„Die Opposition betoniert sich komplett ein“

ÖVP-Klubchef August Wöginger würde sich im Parlament mehr gemeinsame Beschlüsse wünschen

151. Sitzung des Nationalrates in der 27. Gesetzgebungsperio

VOLKSBLATT: Zwei Jahre Corona und fast ein halbes Jahr Krieg in Europa. Wie dringend brauchen Sie die Erholung ?

KO WÖGINGER: Die letzten zweieinhalb Jahre waren sicher die herausforderndste Zeit, die ich je in der Politik erlebt habe. Aber es geht nicht um meine Erholung. Wenn ich mir etwas wünschen darf, dann wäre es das Ende des Krieges – auch, damit wir die Versorgungssicherheit in Österreich und damit den Wohlstand garantieren können.

Anders gefragt: Kann man, ob dieser vielen Probleme überhaupt abschalten und die Batterien wieder aufladen?

Abschalten zur Gänze geht sicher nicht. Aber man kann und muss natürlich die Freizeiten genießen. Das sollten alle Menschen tun, auch Politiker. Aber wichtig ist, dass man am Laufenden bleibt, denn es sind einfach sehr herausfordernde Zeiten und da kann man nicht sagen, ich bin nicht da.

Ein Problem ist auch, dass man die Zusammenhänge und Komplexität nur mehr schwer erklären kann. Schaffen Sie es, Ihren Kindern – wobei eines mittlerweile kein Kind mehr, sondern wahlberechtigt ist – Inflation, Krieg und die Pandemie zu erklären und die Ängste und Sorgen zu nehmen?

Ich glaube, dass die Jugendlichen schon mitkriegen, dass wir eine sehr schwierige Zeit haben. Das gilt für Corona und auch für den Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine. Das sind keine normalen Zeiten, das merken alle Menschen. Aber wichtig ist, dass man verdeutlicht, was wir als Regierung dagegen unternehmen. Wir nehmen wahnsinnig viel Geld in die Hand – über 50 Milliarden –, um entgegenzuwirken und den Menschen so gut wie möglich unter die Arme zu greifen. Wir helfen, damit wir gemeinsam diese Zeit überstehen.

Trotzdem hätte man gerne einfache Antworten, gibt es die?

Es gibt leider die Eierlegendewollmichsau und Patentlösungen nicht. Man muss so ehrlich sein und auch sagen, dass wir nicht jeden Euro abfedern können. Das kann der Staat nicht. Aber wir unterstützen die Menschen in einem gewaltigen Ausmaß – schon im August durch die zusätzliche Familienbeihilfe. Wir unterstützen jene Gruppen, die es schwerer haben, wie etwa Menschen mit geringem Einkommen mit 300 Euro zusätzlich. Und dann kommt der große Klimabonus und der Antiteuerungsbonus mit 500 Euro für jeden bzw. 250 Euro für jedes Kind … das sind Beträge, die man spürt.

Man hat das Gefühl, die Regierung schnürt zwar unglaubliche Hilfspakete, aber beim Inkrafttreten reicht es schon nicht mehr aus und es werden neue Maßnahmen gefordert. Wird Politik zur Sisyphusarbeit?

Bei Corona war es zweifelsohne so, weil uns die Experten nicht sagen konnten, was die nächsten Monate bringen werden. Und auch jetzt sind Prognosen schwierig. Wir wissen nicht, wie lange der Krieg in der Ukraine noch dauert; wie lange die Inflation auf diesem Niveau bleibt oder wie das mit dem Gas weitergeht. Aber natürlich unternehmen wir alles, um vorbereitet zu sein: Wir tun zum Beispiel alles dafür, um genug Gas einzuspeichern … aber ja: wir wissen nicht, was die nächsten Monate bringen und daher ist für die Politik unglaublich herausfordernd.

Konkret: Mit welchen Corona-Maßnahmen werden wir im Herbst rechnen müssen?

Ich hoffe, dass die Situation so bleibt, wie sie ist, die Verläufe milde bleiben und die Spitalsbelastung nicht steigt. Es werden natürlich immer wieder Varianten des Virus auftauchen und wir müssen lernen, mit diesem Virus zu leben.

Bezüglich der Teuerung: Braucht es weitere Maßnahmen?

Wir haben jetzt zehn Milliarden Sofortmaßnahmen beschlossen, die kommen jetzt und in den nächsten Monaten zur Auszahlung. In Summe wird zum Beispiel eine vierköpfige Familie, wo ein Einkommen 2500 Euro brutto und eines mit 1500 Euro vorhanden ist, mit über 2800 Euro netto entlastet. Das sind Summen, die die Menschen spüren werden. Wir schaffen die „Kalte Progression“ ab, valorisieren künftig automatisch die Familienbeihilfe, Kindergeld et cetera. Und wir unterstützen auch die Wirtschaft. In Summe sind es über 50 Milliarden Euro, recht viel mehr kann man als Staat nicht tun.

Als ÖAAB-Obmann: wie hoch sollen die Lohnforderungen im Herbst sein?

Natürlich muss es in Zeiten, wo die Inflation hoch ist, dementsprechende Gehaltsabschlüsse geben. Aber das ist Angelegenheit der Sozialpartner und wir haben in Österreich eine gute Tradition. Klar ist, dass der Handwerksbetrieb diese Lohnerhöhungen auf die Arbeitsstunde aufrechnen wird müssen … und das müssen wir Konsumenten wieder zahlen. Wir müssen also aufpassen, dass wir die Inflation nicht befeuern.

Trotz all dieser Probleme sind wir von einem nationalen Schulterschluss der Politik weit entfernt. Wie erklären Sie sich die Aversionen von SPÖ, FPÖ und Neos vor allem gegenüber der ÖVP?

Ich würde mir wünschen, dass wir mehr Beschlüsse gemeinsam fassen. Ich habe überhaupt nicht verstanden, warum die SPÖ keine einzige Maßnahme gegen die Teuerung mitgetragen hat, weder bei der Familienbehilfe noch bei der Mindestpension. Und dass die FPÖ beim Familienbonus, den wir gemeinsam eingeführt haben, nicht mitgegangen ist, ist mir ein Rätsel. Die Opposition betoniert sich komplett ein, das ist nicht zum Wohle der Bevölkerung.

Auch die neue Universität in Linz wurde nicht von allen OÖ-Abgeordneten mitgetragen.

Die TU-Linz wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen beschlossen! Hingegen sind die gesamte SPÖ und alle NEOS-Abgeordneten hier nicht mitgegangen. Das ist für mich unerklärlich.

Eine Folge ist, dass die Politik immer öfter die Staatsanwaltschaft einschaltet. Was kann man dagegen tun?

Ich mische mich nicht in die Justiz und in Sachen der Staatsanwaltschaft ein. Aber gegen uns als Partei wurden mehr als 40 Ermittlungsverfahren eingeleitet und mehr als die Hälfte wurden bereits eingestellt.

Wie weit ist Österreich von Neuwahlen entfernt?

Wir haben mit den Grünen nach wie vor eine gute Zusammenarbeit. Natürlich ist die Themenlage sehr herausfordernd und der Großteil der Beschlüsse derzeit, stehen nicht im Regierungsprogramm und sind zu einen der Pandemie und zum anderen der Teuerung geschuldet. Aber ich arbeite gut mit Klubobfrau Sigi Maurer zusammen und Bundeskanzler Karl Nehammer mit Vizekanzler Werner Kogler: Ich gehe davon aus, dass die Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode hält.

Sie sind derzeit auch in Ihrem Bezirk unterwegs und die OÖVP hat den „Sommer des Miteinander“ ausgerufen. Wie gut funktioniert dieses Miteinander – das auf Bundesebene unrealistisch scheint – auf Gemeinde- und Bezirksebene?

Auf der Kommunalebene gibt es da wenig Konflikte, da stehen die Sachthemen im Vordergrund. Und ich habe auch kein Problem damit, dass man sich mit einer rhetorischen Schärfe voneinander abgrenzt, aber wenn es darum geht, wie kann man in dieser Krisensituation entgegenwirken, da wäre es schon gut, wenn man diese Beschlüsse miteinander und nicht gegeneinander fällt.

Mit ÖVP-Klubchef AUGUST WÖGINGER sprach Herbert Schicho

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