Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) und sein zukünftiger Stellvertreter Christof Bitschi (FPÖ) wollen die nächsten fünf Jahre „mit Mut und Verantwortung“ gemeinsam regieren. Die beiden Parteichefs präsentierten am Dienstag in Bregenz ihr 96-seitiges Regierungsprogramm, das den Arbeitsrahmen bis 2029 vorgibt. Ein klarer Fokus wird auf die Standortentwicklung gelegt, bei der Ressortverteilung erhielten die Freiheitlichen ihre Wunschbereiche.
Das Regierungsprogramm enthält sowohl eine Präambel (zu Beginn) wie auch „Grundsätze der gemeinsamen Arbeit“ (am Ende). Sideletters gebe es keine, betonte der Landeshauptmann. „Wir arbeiten sehr transparent. Es gibt keine Vereinbarungen hinter geschlossenen Türen“, sagte er. Sowohl Wallner als auch Bitschi berichteten von Verhandlungen auf Augenhöhe und einem Programm, „in dem sich beide Parteien wiederfinden“. Ebenso bekannten sich beide zu einer Budgetkonsolidierung. Man könne die Augen nicht verschließen, „eine Konsolidierung auf allen politischen Ebenen wird kommen, ob’s einer will oder nicht“, so Wallner.
Im Bereich der Standort-Entwicklung wird unter anderem eine in der Landesverwaltung angesiedelte Stelle für Bürokratieabbau geschaffen. Zum einen sollen dabei Gesetzgebung, Abläufe und Vollzug unter die Lupe genommen werden, zum anderen können sich dort Bürger und Unternehmen mit Anregungen und Beschwerden melden. „In gemeinsamer Arbeit mit dem Bürger wird dann versucht, eine Lösung zu finden“, so Wallner. Beim Thema Wohnbau ist – anders als vor fünf Jahren – keine Anzahl an zu bauenden gemeinnützigen Wohnungen mehr festgeschrieben. Die noch bis Mittwoch eingesetzte schwarz-grüne Landesregierung war an ihrem Ziel, in fünf Jahren 4.000 gemeinnützige Wohnungen zu bauen, krachend gescheitert – auch wegen der Rahmenbedingungen wie der Corona-Krise, wie Wallner betonte. Sich „für fünf Jahre an eine Zahl zu binden“, sei nicht seriös, befand der Landeshauptmann, der aber betonte: „Wir bleiben ehrgeizig!“ Ziel ist es außerdem, die Vergabekriterien für gemeinnützige Wohnungen dahingehend zu ändern, dass auch Deutschkenntnisse berücksichtigt werden.
Waren die Straßenbauprojekte „Stadttunnel Feldkirch“ und „Bodenseeschnellstraße S18“ in der schwarz-grünen Landesregierung immer wieder Gegenstand von Kontroversen, gibt es nun ein klares Bekenntnis dazu. In Zukunft wird Bitschi dafür verantwortlich zeichnen, er stellte fest: „Diese Großprojekte stehen nicht zur Diskussion.“ Wallner seinerseits unterstrich, dass die Anstrengungen im Bereich des öffentlichen Verkehrs, des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit auch ohne Regierungsbeteiligung der Grünen fortgeführt würden, die Ziele hätten sich nicht geändert.
Große Einigkeit herrscht bei ÖVP und FPÖ auch beim Thema Integration, zu dem Vorarlberg in diesem Jahr den „Vorarlberg-Kodex“ eingeführt hat. Per freiwilliger Unterschrift verpflichten sich Asylwerber zur Teilnahme an Deutsch- und Wertekursen sowie zur gemeinnützigen Tätigkeit. Während es aktuell bei Verweigerungen keine Sanktionen gibt, soll sich das unter Schwarz-Blau ändern. „Das ist eines der ersten Dinge, die wir machen müssen“, betonte Wallner. Konkret soll als Sanktion das Taschengeld gekürzt werden. „Man kann nicht neben uns, an uns vorbei oder gar gegen uns leben“, stellte Bitschi fest. In Sachen Sicherheit wolle man besonders dem öffentlichen Raum verstärktes Augenmerk schenken, so die beiden Politiker.
Eine Forderung der Freiheitlichen im Wahlkampf, nämlich ein gesondertes „Familiengeld“ einzuführen, wird umgesetzt, indem der bereits bestehende „Familienzuschuss“ erweitert wird. Dieser soll neu ab dem ersten Lebensjahr des Kindes gewährt werden, allerdings nicht schon per 2025 – aus budgetären Gründen. Wallner und Bitschi unterstrichen, dass es dabei insbesondere auch um die Wahlfreiheit gehe. Dazu brauche es auch weiterhin einen starken Ausbau der Kinderbetreuungsplätze. Die „Gemeinsame Schule“ steht nicht mehr als Ziel im Regierungsprogramm, stattdessen findet sich die Formulierung „Weiterentwicklung der Schule der 10- bis 14-Jährigen“, die man im Rahmen der Schulentwicklung unterstütze.
In der siebenköpfigen Landesregierung sind mit Bitschi und seinem Parteikollegen Daniel Allgäuer zwei „Neue“ vertreten, die fünf aktuellen ÖVP-Regierungsmitglieder machen hingegen alle weiter. Hinsichtlich der Ressort-Verantwortlichkeiten wird sich Wallner weiter um die Finanzen kümmern, die Familien-Agenden gab er hingegen an Bitschi ab. Bitschi wird zudem für Infrastruktur und öffentlichen Verkehr verantwortlich zeichnen. Die aktuelle Landesstatthalterin Barbara Schöbi-Fink bearbeitet weiter die Themen Bildung und Kultur, zudem auch Frauen und Gleichstellung sowie Senioren, die zuletzt in grüner Hand waren. In Christian Gantners Zuständigkeitsbereich fallen die Landwirtschaft und neu Umwelt und Klimaschutz, während er Sicherheit und Integration an den neuen Landesrat Daniel Allgäuer (FPÖ) sowie den Tourismus an Marco Tittler (ÖVP) abgibt, der weiter die Wirtschaft im Auge hat. Martina Rüscher (ÖVP) bleibt Gesundheitslandesrätin, in ihrem Ressort sind nun auch neu Soziales und Pflege angesiedelt. Das sei eine gute Zusammenführung von Themen, meinte Wallner.
Mögliches Unverständnis darüber, dass sich die FPÖ mit zwei Landesratsposten zufrieden gibt, teilte Bitschi nicht. „Inhalt stand vor Personal“, sagte er und verwies auf die Zuständigkeiten in freiheitlichen Kernbereichen und auf die Stellvertreter-Position, die derzeit Schöbi-Fink inne hat. Wallner machte keinen Hehl daraus, dass er diese gerne in seiner Partei behalten hätte.
Kritik am Regierungsprogramm ließ nicht lange auf sich warten. „Im Westen nichts Neues“, stellte dazu SPÖ-Parteichef Mario Leiter fest. Claudia Gamon (NEOS) sprach von „Stillstand für Vorarlberg“, den machte auch ÖGB-Landesvorsitzender Reinhard Stemmer aus. Noch-Landesrat Daniel Zadra (Grüne) sah ein „ambitionsloses Regierungsprogramm der Überschriften und Schlagworte“. Die Wirtschaftskammer hingegen befand, dass die neue Landesregierung die Zeichen der Zeit erkannt habe. Die Industriellenvereinigung begrüßte ein „Bekenntnis zu produktivitätsorientierter Wirtschaftspolitik“.
FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl sprach vom „nächsten großen Schritt“ einer Serie von historischen Ergebnissen für die FPÖ nach den Regierungsbeteiligungen in Niederösterreich und Salzburg. Die freiheitliche Handschrift im Vorarlberger Regierungsprogramm sei „deutlich erkennbar“, so Kickl.
Die neue Landesregierung wird in der konstituierenden Sitzung des Landtags am Mittwoch angelobt. Wie vor fünf Jahren wird sich Wallner auf eine Grundsatzerklärung beschränken und die eigentliche Regierungserklärung zwei Wochen später halten. In der Landtagssitzung am 20. November werden dann auch die für die Regierungsmitglieder nachrückenden Landtagsabgeordneten teilnehmen. In den Landtag gewählte Vorarlberger Regierungsmitglieder verzichten traditionell auf ihr Mandat.