Yahya Sinwar neuer Politbüro-Chef der Hamas

Yahya Sinwar ganz oben auf der israelischen Abschussliste © APA/AFP/JACK GUEZ

Rund eine Woche nach der Tötung von Hamas-Chef Ismail Hanija hat die radikalislamische Palästinenserorganisation Yahya Sinwar zu dessen Nachfolger ernannt. Wie die Hamas am Dienstag erklärte, werde der Anführer der Palästinenserorganisation im Gazastreifen nun „Leiter des Politbüros der Bewegung“. Die Entscheidung sende eine „starke Botschaft“ an Israel, dass die Hamas „ihren Weg des Widerstands weitergeht“, hieß es aus Kreisen der Islamisten.

Die Ermordung von Hanija, „der an ein Waffenstillstandsabkommen und einen Gefangenenaustausch glaubte“, habe die Hamas nun dazu veranlasst, „einen Anführer zu wählen, der den Kampf und den Widerstand gegen den Feind leitet“, hieß es weiter. Minuten nach der Ankündigung feuerte der bewaffnete Arm der Hamas, die Essedin-al-Kassam-Brigade, laut eigenen Angaben eine Salve von Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel ab.

Lesen Sie auch

Sinwar gilt als Drahtzieher des brutalen Angriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober, was ihn zu einem der meistgesuchten Köpfe der Palästinenserorganisation macht. Bei dem Angriff waren israelischen Angaben zufolge 1.198 Menschen getötet und 251 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden. Israels Außenminister Israel bezeichnete Sinwar als „Erzterroristen“. Seine Ernennung sei ein „weiterer zwingender Grund, ihn schnell zu beseitigen und diese abscheuliche Organisation vom Antlitz der Erde zu tilgen“, schrieb Katz auf X.

Als Reaktion auf den Überfall geht Israel seither massiv militärisch gegen Ziele im Gazastreifen vor. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden dabei bisher mehr als 39.650 Menschen getötet. Ob es sich dabei um Zivilisten oder Hamas-Kämpfer handelt, wird nicht angegeben.

Seit dem 7. Oktober ist Sinwar nicht mehr öffentlich aufgetreten. Er wird in einem Tunnelsystem unter dem Gazastreifen vermutet. Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant hatte Anfang November beteuert: „Wir werden Sinwar finden und ihn eliminieren“.

Video
Ich möchte eingebundene Social Media Inhalte sehen. Hierbei werden personenbezogene Daten (IP-Adresse o.ä.) übertragen. Diese Einstellung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft in der Datenschutzerklärung oder unter dem Menüpunkt Cookies geändert werden.

Der aus dem Flüchtlingslager Khan Younis stammende Sinwar schloss sich der Hamas bei ihrer Gründung 1987 zu Zeiten der ersten Intifada an – dem palästinensischen Aufstand gegen die israelische Besatzung. Seine Karriere in der radikalen Palästinenserorganisation verlief lange im Verborgenen. Mit 25 Jahren leitete er bereits jene Hamas-Einheit, die Palästinenser bestrafte, die mit den Israelis zusammenarbeiteten.

Wegen der Tötung zweier israelischer Soldaten wurde er viermal zu lebenslanger Haft verurteilt. Insgesamt saß Sinwar 23 Jahre in Israel im Gefängnis. 2011 kam er im Rahmen eines Gefangenenaustauschs frei. Bereits seit Jahren steht Sinwar auf der US-Terrorliste. 2017 wählte die Hamas Sinwar zu ihrem Anführer im Gazastreifen, nachdem sein Vorgänger Hanija Chef der Organisation wurde und ins Exil ging.

Hanija war in der vergangenen Woche in Teheran getötet worden. Die Hamas und der Iran machten Israel für die Tötung verantwortlich, Irans geistlicher Führer Ayatollah Ali Chamenei drohte mit einer „harschen Bestrafung“. Israel hatte die Tötung von Hanija nicht kommentiert.

Wenige Stunden vor der Tötung Hanijas hatte Israel Fuad Shukr und damit den ranghöchsten Kommandant der von Teheran unterstützten Hisbollah-Miliz im Libanon getötet. Der Chef der pro-iranischen Hisbollah, Hassan Nasrallah, drohte ebenfalls mit Vergeltung.

In einer Fernsehansprache betonte Nasrallah am Dienstag, die Antwort der Hisbollah werde kommen und „stark und effektiv“ sein. Die Hisbollah und der Iran seien nach den Tötungen von Hanija und Shukr „verpflichtet zu antworten“; die Hisbollah werde dies „ungeachtet der Konsequenzen“ tun.

Mit einem Vergeltungsschlag des Iran und seiner Verbündeten auf Israel wird seit Tagen gerechnet. International laufen die diplomatischen Bemühungen um eine Deeskalation auf Hochtouren.

Vor fast fünf Monaten hatte der Iran Israel erstmals direkt von seinem Staatsgebiet aus mit mehr als 300 Raketen und Drohnen attackiert. Der Iran spricht Israel seit der islamischen Revolution im Jahr 1979 das Existenzrecht ab und unterstützt eine von ihm erklärte „Achse des Widerstands“. Dazu gehören sowohl die radikalislamische Hamas im Gazastreifen als auch mit ihr verbündete Milizen, darunter die Hisbollah im Libanon, die Huthis im Jemen und Gruppierungen im Irak und Syrien.