Justizministerin muss etwas vorlegen

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler will Änderungen in Strafprozessordnung

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VOLKSBLATT: Für den Bundespräsident ist die Verfassung elegant und schön. Wie findet die zuständige Ministerin diesen „Rahmen der Republik“?

BM EDTSTADLER: Als einen, der sich wirklich bewährt hat. Der uns durch sämtliche Krisen hindurch auch Leitlinie war. Und auch einer, der sich seit der Entstehung im Jahr 1920 gewandelt hat. Ich denke, gerade in Zeiten, wo vieles im Umbruch ist, wo die Menschen Halt und Sicherheit suchen, ist es wichtig, eine Bundesverfassung zu haben, die nicht mir nichts, dir nichts geändert werden kann. In anderen Ländern, wo es keine Verfassung gibt, fehlt ein solcher Anker.

Gerade im Rechtsbereich hat die Regierung noch einige Baustellen: Vorweg, wie gut ist das Klima innerhalb der Koalition?

Wir haben ein gutes Arbeitsklima und auch persönlich ein sehr gutes Auskommen, weil wir uns jetzt seit mehr als drei Jahren kennen und auch durch viele Krisen gegangen sind. Ich glaube wir haben bewiesen, dass wir Troubleshooter sind. Und wir haben auch vieles umgesetzt. Aber ich gebe zu, dass es da und dort Bereiche gibt, wo wir nicht einer Meinung sind. Aber als Verfassungsministerin sage ich ganz klar: Das ist nicht nur okay, sondern gewollt, dass in einer Demokratie man dem anderen nicht nach dem Mund redet.

Und nun konkret: Wann wird der Bundesstaatsanwalt kommen?

Der Bundesstaatsanwalt wird von mir mit der Justizministerin weiterverhandelt, sobald sie auch zum Thema Beschuldigtenrechte etwas vorlegt. Und zum Thema Verkürzung der Verfahren und Kostenersatz im Strafverfahren. Hier ist akuter Handlungsbedarf und wir haben ausgemacht in einem Ministerratsvortrag im Februar 2021, dass das ein Paket wird.

Sind für Sie Chats eher digitale Veröffentlichungen, Briefe oder schriftliches Telefonieren?

Das kann und muss man strafrechtlich mit den Experten klären. Aber das Entscheidende ist weniger, wie ordnet man es ein, sondern dass man den Persönlichkeits- und den Datenschutz garantieren kann. Und wenn ich mir anschaue, dass über den Untersuchungsausschuss sämtliche private Chat-Kommunikationen — auch solche, die überhaupt nichts mit strafrechtlichen Handlungen zu tun haben — an die Öffentlichkeit kommen und dann Schlagzeilen und Titelblätter füllen, dann ist akuter Handlungsbedarf gegeben. Die Strafprozessordnung muss endlich auf die Höhe des 21. Jahrhunderts gehoben werden. Ein Mobiltelefon, das heute unbestritten hunderttausendmal mehr kann als vor 20 Jahren, kann nicht behandelt werden wie ein Tatmesser, auf dem Blutspuren sind. Auf dem Handy ist oft das halbe Leben abgebildet, inklusive Diätvorschläge und medizinische Diagnosen, Bilder und private Kommunikation.

Es hat sich gezeigt, dass man trotz Freispruchs durch die jahrelangen Prozesse sowohl was den Ruf betrifft als auch finanziell bestraft ist. Was kann man dagegen tun?

Endlich handeln. Und ich rufe die Justizministerin auf, dass wir hier etwas tun müssen. Denn der Beschuldigtenstatus wirkt wie eine zivile Todesstrafe. Wenn man — insbesondere, wenn man in der Öffentlichkeit steht, egal ob Politiker, Künstler oder Sportler — dann durch alle Zeitungen gezerrt wird. Wenn man vielleicht seinen Job verliert. Wenn man dann keinen Job oder keinen Kredit mehr bekommt. Und nach jahrelangen Ermittlungen ein Freispruch herauskommt oder das Verfahren eingestellt wird, dann ist man finanziell und gesellschaftlich bereits ruiniert. Da gibt es einige Schrauben, wo man drehen kann, die habe ich der Justizministerin kommuniziert. Und ich warte jetzt auf ihre Vorschläge.

Kritik aus der Justiz gibt es gegen das neue Korruptionsstrafrecht. Wird man hier noch nachbessern?

Das Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz ist von den beiden Regierungsparteien verhandelt worden. Ich glaube, es ist ein gutes Paket in die Begutachtung geschickt worden. Was mir ganz wichtig ist, ist, dass bei all den Überlegungen, die jetzt angestellt werden, politisches Handeln nicht verunmöglicht wird. Dass nicht jeder, der sich bereit erklärt, für die Allgemeinheit einzutreten, für die Interessen der Allgemeinheit aufzutreten und sich auf eine Liste setzen lässt, mit einem Fuß im Kriminal steht, weil es noch leichter wird, jemanden anzuschütten. Und wir wissen, Verfahren dauern lange. Ich will auf keinen Fall die demokratiepolitischen Prozesse in irgendeiner Form beeinträchtigt oder sogar verhindert wissen.

Und wie schaut es mit dem Informationsfreiheitsgesetz aus. Wann wird es kommen und mit welchem Mehraufwand müssen die Gemeinden rechnen?

Wir haben in den vergangenen zwei Jahren viel darüber gesprochen und es ist auch vieles passiert. Die Bereitschaft derjenigen, die Auskunft geben sollen, ist gewachsen. Wir sind dabei, in der Koalition die letzten Klärungen vorzunehmen, um dann in Gespräche mit der Opposition einzutreten. Ich bin zuversichtlich, dass wir in der ersten Jahreshälfte noch weitere Schritte präsentieren können.

In wenigen Wochen wählt Ihr Heimatbundesland Salzburg. Wie oft müssen bzw. dürfen Sie im Wahlkampf auftreten?

Ich war diese Woche schon zweimal in Salzburg. Und ich werde alles tun, um den amtierenden Landeshauptmann Wilfried Haslauer zu unterstützen. Ich glaube, es gibt überhaupt keine Alternative zu Landeshauptmann Wilfried Haslauer. Das sollte auch an der Wahlurne zum Ausdruck kommen.

Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass Sie als Kommissarin nach Brüssel gehen könnten. Würde Sie diese Aufgabe reizen?

Ich erfülle meine Tätigkeit als Bundesministerin mit allem, was mir zur Verfügung steht. Aber ich sage auch dazu, dass die internationale Komponente in meinem Aufgabenbereich sehr interessant und reizvoll ist und ich sie als sehr spannend empfinde. Wer weiß, was die Zukunft bringt. „Nihil petere, nihil recusare“ — strebe nichts an und schlage nichts aus.

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