Österreich prüft rund 1.000 Fälle bei Familiennachzug neu

Innenminister sprach von „Art Planquadrat“ © APA/dpa/Uli Deck

Im Asylbereich werden laut Innenministerium beim Familiennachzug zahlreiche Fälle neu geprüft. Betroffen sind rund 1.000 Familienmitglieder, für die bereits eine positive Prüfung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vorlag, bestätigte das Innenministerium einen Bericht des Ö1-Radios vom Donnerstag. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sprach beim EU-Innenminister-Rat in Luxemburg von einer „Art Planquadrat“, da es Fälschungen gegeben habe. Kritik kam vom UNHCR.

Anlass für die Prüfungen ist laut Innenministerium der Verdacht auf Korruption bei syrischen Behörden und Zweifel, ob etwa Geburtsurkunden aus Syrien stimmen. Innenminister Gerhard Karner sagte dazu beim Doorstep des Innenminister-Rates in Luxemburg, er habe schon vor einigen Wochen angekündigt, „dass es bei den Kontrollen eine Art Planquadrat geben wird müssen, weil man einfach festgestellt hat, dass zum Teil in manchen Botschaften das System missbraucht wurde, auch Dokumente gefälscht waren. Dann ist es Aufgabe der Behörden, auch Aufgabe der Polizei, das stärker zu kontrollieren.“ Man müsse bei den Botschaften, „aber auch bei jenen, die bereits eingereist sind, sicherstellen und gewährleisten, dass hier keine Fälschungen vorliegen. Das ist notwendig, damit ein System glaubwürdig bleibt und damit ein System funktioniert.“

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Seitens des Innenressorts verwies man in einer schriftlichen Stellungnahme auf die Aussagen von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), der bereits am 5. Mai gegenüber der APA Verschärfungen beim Familiennachzug angekündigt hatte. Dabei sollen zum „absolut sicheren Nachweis der Verwandtschaft verstärkt DNA-Tests zum Einsatz kommen“, so das Innenressort. Dies sei erforderlich, „um echte, jedoch unrichtige Dokumente erkennen zu können“, verwies man auf „Korruptionsverdacht bei lokalen syrischen Behörden“. Es müsse sichergestellt sein, „dass niemand nach Österreich kommt, der gefälschte Dokumente verwendet“.

Dies betreffe auch Personen, die eine positive Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl erhalten haben. Bevor das Amt eine solche positive Wahrscheinlichkeitsprognose an die Vertretungsbehörde übermittelt, müssten „sämtliche Zweifel an der Identität und dem angegebenen Familienverhältnis ausgeräumt sein“, begründete man im Innenressort die Neuüberprüfungen „anhand der neuen Kriterien“.

Der Sprecher des Vereins Asylkoordination, Lukas Gahleitner-Gertz, kritisiert im Ö1-Radio, die österreichischen Botschaften hätten mindestens 100 schon fixierte Termine für die Visa-Erteilung abgesagt, 400 Frauen und Kinder seien betroffen. Laut Asylkoordination geht es um rund ein Dutzend Botschaften, in denen Anträge aus Syrien behandelt werden. „Wenn es hier Zweifel im Einzelfall gibt, ist die Behörde natürlich angewiesen, noch einmal genauer zu prüfen. Aber da die Stornierung der Termine quasi im großen Ausmaß passiert, scheint es so, dass es eher politisch motiviert ist, um hier keine Einreisen bis zu der Nationalratswahl zuzulassen“, so der Sprecher. Laut NGO-Vertretern hätten einzelne Familien schon gebuchte Flüge nach Österreich stornieren müssen.

Zu diesem Vorwurf betonte Karner in Luxemburg, es gebe deshalb den Hinweis an die Betroffenen, „nicht zu früh Flüge zu buchen, sondern erst, wenn ein rechtlicher Aufenthalt möglich ist.“ Auch verwies Karner darauf, dass es wichtig sei, generell zu verhindern, dass es zu illegaler Migration kommt. Deswegen brauche es „einen funktionierenden Asyl- und Migrationspakt in Europa, mit funktionierenden Außengrenzen“.

Und auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) wies den Vorwurf der politischen Motivation zurück. Er sei als Bundeskanzler „für die Sicherheit in diesem Land mitverantwortlich“, dafür, dass es eine geordnete Form der Integration gebe und der Staat seine Ordnungs- und Kontrollfunktion ausführen könne, erklärte er vor Journalisten am Donnerstag. Familiennachzug stelle ein „großes Problem“ dar und überfordere Schulen und Kindergärten. Daher brauche es dieses „genaue Hinsehen“. Aus diesem Grund sei von ihm der Auftrag an den Innenminister ergangen, „zu überprüfen ob denn tatsächlich alle, die da kommen, auch wirklich Familie sind“, so Nehammer: „Diese Überprüfungen finden derzeit statt.“ Aus seiner Sicht sei das eine „wichtige und richtige Maßnahme“.

Das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR plädierte unterdessen dafür, Familienzusammenführungen von Flüchtlingen nicht weiter zu erschweren. Durch die Prüfungen würden sich die Verfahren „monatelang verzögern und Familien – oft mit kleinen Kindern – noch länger voneinander getrennt bleiben“, so das Hochkommissariat in einer Aussendung. Im schlimmsten Fall könne dies etwa bedeuten, „dass Familienmitglieder ein weiteres Mal gefährliche Reisen in Krisengebieten zur nächsten österreichischen Botschaft unternehmen müssten oder andere Familien wiederum bereits gebuchte Flugtickets verlieren würden“. DNA-Tests für den Nachweis eines Verwandtschaftsverhältnisses sollten aus Sicht des UNHCR „nur als letzte Maßnahme dann angeordnet werden, wenn es ernsthafte Zweifel oder Anzeichen für betrügerische Absichten gäbe“.

Etwas im Wahlkampf-Modus präsentierte sich zu diesem Thema am Donnerstag ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker: „Während (FPÖ-Chef Herbert, Anm.) Kickl wieder einmal nur redet, handelt unser Bundeskanzler Karl Nehammer“, sagte er am Donnerstag in einer Aussendung. Kickl rede nur „großspurig“, haber aber „selber nichts zustande gebracht“. „Seine Bilanz als Innenminister ist desaströs, außer Symbolpolitik wurden keine echten und nachhaltigen Maßnahmen in der Migrationspolitik gesetzt.“ Und: „Wir werden die Asylbremse noch stärker anziehen, denn man sieht, die Asylbremse wirkt!“

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