Raab: „Ja gesagt, weil das Herzensthemen von mir sind“

Ministerin Susanne Raab setzt auf „Integration durch Leistung“ und bei der Frauenpolitik auf den Hausverstand

Die neue Integrationsministerin ist keine Unbekannte in der Szene. Schon seit längerem widmete sich Susanne Raab als Sektionschefin diesem Thema. Nun kann sie selbst die Richtung weisen, in einer Koalition mit den Grünen keine uninteressante Aufgabe. Öffentlich ist Raab bisher kaum bekannt.

Doch die 35-Jährige beschäftigt sich mit Integrationsfragen schon seit den Tagen, als Sebastian Kurz im Innenressort als Staatssekretär diente. Später machte Raab im Außenamt Karriere und war bei ihrem Antritt 2017 Österreichs jüngste Sektionschefin. Zuletzt gehörte sie dem Verhandlungsteam der ÖVP bei den Koalitionsgesprächen an.

Zur.Person

SUSANNE RAAB

Am 7. Jänner wurde Susanne Raab von Bundespräsident Alexander Van der Bellen angelobt — der bisherign Höhepunkt in der Laufbahn der 35-Jährigen. Raab ist im Reiterdorf Ampflwang im Hausruckwald aufgewachsen, lebt nun aber verheiratet in Niederösterreich in der Nähe von Wien. Studiert hat die Juristin wiederum in Innsbruck, Jus und Psychologie. Dort wurde sie auch für kürzere Zeit Uni-Assistentin für Zivilrecht, bevor sie die Ministeriumslaufbahn einschlug. Zuletzt unterrichtete sie nebenbei an der Donau-Uni Krems. Einen Drang nach vorne hatte Raab schon zu Schulzeiten, war sie doch in Vöcklabruck Schulsprecherin und später auch Obfrau der ÖVP-nahen Schülervertretung in ihrem Heimatbundesland. Auch als Wahlhelferin machte sie sich verdient. Soziales Engagement ist Raab nicht fremd. Anfang 20 reiste sie für ein Projekt nach Brasilien, ein Frauenhaus, das sich darum bemüht, Mädchen aus der Straßen-Prostitution zu holen. Bis heute unterstützt sie die Initiative. Ihr neuer Job dürfte keine allzu leichte Aufgabe werden. Die ÖVP gibt ihr quasi als Devise Integration durch Leistung (und Anpassung) mit. Die Grünen haben hier bekanntlich einen etwas anderen Zugang. Ein Mittelweg wird sich wohl finden lassen, es sei denn, die beiden Parteien wollen bei dem emotionalen Thema ihr Profil gerade unbedingt schärfen.

Landeshauptmann Thomas Stelzer verteilte bei ihrer Angelobung Vorschusslorbeeren — als „eine Oberösterreicherin, die in ihrem Heimatbundesland stark verwurzelt ist, sich aber auch über die Landesgrenzen hinweg den Ruf einer absoluten Fachfrau und Expertin erarbeitet hat“, beschreibt er sie. Über ihren Tisch gingen Vorhaben wie das Islamgesetz und das Burka-Verbot. Ihren Zugang zum Integrationsthema, das sie als Sisyphus-Arbeit schildert, beschrieb als „eine große Herausforderung, sowohl die Mehrheitsgesellschaft abzuholen, als auch die Zuwanderer zu fördern“. Für eine rege Diskussion sorgte ihr Vorstoß für eine Kopftuchverbot für Lehrer als „möglichen nächsten Schritt“.

VOLKSBLATT: Wie groß war der Schritt aus der politischen Verwaltung in die politische Gestaltung?

RAAB: Ich bin seit zehn Jahren im Integrationsbereich tätig und Frauenpolitik war schon immer ein Herzensthema. Die größte Änderung ist wohl die Öffentlichkeit, die ein Ministeramt mit sich bringt. Ich freue mich sehr, dass ich nun in meinen Bereichen gestalten darf.

Haben Sie mit einem Angebot, in die Politik zu gehen, gerechnet und mussten Sie lange überlegen, um diesen Schritt zu wagen?

Sebastian Kurz hat mich zwischen Weihnachten und Neujahr bei einem Mittagessen gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte: Ich habe sofort Ja gesagt, weil das Herzensthemen von mir sind.

Sie waren vor Jahren Landesschulsprecherin, hat diese Erfahrung die Entscheidung erleichtert?

Das ist schon sehr lange her und war eine tolle Erfahrung. Mit meiner aktuellen Entscheidung hat das aber nichts zu tun.

Gibt es einen gemeinsamen Nenner für Ihre unterschiedlichen Ressortaufgaben?

Definitiv, die Bereiche Inte- gration und Frauen haben viele Schnittmengen, die eine Verknüpfung dieser Themen sehr sinnvoll machen.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?

Wir haben im Integrationsbereich heute noch mit den Folgen des Flüchtlingsstroms von 2015/2016 zu kämpfen. Und es gibt Tendenzen zu Parallelgesellschaften, die gefährlich sind, und die wir genau beobachten müssen. Der politische Islam hat einfach keinen Platz in Österreich. Im Frauenbereich geht es mir darum, Politik mit Hausverstand für alle Frauen zu machen.

Wie sieht für Sie eine gelungene Integration aus?

Ich werde das Prinzip „Inte- gration durch Leistung“ fortsetzen. Es geht nicht darum, woher jemand kommt, sondern was der- oder diejenige bei uns zu leisten bereit ist. Für mich gilt der Grundsatz „Fördern und fordern“.

Welche Versäumnisse wurden gemacht?

Wenn wir an das Jahr 2015/16 und an die rund 130.000 Asylanträge denken, wird deutlich, dass sich eine Situation wie damals nicht wiederholen darf. Wir stehen heute noch vor der Aufgabe, den Großteil dieser Menschen integrieren zu müssen: im Alltag, im Berufsleben, in allen Bereichen des Lebens. Wenn das nicht klappt, besteht die Gefahr, dass Parallelgesellschaften entstehen und sich gefährliche Ideologien wie der politische Islam ausbreiten.

Sie stammen aus einer ländlichen Region, früher trugen auch dort die Frauen ein Kopftuch. Was macht den Unterschied zum Kopftuch islamisch gläubiger Frauen aus?

Junge Mädchen tragen das Kopftuch nicht freiwillig und jedes Mädchen, das zum Tragen eines Kopftuchs gezwungen wird, ist eines zu viel. Zwölfjährige Mädchen sollen ihre Weiblichkeit nicht verhüllen müssen, weil aus ihnen sonst nie eine selbstbestimmte Frau werden kann. Deshalb wollen wir das Kopftuchverbot bis 14 durchsetzen.

Gehört der Islam zu Österreich?

Der Islam ist eine der 16 anerkannten Religionsgemeinschaften in Österreich. Wichtig ist aber, den Islam als Religion ganz klar vom politischen Islam als Ideologie zu unterscheiden.

Sie leiten das Kultusamt, sind also für alle Religionsgemeinschaften zuständig. Was ist Ihr Arbeitsauftrag?

Die Zusammenarbeit zwischen den Kirchen und dem Staat hat in Österreich eine lange Tradition. Und diese enge Kooperation werde ich auch als zuständige Bundesministerin fortsetzen.

Die Mehrheit der Bevölkerung sind Frauen. Was muss die Politik für sie tun?

Als Frauenministerin will ich Frauenpolitik mit Hausverstand machen und Frauen nicht vorschreiben, wie sie leben sollen. Das heißt für mich, ich werde jede Frau in ihrem Lebensmodell stärken und unterstützen — egal, ob sie Kinder hat oder keine und ob sie berufstätig ist oder nicht. Ich will eine Ministerin für alle Frauen sein.

Sind Quoten ein adäquates Instrument?

Quoten sind kein Allheilmittel. An erster Stelle steht für mich die Qualifikation, nicht das Geschlecht oder woher jemand kommt.

Wie kann die zwischen Männern und Frauen bestehende Einkommensschere geschlossen werden?

Dass Frauen eine Familie und Kinder haben, darf kein Hindernis für Berufstätigkeit und Karriere sein. Als Frauenministerin möchte ich mich zum einen für Lohntransparenz einsetzen, zum anderen aber auch darauf achten, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter verbessert wird.

Sollte Familienarbeit wie ein Erwerbseinkommen behandelt werden?

Die Arbeit in der Familie kann nicht hoch genug geschätzt werden. Und da ist es mir auch wichtig, die Leistung, die immer noch sehr oft von Frauen übernommen wird, vor den Vorhang zu holen. Von der Kinderbetreuung bis zur Pflege. Eine partnerschaftliche Aufteilung ist da ganz entscheidend.

Gewalt gegen Frauen ist fast alltäglich – sind die Männer unbelehrbar? Und welche Maßnahmen wollen Sie setzen?

Gewalt gegen Frauen ist leider ein wirkliches Problem. Mir ist der Schutz von Frauen vor Gewalt deshalb ein wichtiges Anliegen. Wir werden alles tun, damit es da zu Verbesserungen kommt — das hat für mich oberste Priorität.

Wie sehr schlägt Ihr Herz noch für Oberösterreich?

Oberösterreich ist meine Heimat, ich habe dort meine Familie und viele Freunde und bin so oft wie möglich zu Hause.

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