Raab nutzt „Leitkultur“-Studie für Wahlkampftöne

Im von der ÖVP angestrengten „Leitkultur“-Prozess ist am Donnerstag ein erster Zwischenstand präsentiert worden. Integrationsministerin Susanne Raab nutzte die Präsentation, um für eine härtere Gangart gegen „Integrationsverweigerer“ zu werben: Ab Herbst wird der derzeit verpflichtende Wertekurs für Asylberechtigte auf eine Woche verlängert. Wer den nicht besucht, habe mit Kürzungen der Sozialhilfe zu rechnen: „Natürlich erwarte ich mir da die härtest möglichen Konsequenzen.“

Neben dem künftig längeren Wertekurs sind auch Deutschkurse und die Unterzeichnung einer „Integrationserklärung“ Pflicht, wer diese Anforderungen nicht erfülle, soll ebenfalls mit weniger Sozialhilfe auskommen müssen, so Raab. „Ich erwarte mir von den Bundesländern, dass sie das Integrationsgesetz hier umsetzen“, betonte die Ministerin. Den für die Auszahlung verantwortlichen Bundesländern werde das Ministerium „jeden Verstoß melden“. Der Ausbau der Wertekurse werde im Rahmen der bestehenden Ressourcen machbar sein, sagte Raab auf Nachfrage.

Geht es nach der Ministerin, sollte am Ende dieser Wertekurse eine Prüfung stehen. Verschärfungen hätte Raab auch gerne im Staatsbürgerschaftsrecht, da nutzte sie die Forderung nach einem verpflichtenden Staatsbürgerschaftskurs für Wahlkampftöne: „Verschärfungen sehe ich mit dem aktuellen Koalitionspartner nicht“. Auch einen bereits von der ÖVP bekannten Slogan in der Migrationsdebatte nutzte Raab mehrmals: „Integration durch Anpassung“.

Überarbeitet und neu aufgelegt wurde das Regelwerk „Zusammen Leben in Österreich“, das „weit über die Integration hinaus“ Regeln im gemeinsamen Umgang heruntergebrochen erkläre. Der Fokus liege einerseits auf der Gleichberechtigung der Geschlechter, andererseits auf dem Kampf gegen Antisemitismus, der „vermehrt bei jungen Flüchtlingen“ vorkomme, so Raab. Neben den Wertekursen nach Erhalt eines positiven Asylbescheids seien auch die Grundkurse in Asylzentren sowie die Anfang des Jahres präsentierte „Werteklausel“ bei Vereinsförderungen wichtige Maßnahmen.

Die Definition einer österreichischen „Leitkultur“ hat sich die Volkspartei in ihrem „Österreichplan“ zum Ziel gesetzt. Erste Zwischenergebnisse der Ende März angekündigten Studie präsentierte OGM-Prokurist Johannes Klotz: Durch qualitative Interviews, etwa mit der Polizei oder der Jugendarbeit, sei man zu der Erkenntnis gekommen, dass je nach Herkunft der Asylwerber – einerseits das Herkunftsland, aber auch Stadt oder Land – ein Unterschied bestehe. Kein großer Unterschied in der „Wertehaltung“ bestehe hingegen zwischen Zuwanderern erster und zweiter Generation „weil eben die Familie der stärkste Wertevermittler ist“. Im außerfamiliären Bereich spiele vor allem der Arbeitsmarkt eine wesentliche Rolle: 48 Prozent aller Klein- und mittleren Unternehmen im urbanen Raum würden bereits von Personen mit Migrationshintergrund geleitet.

Schwierigkeiten sahen sowohl Klotz als auch Raab bei der Religion, konkret dem Islam. So hätten etwa Polizistinnen berichtet, dass bei einem Einsatz in einer Moschee nicht mit ihnen gesprochen, sondern auf männliche Kollegen gewartet wurde. Auch würden Mädchen aus religiösen Gründen häufig nicht am Schwimmunterricht teilnehmen. „Religionsfreiheit ist natürlich ein Grundrecht, aber das ist nicht grenzenlos“, so Klotz.

Unterschiede seien auch in der Mediennutzung bemerkbar, etwa würde die migrantische Community häufig Fernsehsender aus dem Heimatland rezipieren und sich stärker über Social Media informieren. „Dadurch fehlt eine gemeinsame Öffentlichkeit“. Die gesamte Studie soll Anfang 2025 präsentiert werden.

Bei dem „Leitkultur“-Prozess gehe es um die „Achtung vor staatlichen Normen und Organen“, betonte auch der Leiter des österreichischen Instituts für Familienforschung Wolfgang Mazal. Beispielsweise beinhalte diese eine „Absage an das Dominanzverhalten von Sittenwächtern“, aber natürlich auch „die Akzeptanz von Brauchtümern wie dem Martinsfest“. Letztlich sei es „ein Reflexionsprozess, an dem wir uns alle beteiligen müssen“.

Unbeeindruckt von den von der Integrationsministerin angekündigten Maßnahmen zeigte sich die Opposition. Ein „Nullpaket“ ortet SPÖ-Integrationssprecher Christian Oxonitsch und fordert in einer Aussendung: „Wir brauchen aber ein ganzes Integrationsjahr und nicht nur zwei Tage längere Wertekurse!“. Bereits jetzt könnten 75 Prozent der Sozialhilfe gestrichen werden.

Ähnlich fiel das Urteil von NEOS-Integrationssprecher Yannick Shetty aus. Er begrüßt zwar die angekündigten Werte- und Orientierungskurse, ansonsten hat er der heutigen Präsentation aber wenig Positives abzugewinnen: „Außer die Verantwortung auf die Länder abzuschieben und die Menschen mit leeren Ankündigungen zu blenden, hat die ÖVP in all den Jahren nichts gemacht“, verweist er wie auch Oxonitsch darauf, dass die ÖVP die meiste Zeit dieses Jahrtausends für die Integrationsagenden zuständig war. Einmal mehr bekräftigte er auch die NEOS-Forderung nach einer Wohnsitzauflage.

„Keinerlei Verständnis für diesen Unsinn“ hat hingegen FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz. Er sieht in den Maßnahmen verschwendetes Steuergeld für „illegale Einwanderer“. „Integration ist eine Bringschuld, das Erlernen der deutschen Sprache und das Respektieren unserer Gesetze, Regeln sowie Werte müssen Selbstverständlichkeiten sein“, so Schnedlitz in einer Aussendung.

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