Experten: Für Grüne geht es nun um Schadensbegrenzung

Grünen-Chef Kogler und Spitzenkandidatin Schilling © APA/HANS KLAUS TECHT

Der EU-Wahlkampf ist aktuell von öffentlich gemachten Vorwürfen aus dem Privatleben von Grünen-Spitzenkandidatin Lena Schilling dominiert. Diese sieht sich mit sinkenden Vertrauenswerten konfrontiert, wie zuletzt aus dem APA-OGM-Vertrauensindex hervorging. Für Polit-Experte Thomas Hofer ist dieses Thema für die Grünen wohl bis zum Wahltag „ganz schwierig“, es gehe um Schadensbegrenzung. „In drei Wochen bekommt man das nicht weg“, sagte er im APA-Gespräch.

Wie auch Meinungsforscher Peter Hajek sieht Hofer das grüne Wahlziel des Haltens der aktuell drei Mandate nun gefährdet. Vor knapp zwei Wochen hatte der „Standard“ über eine schon seit einigen Wochen kursierende Unterlassungserklärung Schillings in einer Privatangelegenheit berichtet, dazu kamen diverse Gerüchte aus dem Privatleben der Spitzenkandidatin, die laut dem Blatt belegbar sein sollen. Insgesamt wurde dabei ein sehr ungünstiges Charakterbild Schillings gezeichnet. Etliche Medien sprangen später auf.

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Man habe zwar noch keine belastbaren Umfragedaten, sagte Hofer, „aber es ist nicht zu erwarten, dass das einen positiven Effekt hat.“ Die Frage sei: „Wie viel an Schadensbegrenzung ist da möglich?“ Zwar könnte die Causa in gewissen Zielgruppen einen gewissen Solidarisierungseffekt bringen. „Aber alleine der Umstand, dass Schilling nicht so offensiv über ihr eigentliches Thema – den Klimawandel – reden kann, ist ein schwerer Dämpfer.“

Die aus der Klimabewegung kommende Schilling sei für die Grünen bis zum Aufkommen der Vorwürfe „definitiv ein Asset“ gewesen, betonte Hofer: In den Umfragen lag die Partei bisher in der Sonntagsfrage zur EU-Wahl um 4 bis 5 Prozentpunkten besser als bei jener zur Nationalratswahl. Dies habe zwar einerseits mit dem Nicht-Antreten der Bierpartei bei der EU-Wahl zu tun (die teils im gleichen Wählerteich fischen dürfte). „Aber ein wesentlicher Anteil (für die guten Umfragewerte, Anm.) war auch das Antreten von Frau Schilling“, so Hofer.

Dazu komme nun die „interne Unruhe“ in der Partei. „Auch, weil das Krisenmanagement der Parteispitze sehr, sehr schlecht war und den Impact der ganzen Geschichte vertieft hat“, erinnerte Hofer an den viel kritisierten Sager von Parteichef Werner Kogler am Tag nach dem Aufkommen der Vorwürfe. Bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz sprach der Vizekanzler von „anonymem Gemurkse“ und „Gefurze“ – wofür er sich Ende der abgelaufenen Woche dann entschuldigte.

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Seitens der Grünen sei sogar zu befürchten, dass sich das Thema bis in den Wahlkampf für die im Herbst anstehende Nationalratswahl hineinziehen könnte, sagte Hofer. „Es geht nun nur um Schadensbegrenzung, das ist Maxime bei den Grünen. Wirklich wegkriegen wird man das nicht.“

Hajek sagte dazu, er rechne mit „Rücksetzern“ bei den Grünen, was die Europawahl betrifft. Er gehe aber nicht davon aus, dass sich die Partei nun „im freien Fall befindet“. Ohne die Vorwürfe hätte die Öko-Partei vielleicht bei rund 14 Prozent landen können – jetzt sei schon mit „deutlich weniger“ Zustimmung zu rechnen. Rückschlüsse, wie sich die Sache auf die Nationalratswahl auswirken könnte, wollte Hajek noch keine ziehen.

Welche Parteien von dem zu erwartenden Wählerschwund bei den Grünen profitieren könnten, sei „schwierig zu sagen“, so der Meinungsforscher. Die Stimmen könnten sich verteilen, es werde vermutlich nicht eine einzelne Partei profitieren.

Die anderen Parteien üben sich für Hofer derzeit eher in Zurückhaltung bei diesem Thema. „Die dominante Strategie für alle ist es, diese Causa wirken zu lassen, sich nicht drauf zu setzen.“ Auch erinnerte er daran, dass FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky in der ersten TV-„Elefantenrunde“ mit allen Kandidaten am Donnerstag vor einer Woche Schilling sogar beisprang – und erklärte, die FPÖ kenne das, dass kurz vor Wahlen „Geschichten hochgefahren“ würden.

Damit bediene Vilimsky das freiheitliche Narrativ der „bösen Medien“ sowie das der „Opferrolle“. Auch müsse man es seitens der anderen Parteien vermeiden, dass der Eindruck entsteht, man hätte etwas mit der Causa zu tun.

Bei den übrigen Parteien sieht Hofer wenig Änderung der Lage. Die FPÖ dürfte trotz der Debatten um eine Russland-Nähe der Partei (infolge der Causa rund um Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott) keinen Einbruch zu erwarten haben – das habe sich in den Umfragen bestätigt. Derzeit liegt die FPÖ weiterhin auf Platz 1 mit etwas Abstand zu SPÖ und ÖVP, bei denen „weiterhin ein Kampf um Platz zwei zu erwarten“ sei. Diese Frage werde auch für die Nationalratswahl im Herbst wichtig sein, so Hofer: Denn die zweitplatzierte Partei werde diesen Platz dann so deuten, dass auf Nationalratswahlebene ein Kampf um Platz 1 möglich sein könnte.

Bei den NEOS sieht Hofer Chancen auf ein zweites Mandat (derzeit halten die Pinken bei einem). Die Liberalen könnten ihr Alleinstellungsmerkmal etwa bei der Positionierung für die „Vereinten Staaten von Europa“ oder ihrem Ruf nach einem EU-Heer nützen. Es gehe darum, die Scharte, die bei den letzten Regionalwahlen in Salzburg und Innsbruck entstanden ist, auszuwetzen. Auch angesichts der „Krise bei den Grünen“ gebe es schon eine Chance für die NEOS. Auch könnten die Pinken nach dem Nicht-Antreten des langjährigen ÖVP-Mandatars Othmar Karas versuchen, dessen frühere Wähler anzusprechen.

Für die KPÖ hält Hofer zumindest ein respektables Abschneiden für möglich. Für die Kommunisten gehe es auch darum, Stärke in Richtung Nationalratswahlkampf zu zeigen. Ganz auszuschließen sei ein Sprung über die Vier-Prozent-Hürde und damit ins EU-Parlament laut Hajek nicht. Die coronamaßnahmenkritische Liste DNA sehen Hofer wie Hajek von einem Einzug hingegen weit weg. Die FPÖ habe dieses Thema „gut abgedichtet“, das werde der FPÖ „keine Kopfzerbrechen machen, da geht es um ein paar Zehntelprozentpunkte“, so Hofer.

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