen“ kapitalistischen Systems kämpfe. Das System, dem sie den Garaus machen möchte, definiert die 19-Jährige als „Kolonialismus, Imperialismus, Unterdrückung und Völkermord des Globalen Nordens — um Wohlstand anzuhäufen.“

Solche Phrasen entzücken nicht nur Linke, sondern fallen — im Klimakontext gedroschen — längst auch in bürgerlichen bzw. christlichen Kreisen auf fruchtbaren Boden. Umso mehr sollte man sich historische Parallelen bewusst machen.

Die Schuld der Eltern

In den 1960er Jahren wuchs in (West-)Deutschland, etwas weniger stark ausgeprägt in Österreich, eine Generation heran, die ähnlich der Thunberg-Bewegung der Eltern- und Großelterngeneration vorwarf, in der Vergangenheit eine schwere Schuld auf sich geladen zu haben. Ging es damals um die Nazi-Verbrechen, die Vätern, Müttern, Großvätern und Großmüttern angelastet wurden, so geht es heute um die Schuld der Vorgängergenerationen am Klimawandel. Zugleich wurden damals wie heute Kapitalismus und Imperialismus als Hauptfeinde definiert. Der Sozialismus dagegen kam ungeachtet aller in dessen Namen verübten Verbrechen nicht nur ungeschoren davon, sondern war sogar das neue Ziel.

Idealisten zu Terroristen

Man war radikal, aber gewaltfrei. Aus der tagträumerischen Studentenbewegung heraus entwickelte sich jedoch ein militanter Flügel. Auch dort hielt man zunächst nur „Gewalt gegen Sachen“ für legitim. Im Protest gegen den Vietnamkrieg wurden etwa 1968 Brände in Kaufhäusern gelegt. Täter waren Aktivisten, die schon die nächste Eskalationsstufe propagierten: Gewalt gegen Menschen zwecks Befreiung von Imperialismus und Kapitalismus. Diese „Stadtguerillas“ nannten sich Rote Armee Fraktion (RAF). 33 Morde gingen von 1971 bis 1993 auf das Konto dieser Terrorgruppe.

Die Klimaschutzbewegung ist weit davon entfernt, terroristisch à la RAF zu sein. Doch jedem Akteur muss bewusst sein, dass es wie beim Klimawandel auch in der Radikalisierung Kipppunkte gibt, die eine unumkehrbare Eskalation markieren. Und die könnten schneller erreicht werden, als vielen Sympathisanten bewusst ist. Denn: Wenn der Zweck einmal für heilig erklärt ist, findet sich immer jemand, dem jedes Mittel recht ist.

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