„Landesverteidigung geht alle an“

Verteidigungsministerin Tanner skizziert den Fahrplan für modernes Heer

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Das Bundesheer zog gestern Bilanz über die Einsätze des Vorjahres: Über 1100 Soldaten haben 2022 die Grenzen Österreichs überwacht und dabei 66.000 Aufgriffe getätigt. 760 Soldaten waren im Ausland an 13 Missionen beteiligt. 568 Soldaten haben bei Katastrophen im Inland Hilfe geleistet. Bei Einsätzen des Entminungsdienstes wurden 31.249 Kilogramm Kriegsmaterial geborgen und vernichtet. Insgesamt wurden 985 Fundmeldungen von Kriegsrelikten an den Entminungsdienst übermittelt. Im vergangenen Jahr absolvierten 16.463 Rekruten ihren Grundwehrdienst, 1813 Soldaten nahmen an Kaderausbildungen teil und 72 Berufsoffiziere schlossen die Ausbildung an der Militärakademie ab. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner sieht das Bundesheer auch für die kommenden Jahre gerüstet.

VOLKSBLATT: Eine Schattenseite des Sommers ist, dass das Bundesheer zu Katastropheneinsatz gerufen wird, seien es Waldbrände oder Überschwemmungen. Wie gut ist das Bundesheer dafür gerüstet?

TANNER: Wir haben für alles gerüstet zu sein. Und jetzt haben wir auch die Möglichkeit dazu: Insbesondere im Katastrophenschutz brauchen wir immer wieder eine Nachbeschaffung von Bergefahrzeugen und Ausrüstungen. Wir haben einen Aufbauplan, der reicht bis 2032. Das ist im Landesverteidigungsfinanzierungsgesetz festgehalten. Und da bereiten wir uns auf alles vor – natürlich auch auf Katastrophenfälle. Wir haben eine der größten Beschaffungen – die zweitgrößte nach den Eurofightern – nun mit den Hubschraubern gemacht. Und diese Hubschrauber können natürlich auch – etwa bei Bränden – eingesetzt werden. Bis 2028 werden nach und nach diese 36 Hubschrauber in Österreich eintreffen.

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Sie konnten das Verteidigungsbudget enorm steigern, wann wird der Investitionsstau abgebaut sein?

Mit unserem „Aufbauplan 2032+“ geben wir unser bestes diesen bis 2032 soweit wie möglich abzubauen. Beschaffungen nehmen eine gewisse Zeit in Anspruch, und man kann die Versäumnisse der Vergangenheit nicht von einem Tag auf den anderen aufholen. Aber natürlich darf es 2032 nicht aufhören, darum steht beim Aufbauplan auch ein „Plus“ dabei. Aber vorerst ist wichtig, dass es im Gesetz drinnen steht. Jetzt wird eines nach dem anderen umgesetzt in den drei Bereichen: Mobilität, Schutz und Bewaffnung für unsere Soldaten und natürlich die gesamte Kasernen-Infrastruktur – die bringen wir wieder auf Vordermann.

Wie viel Geld hätten Sie den gerne im nächsten Budget?

Es kann natürlich immer mehr sein, aber es ist das historisch größte Budget. Und was noch viel wichtiger ist: Mit diesem gesetzlichen Aufbauplan haben wir Planungssicherheit. Es war ja in der Vergangenheit oft so, dass etwas versprochen worden ist, aber nicht in Gesetz gegossen wurde. Diese „Mission Vorwärts“ wird ein Versäumnis nach dem anderen aufholen.

Mit Hörsching ist in OÖ auch ein wichtiger Luftstützpunkt. Wie schaut es mit der Nachfolge der Saab-Trainingsjets und der Hercules aus?

Bei der Hercules sind wir schon weiter. Das System der Hercules wird nur mehr bis 2030 funktionieren. Wir sind jetzt gerade in der Beschaffungsfrage, und Ziel muss sein, dass ein Vertrag im ersten Quartal 2024 unterschrieben werden kann. Es wird sicher keine Lücke entstehen. Bei der Nachfolge der Saab 105 sind wir erst am Beginn. Wir haben über 20 Staaten angeschrieben.

Ein weiteres Ziel ist es, die Kasernen autark zu machen. Wie weit ist das schon geglückt?

Wir sind im Zeitplan, obwohl das sehr herausfordernd ist. 100 Kasernen sollen bis 2025 autark sein, quasi militärische Sicherheitsinseln.

Eine weitere Ansage war, dass das Heer auch für Frauen attraktiver werden soll. Im Mai starteten die ersten Frauen mit dem Grundwehrdienst. Gibt es schon erste Erfahrungen?

Jede Frau, die dazu kommt, ist ein Erfolg und ein Gewinn für das Heer. Der freiwillige Grundwehrdienst ist eine gute Möglichkeit für Frauen, einfach einmal reinzuschnuppern. Wir sind jetzt bei 645 Soldatinnen in unterschiedlichen Verbänden. Beim Militärhundezentrum haben wir zum Beispiel beinahe 50 Prozent Frauenanteil.

Der Krieg in der Ukraine hat aber auch gezeigt, dass es einerseits sehr wohl noch Panzer braucht und andererseits aber auch in der digitalen Welt Angriffe drohen. Wie schafft das Bundesheer diesen Spagat?

Das ist eine Herausforderung. Unsere Experten haben über 70 verschiedene Risikoszenarien analysiert, denen wir gegenüberstehen. Eines davon ist natürlich auch ein Cyberangriff. Da müssen wir natürlich personell aufstocken und investieren. Aber wir sind jetzt schon nicht schlecht aufgestellt: Bei der größten militärischen Cyber-Verteidigungsübung „Locked Shields 23“ haben wir Österreicher den fünften Platz gemacht.

Wie schaut es mit der Neutralität aus?

Wichtig ist, dass wir festhalten, dass unsere militärische Neutralität nicht heißt, dass uns alles gleichgültig ist. Wir unterstützen jetzt schon die Ukraine, humanitär, finanziell und bei der Hilfe für die Flüchtlinge. Was wir nicht machen werden, ist Waffen liefern.

Die ÖVP schreibt gerade das Zukunftsprogramm Österreich 2030. Welche Rolle soll dabei das Bundesheer spielen?

Das Bundesheer muss und wird eine ganz wichtige Rolle spielen. Wir haben uns jetzt schon beim ersten Arbeitskreis „Stadt & Land“ eingebracht. Denn das Bundesheer ist auch einerseits ein großer Dienstgeber in den verschiedensten Regionen mit hochqualitativen Arbeitsplätzen. Und andererseits ein großer Investor. Das Bundesheer bietet Chancen in der Stadt und auf dem Land. Was neu gemacht werden muss ist die Sicherheitsstrategie, damit haben wir jetzt begonnen. Die derzeitige stammt aus dem Jahr 2013. Was wir beleben müssen, ist die umfassende Landesverteidigung. Es ist uns gelungen, dass wir die geistige Landesverteidigung in den Lehrplänen haben. Aber das ist nur ein erster Schritt, denn Landesverteidigung geht alle an und muss umfassend sein.

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