Prozess um Wien-Attentat womöglich vor Teil-Wiederholung

Der Terroranschlag vom 2. November 2020 wirkt noch immer nach © APA/KLAUS TITZER

Der Prozess gegen mehrere mutmaßliche Unterstützer des Wien-Attentäters, der Anfang Februar 2023 am Wiener Landesgericht mit lebenslangen Freiheitsstrafen für zwei Angeklagte und langjährigen Haftstrafen für zwei weitere Männer zu Ende gegangen ist, muss möglicherweise in Teilen wiederholt werden. Das legt jedenfalls ein Croquis der Generalprokuratur nahe, zu deren Aufgaben die Erstattung von Stellungnahmen zu Nichtigkeitsbeschwerden in Geschworenengerichtsverfahren zählt.

Wie der Sprecher der Generalprokurator, Martin Ulrich, am Freitag auf APA-Anfrage darlegte, kam die Generalprokuratur bei der Prüfung der von den erstinstanzlich verurteilten Männern eingebrachten Nichtigkeitsbeschwerden zum Schluss, dass einem Rechtsmittel teilweise Berechtigung zukommt. Wie Generalanwalt Ulrich betonte, sei davon der Kern der Anklage – die Begehung terroristischer Straftaten in Verbindung mit Beteiligung am Mord – nicht betroffen. Es geht aber um die Tatbestände der terroristischen Vereinigung sowie der kriminellen Organisation, zu denen das schriftliche Urteil einerseits Feststellungsmängel enthalte bzw. den Geschworenen eine möglicherweise irreführende Rechtsbelehrung erteilt wurde, sagte Ulrich.

Wann der Oberste Gerichtshof (OGH), bei dem das Rechtsmittelverfahren seit Mitte April anhängig ist, über die Nichtigkeitsbeschwerden entscheidet, ist noch offen. Gerichtstag wurde dafür noch keiner anberaumt, hieß es seitens des Höchstgerichts zuletzt gegenüber der APA. Der OGH ist nicht an die Stellungnahme der Generalprokuratur gebunden, im Regelfall werden die Croquis aber beachtet, da sie von ausgewiesenen Expertinnen und Experten erstellt werden.

Falls sich der OGH der Rechtsansicht der Generalprokuratur anschließen sollte, wären in Stattgebung einer Nichtigkeitsbeschwerde und aus diesem Anlass hinsichtlich der terroristischen Vereinigung sowie der kriminellen Organisation die Ersturteile in diesem Umfang bei insgesamt fünf Angeklagten aufzuheben. Eine Neudurchführung der Verhandlung wäre anzuordnen, wobei sich diese auf die Fragen zu beschränken hätte, ob die Männer Teil einer terroristischen Vereinigung und einer kriminellen Organisation waren bzw. eine terroristische Vereinigung sowie eine kriminelle Organisation vorlag.

Nicht mehr verfahrensgegenständlich wären dagegen die Begehung terroristischer Straftaten in Verbindung mit Beteiligung am Mord und Vergehen nach dem Kriegsmaterialgesetz und dem Waffengesetz – die dazu getroffenen erstgerichtlichen Feststellungen sind nach Ansicht der Generalprokuratur nicht mit Nichtigkeit behaftet. Die Nichtigkeitsbeschwerden dazu wären also abzuweisen.

Nach mehrmonatiger Verhandlung hatte am 2. Februar ein Schwurgericht über vier Angeklagte, die laut erstinstanzlicher Entscheidung den Attentäter unterstützt hatten, wegen terroristischer Straftaten in Verbindung mit Beteiligung am Mord zwei Mal lebenslang, ein Mal 20 und ein Mal 19 Jahre Haft verhängt. Zwei weitere Angeklagte wurden zwar vom Vorwurf der Beteiligung am Mord freigesprochen. Sie fassten jedoch wegen Mitgliedschaft in der radikal-islamistischen Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) und Verbreitung von IS-Propagandamaterial jeweils zwei Jahre Haft, davon acht Monate unbedingt, aus.

Was die zentralen Vorwürfe betrifft, wurde ein 24-jähriger mutmaßlicher Islamist für schuldig befunden, den Attentäter von Mai 2020 bis zum Tag des Anschlags im Wissen um dessen Absichten unterstützt, das Anschlagsziel mitausgesucht und Fluchtvorbereitungen getroffen zu haben, indem er gefälschte Papiere besorgte. Er bekam dafür 20 Jahre Haft. Bei einem 29-jährigen mutmaßlichen IS-Anhänger wurde angenommen, dass dieser den Attentäter ab Juli 2020 bis zum Tag des Anschlags in Richtung Tatausführung bestärkt sowie die Tatwaffen samt Munition und weitere Utensilien in der Wohnung des Attentäters vorbereitet hatte. Für ihn setzte es eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Ein 23-Jähriger, der die Abwicklung des Waffen- und Munitionskaufs mitorganisiert und dem Attentäter den Kontakt zum Waffenvermittler besorgt hatte, indem er ihm dessen Telefonnummer übergab, fasste vom Erstgericht 19 Jahre aus. Lebenslang erhielt dagegen ein 33-Jähriger, bei dem die Geschworenen mehrheitlich der Meinung waren, dass dieser dem Attentäter im Juni und im September 2020 die beim Anschlag verwendeten Schusswaffen – ein Sturmgewehr und eine Pistole – samt passender Munition vermittelt und übergeben hatte.

Für die Laienrichter war damit – wenn auch nicht im Rahmen einer terroristischen Vereinigung, von diesem Vorwurf wurde er freigesprochen – der Tatbestand der Beteiligung am Mord erfüllt. Nach Dafürhalten der Generalprokuratur ist dieses Urteil mit keinem Nichtigkeitsgrund behaftet, die Nichtigkeitsbeschwerde des 33-Jährigen wäre dem Croquis zufolge daher ab- und die Berufung gegen die Strafhöhe zur Entscheidung dem Oberlandesgericht (OLG) Wien zuzuweisen.

Das könnte Sie auch interessieren