Weltherrschaftliche Utopie

Studie über Politischen Islam zeigt von Muslim-Vereinen in Österreich bestrittene Gefahren auf

Das Kopftuch symbolisiert das Ziel der Islamisten: Abgrenzung vom Rest der (westlichen) Gesellschaft.
Das Kopftuch symbolisiert das Ziel der Islamisten: Abgrenzung vom Rest der (westlichen) Gesellschaft. © Prostock-studio - stock.adobe.com

Protest muslimischer Vereine ist garantiert: Denn die am Freitag von der Dokumentationsstelle Politischer Islam veröffentlichte Studie über „Organisationen des politischen Islam und ihr Einfluss in Europa und Österreich“ nimmt Gruppierungen ins Visier, die den hiesigen Islam maßgeblich prägen.

Der Historiker Heiko Heinisch, Experte für Antisemitismus und Islamismus, zeichnet für den Österreich-Teil der Studie verantwortlich. Lorenzo Vidino, Direktor des Extremismus-Programmes der US-amerikanischen George Washington Universität, beleuchtet den Umgang mit Islamisten in Europa.

Definiert wird der Politische Islam als „radikale, kollektivistische Ideologie zur Transformation von Gesellschaften und Staaten hin zu einer normativen Ordnung nach den Regeln der Scharia. Das utopische Fernziel ist die islamische Weltherrschaft, ein weltumspannendes Kalifat“.

Kennzeichnend für diese Ideologie seien diese Faktoren:

  • Einteilung der Welt in „Gläubige“ und „Ungläubige“,
  • Imagination einer idealisierten weltweiten islamischen Gemeinschaft (Umma),
  • Überlegenheit des Islam,
  • Ablehnung von liberaler Demokratie, Menschenrechten sowie Trennung von Religion und Staat,
  • keine Gleichberechtigung von Männern und Frauen,
  • Selbstverständnis als Opfergemeinschaft,
  • Delegitimation Israels, das als Unrechtsstaat betrachtet wird.

Großer Einfluss

Als einflussreichste politisch-islamische Organisationen in Österreich nennt die Studie

  • die Muslimbruderschaft,
  • den als Islamische Föderation (AIF) auftretenden Ableger der Milli-Görüs-Bewegung,
  • und den Ableger der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet, die Atib-Union.

Zwei Drittel der österreichischen Moscheen stünden unter der Leitung dieser drei Organisationen, viele weitere unter ihrem Einfluss. ATIB und Islamische Föderation kontrollierten aufgrund der Stärke ihrer Moscheeverbände auch die wichtigsten Gremien der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ).

Drei-Phasen-Strategie

Als Strategie in Europa machen die Autoren „eine Adaption des von Hasan al-Banna (Gründer der Muslimbruderschaft, Anm.) entwickelten Konzepts für mehrheitlich nicht-muslimische Gesellschaften“ aus. Demnach werden in einer ersten Phase hier lebende Muslime zu gewinnen versucht. In Phase zwei wirbt der politische Islam um Akzeptanz dafür, dass muslimische Communitys nach anderen Regeln leben als der Rest der Gesellschaft. In einer dritten Phase versuchen Pollit-Islamisten, „ihre normative Ordnung auf … den Rest der Gesellschaft auszudehnen“.

Antisemitische DNA

Weitere Phasen, wie die von politisch-islamischen Ideologen formulierte Weltherrschaftsutopie „blieben einstweilen Zukunftsträume und werden in Europa nicht offen vertreten“.

Nichtsdestotrotz warnt die Studie vor Gefahren für die Gesellschaft: So steht der Politische Islam einer Integration von Muslim/innen in eine pluralistische Gesellschaft im Weg. Außerdem zähle der „Antisemitismus zur DNA der Muslimbruderschaft und aller anderen politisch-islamischen Organisationen“. Davon zeugten unzählige judenfeindliche Zitate Hasan al-Bannas, Yusuf al-Qaradawis (Muslimbrüder-Chefideologe) und Necmettin Erbakans (Gründer der Milli-Görüs-Bewegung). Al-Qaradawi etwa predigt die Todesstrafe für den Abfall vom Islam und nennt den Holocaust eine „gerechte Strafe Gottes für die Juden“.

Demokratie-Bekenntnis

Die Islamische Föderation wehrt sich gegen die islamistische Einordnung. „Weder die Islamische Föderationen noch die Islamische Glaubensgemeinschaft Milli Görüs (IGMG) gehören zur sogenannten Milli-Görüs-Bewegung oder vertreten sie“, heißt es in einer kürzlich veröffentlichten Erklärung der AIF. Vielmehr schätze man „die Errungenschaften der hiesigen demokratischen Verfassungsordnung“. Entgegen der von Erbakan postulierten Überwindung der westlichen Ordnung stehe die AIF „weder einer ‘westlichen Lebensweise’ noch einer ‘westlichen Ordnung” ablehnend gegenüber.

Dass die AIF dennoch unter Islamismus-Verdacht steht, liegt an diese Lippenbekenntnisse konterkarierenden Fakten: So feiern AIF-Vereine Erbakan als „großen islamischen Vordenker“ und begehen alljährlich im Februar seinen Todestag. Auch Kontakte zur von Erbakan gegründeten Islamisten-Partei Saadet sind belegt.

Polit-islamistisches Gedankengut hält sich auch deshalb in muslimischen Köpfen, weil die IGGÖ mit Distanzierungen zögerlich ist: So zog sie erst nach öffentlichem Druck 2005 die Empfehlung für ein umstrittenes Qaradawi-Lehrbuch zurück. Der Antisemit Erbakan ist nach wie vor ein Säulenheiliger.

Viele Muslime in Österreich wurden bzw. werden der Ideologie von Extremisten ausgesetzt…

Von Manfred Maurer

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