Innenminister: „Wir brauchen eine Cyber-Cobra“

Gerhard Karner — am Dienstag auf Stippvisite in Oberösterreich — bei Schengenerweiterung skeptisch

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VOLKSBLATT: Sie feierten vor kurzem ihren 55. Geburtstag, kam angesichts der vielen Krisen Feierstimmung auf?

BM KARNER: Es ist selbstverständlich, dass man seinen Geburtstag mit seinen Lieben, sprich der Familie feiert. Und das habe ich auch diesmal getan.

Vor ziemlich genau einem Jahr – am 6. Dezember – wurden Sie Minister. Haben Sie den Schritt schon einmal bereut? Was war das schönste Erlebnis?

Ich habe das noch nie bereut. Es ist eine herausfordernde, aber eine sehr schöne Aufgabe, für die Sicherheit in unserem Lande zuständig zu sein. Und ein Chef von 38.000 so engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sein. Es ist beeindruckend, mit welcher Professionalität diese die schwierigsten Aufgaben lösen, egal ob es sich um Demonstrationen handelt oder die Arbeit in der Registrierungsstelle – etwa in der Registrierungsstelle hier in Wels.

Sie warnen zwar seit Monaten, trotzdem wirkt die Politik bei der Asyl-Problematik unvorbereitet. Was hätte wann wer tun können bzw. müssen?

Faktum ist, dass illegale Migrationswellen – wie der Name schon sagt – in Wellen kommen. Ich habe im Frühjahr dieses Jahres schon davor gewarnt. Da bin ich noch von vielen belächelt worden. Politische Gegner meinten sogar, ich würde damit von ÖVP-Skandalen ablenken wollen. Jetzt sieht man, dass es nicht so war … aber es ist Aufgabe des Innenministers, auf die Situation jetzt zu reagieren. Da bleibt manchmal nur die Wahl zwischen Pest und Cholera und natürlich gibt es manchmal Unmut in den Gemeinden. Ich möchte mich aber vor allem bei den Gemeinden und auch privaten Initiativen bedanken für all das was bisher geleistet wurde.

Auch die Zusammenarbeit mit den anderen Parteien scheint dabei nicht einfach. Bei der SPÖ gibt es zwei Richtungen – jene von LH Hans Peter Doskozil und jene von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. Die FPÖ will politische Stimmung machen und keine Lösungen finden. Und Neos und Grüne scheinen das Problem gar nicht zu sehen …

Als Innenminister habe ich gerade in so sensiblen Fragen nicht auf Parteitaktik zu schauen. Aber natürlich: Die SPÖ torkelt in dieser Frage herum. Die FPÖ nennt Probleme, die der jetzige Parteichef Herbert Kickl in seiner Amtszeit als Innenminister in keiner Weise aufgegriffen hat, im Gegenteil: Er hat Dinge auslaufen lassen und damit die heutige Lage schwieriger gemacht, etwa das Durchgriffsrecht. Und andere unterschätzen das Thema. Ja, man bekommt Kritik von beiden Seiten und daher weiß man, dass man gut in der Mitte steht und das tut, was notwendig ist.

Das Problem wird zwischen EU und Nationalstaaten bzw. innerhalb Österreichs zwischen Bund und Ländern wie eine heiße Kartoffel hin und her geschoben, Motto: Wer sich als erstes darum annimmt, hat das Bummerl. Wer soll diesen Knoten lösen?

Das ist natürlich schwierig. Und ich habe schon klar meine Kritik an der EU-Kommission artikuliert. Ich kann mir etwa zum jetzigen Zeitpunkt eine Erweiterung des Schengenraumes nicht vorstellen. Solange das bestehende System nicht funktioniert, kann ich es doch nicht noch weiter ausweiten. Solange wir keinen funktionierenden Außengrenzschutz haben, kann ich mir eine Erweiterung nicht vorstellen.

Ein Problem ist die Länge der Verfahren, dabei spielt auch die Menschenrechtskonvention bzw. deren Gerichtshof eine Rolle. Verstehen Sie die Debatte über die EMRK?

Zunächst einmal: In der ersten Instanz des Asylverfahrens – dafür ist das Innenministerium mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zuständig – ist das Verfahren äußerst schnell. Wir wickeln etwa Verfahren von Menschen aus Ländern wie etwa Indien oder Tunesien, wo praktisch keine Chance auf Asyl besteht, binnen Tagen ab. Viele dieser Menschen ziehen dann entweder weiter oder kehren in ihre Heimat zurück. Der Schnitt in der ersten Instanz ist drei Monate. Die zweite Instanz dauert zum Teil länger. Aber das Personal in der Justiz wurde schon aufgestockt. Aber ich habe völliges Verständnis für diese Debatte, denn vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sind zuletzt völlig unverständliche Entscheidungen getroffen worden, etwa dass die Schweiz nicht mehr nach Italien abschieben darf. Da läuft etwas falsch und es ist völlig legitim, dies auch anzusprechen. Natürlich sind die Menschenrechte für uns essenziell, aber im System gibt es Verbesserungsbedarf.

Gerade in Linz kam es zu Halloween zu Ausschreitungen. Hat die Polizei genügend Möglichkeiten, künftig solche Vorkommnisse schon im Vorfeld abzustoppen?

Darüber werden wir Gespräche führen und es wird möglicherweise Bereiche geben, wo man nachjustieren muss.

Wird es eine „Bestreifung des Internets“ geben und braucht es dazu rechtliche Änderungen?

Wir stellen uns derzeit mit der Kriminaldienstreform 2.0 neu auf. In den 1970er Jahren, als die Terroranschläge in München oder bei der OPEC in Wien passierten, sind die Sondereinheiten entstanden, bei uns die Cobra. Und wenn wir jetzt sehen, dass im Internet mobilisiert wird und Hassanschläge passieren, dann brauchen wir eine Cyber-Cobra. Das ist in Vorbereitung und das soll mit der Reform umgesetzt werden.

In Kürze beginnen die „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“. Welche Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen werden seitens der Polizei gesetzt?

Diese Bundesregierung hat mit rund 25 Millionen Euro jährlich das größte Gewaltschutzpaket, das es je gab, auf den Weg gebracht. Darüber hinaus haben wir die Zahl der Präventionsbeamten auf den Polizeiinspektion mehr als verdoppelt. Und wir wissen zum Beispiel, dass gerade die Frauenhäuser in Oberösterreich eine hervorragende Arbeit leisten. Aber natürlich wird innerfamiliäre Gewalt oft sehr spät erst erkannt und deswegen sind wir alle gefordert: Es braucht Zivilcourage bei den Nachbarn, unter den Bekannten und den Freunden.

Wie sicher ist Österreich?

Wir leben in einem sichersten Länder der Welt, auch wegen der exzellenten Arbeit unserer Polizei. Wir haben alleine in Oberösterreich heuer rund 230 neue Kollegen ausgemustert. Die Aufklärungsquote etwa in Oberösterreich war noch nie so hoch und liegt bei fast 63 Prozent, damit liegt Oberösterreich auch an der Spitze der großen Bundesländer.

Und kommt man als Minister auch zum Fußball-Schauen?

Natürlich, ich war am Sonntag im Stadion bei Österreich gegen Italien, das war ein tolles Match. Die WM-Spiele derzeit sind aber zu einer Zeit, wo es sich nicht ausgeht.

Mit Innenminister GERHARD KARNER sprach Herbert Schicho

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