Brandstätter will Neutralität „neu definieren“

Brandstätter bei der Plakatpräsentation zum Start des EU-Wahlkampfs © APA/GEORG HOCHMUTH

Vor dem Hintergrund diverser Krisenherde, allen voran dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine, will der NEOS-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Helmut Brandstätter, die österreichische Neutralität „neu definieren“. Er ist für eine „EU-Armee“, ein NATO-Beitritt komme für ihn derzeit aber nicht infrage, vor allem in Hinblick auf die anstehende US-Präsidentschaftswahl und eine mögliche Präsidentschaft von Donald Trump, sagte Brandstätter in der ORF-„Pressestunde“ am Sonntag.

„Der Satz: ‚Die Neutralität schützt uns‘, ist falsch“, betonte Brandstätter. Sie sei aber Teil des österreichischen Selbstverständnisses. Einen NATO-Betritt schließt er derzeit aus, „denn wir wissen nicht wo die NATO in einem Jahr steht“. Etwas „völlig anderes“ sei hingegen die von Brandstätter geforderte EU-Armee. Durch den gemeinsamen Kauf von Waffensystemen etwa könne man ein Drittel der Kosten einsparen, so sein Argument. „Wir müssen uns selber wehren können, aber gemeinsam mit anderen.“

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„Wir sind heute nicht so sicher, wie wir sein könnten“, so Brandstätters Urteil. Durch eine gemeinsame EU-Armee „wäre Europa so stark, dass sich Putin nicht trauen würde, uns anzugreifen“. Gegen Russland müsse man sich wehren, „aber das geht nur gemeinsam“, betonte Brandstätter. Denn: „Russland ist ein Terrorstaat“, und müsse deshalb sanktioniert werden. Die Abhängigkeit von russischem Gas stelle Österreich vor Schwierigkeiten: „Er (der russische Präsident Wladimir Putin, Anm.) hat immer wieder mit dem Gaspreis gespielt (…) die von der ÖVP-Eingesetzten der OMV haben uns völlig an Russland verkauft, das ist ein Fakt.“

Bewusst werden solle sich Europa auch der „Dramatik“ russischer Spione. „Wir wissen, dass hier russische Spione sind, und wir weisen sie nicht aus. Herr Schallenberg (Alexander, österreichischer Außenminister, Anm.), was ist los?“. Kritik äußerte er an der FPÖ, dafür, dass sie das Raketenschutzschirm-Programm Skyshield ablehne. „Die FPÖ möchte uns dem Putin ausliefern.“

Mehr Europa hätte Brandstätter auch gern bei den Nachrichtendiensten. Hier fordert er eine Art „EU-Nachrichtendienst“, gleichzeitig lehnt er die Überwachung von Messenger-Diensten, wie von ÖVP-Innenminister Gerhard Karner und dem Direktor der DSN (Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst), Omar Haijawi-Pirchner, schon mehrmals gefordert, ab. Einen Widerspruch sieht er darin nicht, obwohl die allermeisten europäischen Nachrichtendienste über diese Kompetenz verfügen.

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Immer wieder ins Treffen geführt – zuletzt von FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker direkt im Anschluss an die „Pressestunde“ in der Sendung „Hohes Haus“ am Sonntag – wurde in den letzten Wochen ein Treffen zwischen Brandstätter und dem ehemaligen Verfassungsschützer Egisto Ott. Dieser habe sich bei ihm gemeldet, als er im Ibiza-Untersuchungsausschuss gewesen sei, so der NEOS-Politiker. „Komisch“ sei ihm, Brandstätter, das nicht vorgekommen, „weil es nicht der einzige Beamte war, der sich bei mir gemeldet hat“. Aber: „Der Herr Ott hat mir gar nichts erzählt, ich habe keine Informationen bekommen.“ Und weiter: „Das war ein trauriger und beleidigter Mensch, der das Gefühl hatte, alle sind gemein zu ihm.“ ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker kritisierte in einer Reaktion, dass Brandstätter Ott nach der Kontaktaufnahme nicht bei der Polizei angezeigt hatte. „Somit konnte Ott durch die Untätigkeit der NEOS noch weitere Jahre sein Unwesen in der österreichischen Sicherheitslandschaft treiben. Brandstätter hätte die politische Pflicht gehabt, das nach besten Kräften zu unterbinden“, schrieb Stocker am Sonntagnachmittag in einer Aussendung.

Angesprochen wurde der pinke Spitzenkandidat auf eine langjährige NEOS-Forderung, jene nach den „Vereinigten Staaten von Europa“. Für ihn bedeute das, dass es normal wäre, „in einem anderen Land zu studieren und ein Unternehmen zu gründen“, allerdings mit deutlich weniger Bürokratie, als es jetzt schon möglich sei. Brandstätter forderte erneut eine die Bildung als fünfte Grundfreiheit neben den Grundfreiheiten des europäischen Binnenmarktes, dem freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital, festzuschreiben.

Auch eine gemeinsame europäische Außenpolitik bezüglich des Nahen Ostens sei wichtig. Derzeit könne man nicht geeint auftreten, weil die unterschiedlichen Außenminister unterschiedlicher Meinung seien. Er wolle „keine Festung Europa, aber klare Grenzen“, mit stärkerem Außengrenzschutz.

Brandstätter gab sich zuversichtlich, dass seine Partei das Wahlziel von zwei Mandaten erreichen werde. Jüngste Wahlschlappen der NEOS in Innsbruck oder Salzburg, aber auch zuvor bei verschiedenen Landtagswahlen, würden ihn nicht verunsichern. In Hinblick auf die Nationalratswahl in gut einem halben Jahr, seien die NEOS „bereit, endlich Veränderungen für Österreich zu schaffen“, so der Anspruch an eine Regierungsbeteiligung. Ob er selbst für ein Ministeramt zur Verfügung stünde, lies sich Brandstätter nicht entlocken.

Harsche Worte fand im Anschluss an das Interview FPÖ-Gegenkandidat Harald Vilimsky. „Neos stehen für Kriegsfanatismus und die Abschaffung Österreichs“ wird er in einer Aussendung zitiert. Und weiter: „Wer wie Brandstätter will, dass im Rahmen einer EU-Armee vielleicht schon bald österreichische Soldaten in der Ukraine kämpfen müssen und damit auch ihr Leben verlieren, kann unser Österreich nur hassen.“ Eine Stimme für die FPÖ bedeute eine Stimme für Frieden, Freiheit und Wohlstand, eine für die NEOS hingegen Krieg und die „Selbstaufgabe des Nationalstaats“. Ein soziales und gerechtes Europa und die Verhinderung eines Rechtsrucks könne es hingegen nur mit einer starken Sozialdemokratie geben, betonte deren Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim. „Mit neoliberaler Politik kann es keinen Aufbruch zu neuer sozialer Gerechtigkeit geben“.

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