Gewählt trotz Kommunismus

Der steirische Politik-Experte Heinz Wassermann analysiert den Erfolg der KPÖ: „Viel historisches Gedächtnis haben wir nicht“

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Mit der Salzburger Bürgermeisterwahl ist die KPÖ kein reines Grazer Lokalphänomen mehr. In Graz ist Elke Kahr seit 2021 Bürgermeisterin, der Einzug von Kay-Michael Dankl in die Stichwahl in Salzburg beschert den Kommunisten die Chance auf ein zweites Bürgermeisteramt in einer Landeshauptstadt.

Die Entscheidung fällt am 24. März im Duell gegen SPÖ-Mann Bernhard Auinger. Mit 23 Prozent und zehn Sitzen ist die KPÖ auch zweitstärkste Kraft im Gemeinderat. Ihr drittbestes Ergebnis haben die Kommunisten übrigens bei der aktuellen Wahlrunde in Linz eingefahren — und dort hat es 2021 mit 3,3 Prozent für gerade einmal zwei Mandate gereicht. In Wien schaffte die KPÖ 2020 mit dem Wahlbündnis LINKS nur 2,06 Prozent. Auch in Klagenfurt und St. Pölten reichte es 2021 nicht für Mandate (1,5 bzw. 1,11 Prozent).

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Für den Politikexperten Heinz Wassermann (FH Joanneum in Graz) ist ein bundespolitischer Erfolg daher nicht vorprogrammiert.

Politik-Experte Heinz Wassermann © FH Johanneum

VOLKSBLATT: Wie erklären Sie sich die Erfolge der KPÖ in Salzburg oder Graz?

WASSERMANN: Erstens war es die Themensetzung. In Graz ist Wohnen schon seit 40 Jahren das Thema, in Salzburg war offensichtlich der KPÖ+ notwendig, um dieses Thema zu verankern. Zweitens ein hohes Maß an Authentizität.

Man nimmt den KPÖ-Spitzenkandidaten Kahr und Dankl wirklich ab, dass sie für dieses Thema rennen und brennen. Auch dass man bereit ist dabei zu helfen und nicht einfach weiterverweist.

Sie wurden gewählt trotz Kommunismus?

Definitiv.

Aber es gebe doch einen ideologischen Ballast. Auch die Abgrenzung zu Putin-Russland, zur Hamas oder auch die RAF-Nostalgie …

Erstens hängt das mit dem Geschichtsbewusstsein der Österreicherinnen und Österreicher zusammen: Viel historisches Gedächtnis haben wir nicht. Zweitens, vor allem die steirischen Kommunisten sind, wenn es um diese Themen geht, schon teflonisiert. Man kann der Frau Kahr Stalin oder Tito hundertmal vorhalten, da gibt es immer die gleiche Antwort: Wir haben uns eh schon distanziert und das war nicht der wirkliche Kommunismus, nicht der Kommunismus, den wir wollen. Das perlt ab, ähnlich wie bei der FPÖ das ungustiöse Anstreifen am Rechtsextremen.

In Graz ist die SPÖ kaum mehr vorhanden, in Salzburg konnte sie sich auch nur knapp behaupten – wie kann und soll die SPÖ reagieren? Ist der Linksruck unter Babler eine adäquate Antwort?

Also ich würde die meisten SPÖ-Wähler der pragmatischen Mitte zuordnen. Und man sollte die Kuh im Stall lassen: Auf kommunalpolitischer Ebene werden kommunalpolitische Themen verhandelt – das war in Salzburg und Graz das Thema Wohnen und Verkehr. Bundespolitische Themen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Bezüglich der Grazer SPÖ: Das ist ein eigenes Drama, über Jahrzehnte hat sich die Partei durch Grabenkämpfe und unbestimmte Positionierungen selbst geschwächt. Und 1998 hat die SPÖ geglaubt, sie ist besonders schlau und hängt dem KPÖ-Stadtrat Ernst Kaltenegger das Wohnressort um – als Mühlstein um den Hals. Und Kaltenegger konnte daraus Kapital für die Kommunalpolitik schlagen, wenn man sich die Landtags- und Nationalratswahlergebnisse anschaut, lag die SPÖ in Graz weiterhin souverän über 20 Prozent.

Trotzdem: Kann die KPÖ bei der Nationalratswahl mit einem Einzug rechnen?

Da wäre ich skeptisch. Für eine Bundeswahl reicht ein brennendes Thema wie Wohnen nicht, da braucht es eine breitere Palette. Und das Führungspersonal der KPÖ auf Bundesebene ist nur sehr eingefleischten Polit-Insidern bekannt.

Und der Dankl kann nicht auf allen Hochzeiten tanzen …

… er ist jetzt schon KPÖ-Klubobmann im Landtag, sitzt im Salzburger Gemeinderat. Mehr wird wohl nicht gehen.

Und mit der Bierpartei mischt außerdem noch ein Mitbewerber in diesem Teich.

Und die Bierpartei hat mit Dominik Wlazny eine Person, die bundesweit bekannt ist und dieses Spektrum gut abgrast.

Die ÖVP wurde in Salzburg fast halbiert und auch in Graz konnte sie nicht reüssieren. War das urbane Problem der ÖVP von Kurz nur kurzzeitig gelöst?

Ich würde es nicht einmal auf den urbanen Raum beschränken, aber dort ist es dramatisch. Die ÖVP zahlt jetzt die Zeche für die Wahlerfolge unter Sebastian Kurz. Die ÖVP war bundespolitisch 2017 schon fast scheintot, dann gab es diesen Kurz-Hype, der auch bei Landes- und Kommunalwahlen durchschlug. Fünf bis sechs Prozentpunkte der ÖVP kann man bei allen Wahlen zwischen 2017 und 2022 auf diesen Kurz-Effekt zurückführen.

Trotzdem scheint das im urbanen Raum noch verschärfter.

Ein bisschen hat man schon das Gefühl, dass die ÖVP den urbanen Raum gar nicht bedienen kann oder will. Das hatte eine Zeit lang eine gewisse Logik, als die Wahlbeteiligung in den Städten massiv geringer war als im ländlichen Raum. Ich habe mir das für die Steiermark angeschaut: Diese Rechnung stimmt nicht mehr. Auch in den ländlichen Gemeinden sinkt die Wahlbeteiligung massiv.

Mit was für einem Ergebnis rechnen Sie bei der Stichwahl in Salzburg?

Es ist schwer zu sagen, wie die Wähler von ÖVP, Grüne, FPÖ und agieren. Meines Erachtens werden die ÖVP-Wähler eher zum SPÖ-Kandidaten Auinger tendieren, die FPÖ-Wähler verstärkt ins Nicht-Wähler-Lager wandern und Grün- und Neos-Wähler unter Umständen in Richtung Dankl.

Mit dem Politik-Experten Heinz Wassermann sprach Herbert Schicho

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