Raab: Radikalisierung ist Gift für das Miteinander

KOALITION - ANGELOBUNG DER REGIERUNG KURZ II
Am 7. Jänner 2020 wurde Susanne Raab als Ministerin angelobt. Die 38-Jährige ist in Ampflwang aufgewachsen, im Juli 2021 wurde sie Mutter eines Sohnes. © APA/Schlager

VOLKSBLATT: Seit drei Jahren sitzen Sie auf der Regierungsbank, schon einmal bereut?

BM RAAB: Nein, es war damals und ist für mich immer noch eine große Ehre für unser Land zu arbeiten und es mitgestalten zu dürfen. Natürlich ist es eine sehr herausfordernde Aufgabe, die auch Höhen und Tiefen mit sich bringt. Kraft geben mir die Zeit mit meiner Familie und meinem kleinen Sohn sowie die vielen positiven Rückmeldungen von Familien, die mir sagen, dass die Maßnahmen die wir setzen, bei ihnen ankommen und ihnen helfen.

Wie viel Spaß macht Ihnen die Politik — noch?

Seit ich Ministerin bin, haben wir vieles für die Menschen auf den Weg gebracht. Um Beispiele zu nennen: Wir haben das höchste Frauenbudget aller Zeiten, wir passen die Familienleistungen an die Inflation an, wir investieren eine Milliarde in die Kinderbetreuung. Und das bringt auch Freude an der Arbeit.

Was war das Highlight? Und was würden Sie im Nachhinein anders machen?

Ein Highlight ist sicher, dass wir ab 1. Jänner die Familienleistungen an die Inflation anpassen. Das bringt Menschen mit Kindern Jahr für Jahr mehr Geld und ist ein absoluter Meilenstein in Österreichs Familienpolitik — etwas, das diese Regierung weit überdauern wird. Ich bin auch dankbar, dass es gelungen ist, mehr Budget für die Kinderbetreuung aufzustellen und auch die Gewaltschutzzentren als Zufluchtsort für Mütter und Kinder, die Opfer von Gewalt werden, auszufinanzieren. Rückblickend würde ich ehrlich gesagt aber sicher die eine oder andere Entscheidung anders treffen — wir haben einfach viel Neuland betreten durch zahlreiche unvorhersehbare Krisen.

Ihr Ressort ist mittlerweile äußerst umfangreich. Von Integration über Religion bis zu Familie. Verliert man da den Überblick oder findet man Synergien?

Tatsächlich ist mein Ressort stetig gewachsen und sehr breit gefächert, mit vielen zentralen gesellschaftspolitischen Themen. Es ist in jedem Bereich wirklich viel Arbeit, aber ich bin ja nicht alleine, sondern umgeben von tollen Teams in der Verwaltung und in meinem Stab.

Wie gut laufen die Integrationsmaßnahmen für ukrainische Flüchtlinge?

Wir haben schnell gehandelt, um für die Vertriebenen aus der Ukraine die Erstversorgung zu gewährleisten. Da waren etwa die Mobilen Servicepoints sehr hilfreich, die wir als Erstanlaufstellen eingerichtet haben, um Unterstützung und Information zu bieten. Im Frühjahr haben wir dann auch gesetzliche Anpassungen vorgenommen, damit die Menschen Deutschkurse in Anspruch nehmen können und ihre mitgebrachten Qualifikationen anerkennen lassen können. Jetzt sind wir in einer zweiten Phase, und da geht es darum, dass sich die Menschen in den Arbeitsmarkt integrieren. Um die Menschen direkt mit Unternehmen zu matchen, hat der Integrationsfonds etwa die Karriereplattformen ins Leben gerufen. Dabei kann man sich direkt vor Ort bei namhaften Unternehmen wie POST und IKEA für Jobs bewerben. Eines ist dabei aber auch klar: Die Menschen müssen die zahlreichen Chancen am Arbeitsmarkt auch nützen und gleichzeitig Deutsch lernen, und wenn Sie mich fragen, lässt sich das auch verbinden. Denn Sprache erlernt man am besten, zusätzlich zum Deutschkurs, am Arbeitsplatz.

Gerade aus der Ukraine kommen viele Frauen und Kinder. Braucht es deswegen andere Angebote?

Ja, hier braucht es spezielle Angebote. Wir bieten z. B. Deutschkurse mit Kinderbetreuung an und haben Förderaufrufe in Höhe von 1,6 Millionen Euro für Integrationsprojekte für Vertriebene gestartet. Hier liegt der Fokus, neben vorbereitenden Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration inklusive Unterstützung bei Berufsanerkennung und Jobcoaching, auch auf der Hilfe bei Wohnraumsuche und Unterkunft, besonders für Frauen mit Kindern sowie Schwangeren. Der Integrationsfonds hat außerdem ein eigenes Frauenzentrum eingerichtet und wir haben Flyer auf Ukrainisch übersetzt, um geflüchtete Frauen zu Hilfsangeboten bei Gewalt zu informieren.

Wie gefährlich ist der politische Islam in Österreich?

Jede Form von Extremismus ist gefährlich. Und es wäre fahrlässig, wenn man aus falsch verstandener Toleranz heraus vor gewissen extremistischen Strömungen die Augen verschließt. Radikalisierung und Extremismus sind Gift für das Miteinander und den Zusammenhalt und dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Egal aus welcher Richtung sie kommen. Im Integrationsbereich ist das eben primär der Islamismus und dieser stellt auch eine Gefahr für all jene friedlichen Muslime dar, die im Einklang mit unseren Werten leben. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir gesamtstaatlich gegen diese Probleme vorgehen und Maßnahmen in allen Bereichen setzen, um konsequent gegen Parallelgesellschaften, Abschottung und radikale Ideologien vorzugehen.

Auf der anderen Seite: Ist der Österreicher islamophob?

Nein, das denke ich nicht. Dort, wo die Religion für extremistische Zwecke missbraucht wird, Frauen unterdrückt werden oder Werte transportiert werden, die wir in Europa nicht haben wollen, muss man die Dinge beim Namen nennen dürfen. Sonst kann man sie nicht bekämpfen. Dort, wo Menschen allein wegen ihrer Religion diskriminiert werden, greifen der Rechtsschutz in Österreich und gute, unabhängige Institutionen, die Opfer von Diskriminierung schützen.

Auch in Österreich sind Frauen und Familien unter Druck, nach Corona macht nun die Teuerung Sorgen. Was tut die Politik? Und was könnte noch kommen?

Wir haben zu Beginn der massiven Teuerungswelle rasch reagiert, um den Familien und Alleinerziehenden, die davon besonders betroffen sind, unter die Arme zu greifen. Wir haben den Familienbonus auf 2000 Euro sowie den Kindermehrbetrag von 250 auf 550 Euro erhöht und vorgezogen. Im August letzten Jahres gab es eine Sonderfamilienbeihilfe in Höhe von 180 Euro und im Oktober den Anti-Teuerungsbonus in Höhe von 500 für Erwachsene und 250 Euro pro Kind. Besonders freue ich mich darüber, dass wir die Familienleistungen ab heuer an die Inflation anpassen, dadurch haben Familien ab 1. Jänner mehr im Geldbörserl. Das wird ihnen langfristig helfen. Und ich lade gerade in diesem Zusammenhang wirklich alle ein auch den Blick in andere europäische Länder zu werfen. Da wird man sehr schnell merken, dass Österreich enorm viel tut im Kampf gegen die vielfältigen Krisen, mit denen wir konfrontiert sind.

Als Frauenministerin: Wie sehr ärgert es Sie, dass es noch immer einen „Equal Pay Day“ braucht und welches Datum wird dieser heuer haben?

Es ist leider immer noch so, dass Frauen durchschnittlich weniger verdienen als Männer. Das hat verschiedene Gründe. Der Equal Pay Day hat sich in den letzten Jahren auch in die richtige Richtung bewegt aber es gilt, diese Entwicklung konsequent weiter voranzutreiben. Damit Frauen die Wahl haben, rascher wieder in den Beruf einzusteigen, investieren wir etwa in den Ausbau der Kinderbetreuung. Wir wollen Frauen außerdem stärken, in besser bezahlte Branchen, wie den MINT-Bereich, zu gehen. Dieses Empowerment ist einer der Schwerpunkte des Frauenbudgets für 2023, das wir nach jahrzehntelangem Stillstand und Kürzungen innerhalb weniger Jahre auf 24,3 Millionen Euro mehr als verdoppelt haben. Außerdem ist mir das automatische Pensionssplitting ein großes Anliegen: da viele Frauen von Altersarmut betroffen sind, müssen wir das automatische Pensionssplitting umsetzen. Ein dementsprechender Gesetzesentwurf liegt bereits beim Koalitionspartner.

In Kürze wird sich die Regierung zu einer Klausur zurückziehen. Was erwarten Sie sich und wie gut ist das Klima in der Koalition?

Bei allen Herausforderungen und multiplen Krisen haben wir schlichtweg viel umgesetzt und geschafft. Ich freue mich auf die Klausur und die weitere Zusammenarbeit im kommenden Jahr, denn es gibt immer noch viel zu tun.

Ihr Sohn ist mittlerweile eineinhalb Jahre alt. Wie vereinbar ist Politik mit Familie? Welche Abstriche muss man machen?

Ja, es braucht klarerweise Abstriche. Ich will niemandem erzählen, dass das alles ganz einfach ist. Aber es geht. Bei uns zu Hause ist es so, dass mein Mann ein Jahr in Karenz war und wir alle einen Beitrag leisten, z. B. zum Haushalt und zur Organisation des Familienlebens, damit wir gemeinsam als Familie funktionieren und es allen gut geht. Wir haben einmal in der Woche eine Lagebesprechung, wir schauen, was steht an und wie gehen wir es an, so dass wir auch Familienzeit haben und Zeit mit unserem Sohn verbringen. Eine Herausforderung ist es dennoch jeden Tag, das steht außer Frage.

Welche Vorsätze haben Sie für 2023?

Ich möchte auch im neuen Jahr durch konstruktive Zusammenarbeit gute Arbeit für die Menschen in unserem Land leisten und den Fokus auch wieder mehr auf das Positive lenken. Ich erlebe als Ministerin im täglichen Austausch mit den Menschen so viel Positives — das gibt mir auch Kraft für die Arbeit.

Die Fragen an Familien-, Frauen- und Integrationsministerin SUSANNE RAAB stellte Herbert Schicho

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