LH Stelzer: „Brauchen das höchste Maß an Selbstversorgung“

LH Stelzer über die Lehren aus der Corona-Krise, das neue gesellschaftliche Leben und den Floriani-Tag

Mehr denn je ist das Telefon, neben anderen modernen Kommunikationsmitteln, eines der wichtigsten Arbeitsgeräte von Landeshauptmann Thomas Stelzer © Land OÖ/Mayrhofer

„In allen kritischen Infrastrukturen das höchste Maß an Selbstversorgung sicherstellen“: Das ist für LH Thomas Stelzer eine der Lehren aus der Corona-Pandemie.

VOLKSBLATT: Am Montag ist Florian, also Landesfeiertag. Gibt es etwas zu feiern?

LH STELZER: Natürlich ist gerade vieles anders als sonst. Die Art wie wir leben, wie wir arbeiten und wie wir uns mit Freunden und der Familie treffen – all das hat sich in den vergangenen Wochen schlagartig verändert. Der Landesfeiertag ist aber auch ein Tag, der uns vor Augen führt, was unser Land ausmacht – der starke Zusammenhalt etwa. Wir halten zusammen, damit wir andere schützen. Und wir haben in den letzten Wochen auch auf vieles verzichtet, damit wir Leben retten. Dafür möchte ich mich bei allen Landsleuten bedanken.

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Können Sie das Wort Corona noch hören?

Das Coronavirus beschäftigt uns nun schon eine Weile, bis es ein Gegenmittel gibt, wird das auch so bleiben. Wir haben in Oberösterreich einen klaren Weg: Die Gesundheit schützen, aber auch die Betriebe und Arbeitsplätze unterstützen.

Erleben wir 75 Jahre nach Kriegsende einen Krieg der ganz anderen Art?

Die Corona-Krise ist die größte Gesundheits- und Wirtschaftskrise seit Generationen. Es ist ein Kampf gegen einen unsichtbaren Gegner und all seine Folgen. Aber klar ist: Zur Zeit gibt es hohe Arbeitslosigkeit und eine einbrechende Wirtschaft. Daher haben wir auch ein 580 Millionen Euro starkes OÖ-Paket geschnürt. Wir haben ein klares Ziel: Oberösterreich wieder stark machen!

Was sind die Lehren aus der Corona-Pandemie?

Eine der großen Lehren aus der Corona-Krise ist, dass wir in allen kritischen Infrastrukturen das höchste Maß an Selbstversorgung sicherstellen müssen. Deshalb lautet mein Zugang: So, wie eine bewusstere Regionalität angegangen werden muss, so muss man sich auch über eine breitere Verteilung der Produktionsstandorte Gedanken machen.

Wo müssen wir nachbessern?

Das so schwierige Beschaffen von Schutzausrüstung hat uns gezeigt, wie verwundbar Europa ist, wenn wir nicht für eigene Produktion sorgen. Das gehört sicher zu den wichtigsten Erkenntnissen der Corona-Krise. In Zukunft gilt es deshalb sicherzustellen, die Versorgung der zentralen medizinischen Produkte zu gewährleisten, die von keinerlei Importen abhängen.

Was muss im Gesundheitssystem anders werden?

Wir haben eines der besten Gesundheits- und Sozialsysteme der Welt, viele Länder beneiden uns jetzt darum. In den letzen Jahren gab es immer wieder Kritik von verschiedenste Seite, was die Anzahl der Intensivbetten in den Spitälern betrifft. Heute können wir froh und dankbar sein, dass wir so gut ausgestattet sind.

Sie haben im Landtag die Zeile „Dahoam is dahoam“ aus der Landeshymne zitiert. Was sagt uns das in Zeiten wie diesen?

Darunter verstehe ich Zusammenhalt, Innovation und Heimat. Die Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher können aber jetzt auch wesentlich dazu beitragen, den Wirtschaftsmotor unseres Landes wieder zum Laufen zu bringen und mit ihren Einkäufen die heimischen Betriebe unterstützen. Ich glaube, da haben die letzen Wochen auch zu einem massiven Umdenken in Richtung Regionalität geführt.

Unendlich viel Geld wird zur Krisenbewältigung aufgewendet, doch immer öfter hört man: Mir hilft niemand. Bleiben die Menschen auf der Strecke?

Durch unser 580 Millionen umfassendes OÖ-Paket zusätzlich zu den Bundespaketen wollen wir die Gesundheit schützen, Arbeitsplätze sichern und Menschen in Notlagen helfen. Wir haben auch den Solidaritätsfonds für Einzelschicksale verdoppelt. Das können wir deshalb, weil wir in den vergangenen Jahren mit dem Steuergeld sparsam umgegangen sind. Dadurch haben wir finanzielle Spielräume geschaffen, auf die wir jetzt zurückgreifen können.

Worauf basiert die Hoffnung, die Corona-Krise zu bewältigen?

Darauf, dass so viele in diesen schwierigen Zeiten für unser Land in den verschiedensten Bereichen so aufopferungsvoll arbeiten und einen unschätzbaren Dienst leisten. Unsere Landsleute zeigen durch ihr beeindruckendes Engagement, dass wir diese Krise meistern und daraus gestärkt hervorgehen können.

Hat man als Politiker eigentlich irgendwann Angst vor der nächsten Katastrophenmeldung?

In Krisenzeiten ist gutes und sorgfältiges Krisenmanagement gefragt. In der Corona-Krise haben wir auf Bundes- und Landesebene schnell und gemeinsam gehandelt — Gott sei Dank vergleichsweise geringe Krankheits- bzw. Todeszahlen und ein frühes, schrittweises Hochfahren unseres wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens sind das Ergebnis.

Übersteht die EU diese Herausforderung?

Natürlich stellt diese beispiellose Ausnahmesituation eine große Herausforderung für die EU dar. Die Europäische Union war in den vergangenen Jahrzehnten aber Basis dafür, dass wir heute alle in Wohlstand und Frieden leben können. Das muss uns allen bewusst sein — das wollen wir auch weiter so gestalten.

Sind unsere Grundrechte gefährdet?

Der Schutz der Gesundheit der österreichischen Bevölkerung rechtfertigte die Maßnahmen der letzten Wochen. Mit Abflachen der Infektionskurve werden diese Maßnahmen jetzt auch wieder zurückgenommen. Alles geschah in einem rechtlichen demokratischen Rahmen und Prozess. Natürlich hat die letztgültige Entscheidung darüber der Verfassungsgerichtshof.

Ob Muttertag, Erstkommunion, Stammtisch, Blasmusikkonzerte oder Theatervorstellungen: Wie sieht gemeinschaftliches Leben künftig aus, wenn Abstand halten die erste Bürgerpflicht ist?

Das wird für uns alle ungewohnt sein, bis es eine medizinische Abhilfe, eine Impfung gibt. Corona leitete eine Ära eines anderen und von Vorsicht geprägten gemeinschaftlichen Lebens ein. Ich bin aber davon überzeugt, dass die Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher sich mit Zuversicht und Disziplin dieser neuen Herausforderung stellen — so wie sie es schon immer getan haben.

Was gibt Ihnen persönlich Kraft, was baut Sie auf?

Meine Familie und die vielen positiven Beiträge unserer Landsleute.

So wie die Republik ist auch die Volkspartei 75 Jahre alt geworden. Was wünschen Sie sich für die Zukunft Ihrer Partei?

Ich wünsche mir, dass wir als Volkspartei weiterhin unser Land verantwortungsvoll und erfolgreich gestalten und immer die richtigen Antworten auf die Herausforderungen des Lebens finden.

Die Fragen an Landeshauptmann THOMAS STELZER stellte Markus Ebert

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