Karas will nicht bei Nationalratswahl antreten

Karas hat die ÖVP immer wieder öffentlich kritisiert. © APA/MAX SLOVENCIK

Der langjährige ÖVP-Politiker Othmar Karas will bei der Nationalratswahl Ende September nicht mit einer eigenen Liste antreten. Das stellte der scheidende Erste Vizepräsident des Europaparlaments am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ klar. Allerdings würde Karas als neuer EU-Kommissar „zur Verfügung“ stehen. Offen ließ er eine etwaige Kandidatur bei der nächsten Bundespräsidentenwahl.

Karas hatte sich immer wieder offen gegen die Parteilinie der ÖVP gestellt und war zuletzt nicht mehr für die EU-Wahl aufgestellt worden. Gerüchte über ein eigenes politisches Projekt des ÖVP-Politikers gab es schon länger. In der „Pressestunde“ erklärte er nun, dass er sehr wohl über einen Antritt bei der Nationalratswahl mit einer eigenen Liste nachgedacht habe. Er mache nur Dinge, „die einen Sinn machen“ und die „eine Gestaltungsmöglichkeit haben“. Ergebnis der Beratungen sei gewesen, dass „zur Stunde diese Gestaltungsmöglichkeit nicht in einem ausreichenden Ausmaß vorhanden“ sei. „Daher werden ich und mein Team bei der Nationalratswahl nicht antreten“, legte sich Karas nun fest. Ein Antreten hätte zu einer weiteren Zersplitterung der Parteienlandschaft geführt und die Regierungsbildung noch schwieriger gemacht, meinte Karas.

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Durchaus interessiert zeigte sich Karas hingegen für den Posten des EU-Kommissars. Zuletzt wurde er von NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger – einer früheren Mitarbeiterin Karas‘ – vorgeschlagen und erhielt auch Unterstützung von Grünen und SPÖ-Politikern. Er freue sich über die Nennung als Anerkennung seiner Arbeit, unterstrich Karas. Notwendig sind für die Besetzung aber ein Regierungsbeschluss und eine Mehrheit im Hauptausschuss. „Wenn es zu diesem Vorschlag käme, dann würde ich zur Verfügung stehen“, betonte Karas. „Es gibt Gespräche mit mir und der Partei (ÖVP, Anm.), aber nicht darüber.“ Wie hoch seine Chancen seien, „hängt von den Parteien ab“. Er müsse „nichts mehr werden“, sagte Karas, aber er stehe mit seiner Erfahrung, seinen Anliegen und „meiner Fähigkeit, Menschen zusammenzuführen“, zur Verfügung – was aus seiner Aussage gemacht werde, liege nicht in seiner Hand.

Karas ist bei der ÖVP-Spitze nicht wirklich gut angeschrieben, war er doch in der Vergangenheit immer wieder aus der Parteilinie ausgeschert und übte teils öffentliche Kritik am Kurs der Bundespartei. So bemängelte Karas etwa die Rolle der Volkspartei in Europa oder deren Standpunkt in Sachen Asyl und Migration. Auch kritisierte er diverse „Scheindebatten“ wie etwa jene von ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer angestoßene, das Recht auf Bargeld in der Verfassung zu verankern.

Dementsprechend ablehnend äußert man sich in der ÖVP hinter vorgehaltener Hand dazu, Karas mit dem Kommissarsposten zu „belohnen“. Zuletzt wurde in der Volkspartei immer wieder Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) als Favorit für den Kommissarsposten genannt. Auch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) gilt als Kandidatin, genannt wurde auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP). Unbequem macht die Situation für Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer, dass ein Beschluss im Ministerrat notwendig ist, sich der Grüne Koalitionspartner aber nicht mehr an jenen Sideletter gebunden fühlt, der der ÖVP den Kommissar zugesteht. Als Kompromissvariante brachte die „Kronen Zeitung“ (Sonntag-Ausgabe) nun Henrietta Egerth, Geschäftsführerin der Forschungsförderungsgesellschaft, ins Spiel.

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Nehammer wollte sich zu möglichen Kandidatinnen und Kandidaten für die EU-Kommission am Rande des Ukraine-Gipfels in der Schweiz nicht festlegen: „Das sind alles Spekulationen“, sagte er zu Journalisten. „Alles ist möglich, es gibt mehrere Optionen. Am Ende ist es eine Regierungsentscheidung.“ Es gebe zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Entscheidung für einen Kandidaten oder eine Kandidatin, hieß es zudem aus dem Kanzleramt.

Sein Verhältnis zur ÖVP sieht Karas trotz der Konfliktlinien unterdessen weiter intakt. „Ich sehe kein Zerwürfnis, ich sehe unterschiedliche Meinungen“, so Karas, der weiter überzeugter Christdemokrat und Volkspartei-Mitglied sei. „Mitglied einer Partei zu sein kann doch nicht bedeuten, dass man sein Hirn ausschaltet, keine eigene Meinung bildet, seine überparteiliche Verantwortung als Europaabgeordneter, als Erster Vizepräsident des Parlaments der Parteitaktik unterordnet. Wir müssen aufhören, unterschiedliche Meinungen als Bedrohung anzusehen.“

Offen ließ Karas, ob er bei der nächsten Bundespräsidentenwahl antreten will: „Wissen Sie, was in vier Jahren ist?“, stellte er die Gegenfrage. „Ich weiß es nicht.“

Karas zog 1999 für die Volkspartei ins EU-Parlament ein. Von 2006 bis 2009 sowie von 2011 bis 2019 leitete der die ÖVP-Delegation. Im Jänner 2022 wurde der gebürtige Niederösterreicher zum Ersten Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments gekürt. Dieses Amt bekleidete er zuvor bereits von 2012 bis 2014 sowie von 2019 bis 2022.

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