Kiew: Drohnenangriff auf Krim bereitet Gegenoffensive vor

Ukraine bereitet Gegenoffensive vor © APA/AFP/DIMITAR DILKOFF

Der Drohnenangriff auf die von Russland annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim am Samstag hat nach Darstellung des ukrainischen Militärs der Vorbereitung auf die geplante Gegenoffensive gedient. „Die Unterwanderung der feindlichen Logistik ist eines der Vorbereitungselemente für die mächtigen Aktivhandlungen unserer Verteidigungskräfte, über die wir schon seit langem sprechen“, hieß es seitens des Südkommandos der ukrainischen Armee am Sonntag.

„Diese Arbeit bereitet die groß angelegte Offensive vor, auf die alle warten“, wurde im ukrainischen Fernsehen mitgeteilt. Infolge des Drohnenangriffs war in der Krim-Hafenstadt Sewastopol Samstag früh ein großes russisches Treibstofflager in Brand geraten. Tote und Verletzte gab es russischen Angaben zufolge nicht. Auch zivile Objekte seien nicht zu Schaden gekommen. Nach Angaben des ukrainischen Militärgeheimdienstes hingegen wurden zehn Öltanks zerstört. Konkret hat Kiew die Verantwortung für den Angriff nicht übernommen. Es hieß allerdings aus dem ukrainischen Militärgeheimdienst, solche Explosionen würden weitergehen.

Im Osten der von Russland angegriffenen Ukraine halten die schweren Kämpfe um Bachmut an. Russische Truppen hätten vier weitere Teile der Stadt eingenommen, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau, Igor Konaschenkow, am Sonntag. Unabhängig überprüft werden konnte das zunächst nicht.

Bachmut wird seit Monaten gemeinsam von der russischen Armee und der Söldnertruppe Wagner angegriffen. Inzwischen kontrollieren die Angreifer eigenen Angaben nach rund 85 Prozent des Stadtgebietes. Die ukrainische Führung beharrt auf dem Halten der inzwischen weitgehend zerstörten Stadt und begründet dies mit den hohen Verlusten der angreifenden Truppen, die so zermürbt würden.

Weiters erklärte Konaschenko, russische Truppen hätten bei einem Angriff auf den Bahnhof der ostukrainischen Stadt Kramatorsk ein Depot mit rund 200 Tonnen Munition zerstört. Zudem sei in der Region Sumy eine große Feldwerkstatt der ukrainischen Streitkräfte zerstört worden. Von ukrainischer Seite gab es dazu zunächst keine Reaktion.

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Russland führt seit mehr als einem Jahr offen Krieg gegen das Nachbarland und hält derzeit – inklusive der bereits 2014 annektierten Krim – rund 20 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets besetzt. International wird seit Wochen mit Spannung eine angekündigte ukrainische Großoffensive erwartet. Auch mithilfe westlicher Waffen will das angegriffene Land sich die besetzten Gebiete zurückholen.

In der westrussischen Grenzregion Brjansk wurden nach offiziellen Angaben vier Menschen durch Beschuss aus der Ukraine getötet. Das schrieb der Gouverneur der Region Brjansk, Alexander Bogomas, in der Nacht auf Sonntag in seinem Telegram-Kanal. Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj machte unterdessen Samstag Abend in seiner täglichen Videoansprache neben Russlands Führung auch russische Soldaten für Kriegsverbrechen in seinem Land verantwortlich.

In Brjansk hätten darüber hinaus die ukrainischen Streitkräfte in dem Dorf Susemka ein Wohnhaus zerstört und zwei weitere Häuser beschädigt. Nach Angaben des Regionalgouverneurs wurden dabei vier Menschen getötet. Russland, das vor mehr als 14 Monaten den Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine begonnen hatte, beklagt immer wieder Beschuss auch auf dem eigenen Staatsgebiet.

Selenskyj erklärte in seiner Videoansprache: „Nicht nur die Befehlshaber, sondern ihr alle, ihr seid alle Terroristen und Mörder und ihr alle müsst bestraft werden.“ Jeder, der Raketen steuere und abfeuere, der Flugzeuge und Schiffe für den Terror warte, sei mitschuldig an den Toten des Kriegs.

Hintergrund war unter anderem der Raketenangriff auf die Stadt Uman, bei dem am Freitag 23 Menschen ums Leben gekommen waren. Darunter waren nach Angaben Selenskyjs auch sechs Minderjährige. Jeder, der solche Raketenangriffe vorbereite, müsse wissen, dass er mitschuldig am Tod von Zivilisten sei, betonte der ukrainische Staatschef.

Deswegen sei es nötig, dass Russland tatsächlich für seine Verbrechen zur Verantwortung gezogen werde. Einmal mehr sprach sich Selenskyj für die Schaffung eines internationalen Tribunals gegen Russland nach dem Vorbild der Nürnberger Prozesse gegen die Nazis aus.

Es sei es nicht ausreichend, Russland im Krieg zu schwächen, fügte Selenskyj hinzu. Zuvor hatte der ukrainische Staatschef in einem Interview von skandinavischen Medien erklärt, dass Russland bereits jetzt „jeden Tag schwächer“ werde. Deswegen habe Moskau seine Taktik geändert und denke inzwischen nicht mehr an neue Eroberungen, sondern eher daran, die besetzten Gebiete zu verteidigen.

Hintergrund ist die erwartete ukrainische Gegenoffensive, mit der Kiew von Russland besetzte ukrainische Gebiete zurückerobern will. Derzeit allerdings ist noch Russland im Angriff – hat aber Schwierigkeiten, voran zu kommen.

Der Chef der russischen Söldnereinheit Wagner, Jewgeni Prigoschin, räumte durchaus Probleme ein. Wegen der hohen Verluste aufgrund mangelnder Versorgung drohte er mit dem Abzug seiner Truppen aus Bachmut. „Jeden Tag haben wir stapelweise tausend Leichen, die wir in den Sarg packen und nach Hause schicken“, sagte Prigoschin in einem am Samstag veröffentlichten Interview mit dem russischen Militärblogger Semjon Pegow. Die Verluste seien wegen der fehlenden Artilleriemunition fünfmal so hoch wie nötig, klagte er.

Er habe einen Brief an Verteidigungsminister Sergej Schoigu verfasst, um schnellstens Nachschub zu erhalten. „Wird das Munitionsdefizit nicht aufgefüllt, sind wir gezwungen – um nicht nachher wie feige Ratten zu rennen – uns entweder organisiert zurückzuziehen oder zu sterben“, sagte der 61-Jährige.

In einer Audiobotschaft in der Nacht zum Sonntag relativierte er diese Angaben. So sei Wagner im Verlaufe des Tages weitere 100 bis 150 Meter in der Stadt vorgerückt. Die Tagesverluste bezifferte er unterdessen auf knapp 100 Mann.

Der ukrainische Vizeaußenminister Andrij Melnyk hält eine Vermittlerrolle Chinas für denkbar. „Es ist nicht unrealistisch“, sagte der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland der Funke Mediengruppe (Sonntag). „Die Chinesen verfolgen natürlich ihre eigenen Interessen. Ich glaube aber schon, dass eine gerechte friedliche Lösung und das Ende der Kampfhandlungen den Interessen Pekings mehr entsprechen als dieses gewaltige nicht enden wollende Erdbeben für die gesamte Weltordnung“, sagte Melnyk.

Der neue tschechische Präsident Petr Pavel besuchte derweil am zweiten Tag seiner Ukraine-Reise die zentrale Millionenstadt Dnipro. Dort sprach er mit örtlichen Vertretern über die Wiederaufbaupläne für die Region, wie mitreisende Journalisten am Samstag berichteten. Pavel signierte eines der selbstfahrenden Geschütze, die sein Land an die Ukraine liefert, mit den Worten „Russen, geht nach Hause, bevor es zu spät ist“, wie Ukrinform unter Berufung auf eine Twitter-Nachricht meldete.

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