
Die Umgang Österreichs mit Corona-Tests wird vom Rechnungshof (RH) in einem aktuellen, der APA vorliegenden Rohbericht zerpflückt. Mindestens 5,2 Mrd. Euro wurden für Covid-19-Tests bis Ende 2022 ausgegeben. Allein bis Ende März 2022 wurden – noch ohne Wohnzimmertests – mindestens 306,4 Mio. Tests durchgeführt. Über verschiedene Kanäle wurde 16-mal mehr getestet als in Deutschland, und „der konkrete Nutzen dieser Vielfalt an Testangeboten blieb ungeklärt“, so die RH-Kritik.
Das Gesundheitsministerium hielt dem entgegen, dass die Entscheidung für das Testprogramm in einer Phase der Pandemie gefallen sei, in der davon eine erhebliche Reduktion der Neuinfektionen erwartet worden sei. Deshalb sei über die Screeningprogramme der Länder, Tests in Betrieben und Schulen eine möglichst breite Abdeckung angestrebt worden, heißt es in einer Stellungnahme von Dienstagnachmittag.
Nachdem sich die hochansteckende Omikron-Variante in Österreich durchgesetzt hatte, sei Testen als Maßnahme gegen Neuansteckungen nur mehr eingeschränkt zielführend gewesen. Die Bundesregierung habe deshalb die Zahl der kostenlosen Tests vor mehr als einem Jahr deutlich reduziert. Die Kosten seien dadurch erheblich gesunken.
Die Prüfer konzentrierten sich auf die Jahre 2020 und 2021 und die Tests im Bereich von Gesundheitsministerium und den Ländern Wien und Niederösterreich. Dass neben dem Gesundheitsressort und den Ländern noch drei weitere Ministerien Tests in größerem Ausmaß durchführten, entstand eine Vielfalt, die eine Steuerung und Abstimmung des Gesamtangebots erschwerte, so die Kritik. Aufgrund fehlender Daten sei es zudem weder möglich gewesen, das Kosten-Nutzen-Verhältnis verschiedener Testangebote zu analysieren, noch fundiert über deren Limitierung zu entscheiden. Auch die wissenschaftliche Beurteilung, speziell der internationale Vergleich, sei zur Zeit der Gebarungsprüfung noch nicht abgeschlossen gewesen, hieß es in dem Papier, über das auch die „Kronen Zeitung“ online berichtete.
Angeführt wird im Bericht Kritik an dem 40 bis 50 Mio. Euro teuren ersten Antigen-Massentest im Herbst 2020, bei dem 0,21 Prozent der Probanden positiv getestet wurden und an dem auch das Gesundheitsministerium zweifelte, aber auch an den Gurgeltests in Wien. Von den hier bis März 2022 gelieferten mehr als 65 Millionen Testkits seien 4,04 Millionen (entspricht sieben Prozent) bereits als nicht auswertbar verworfen worden, weil das Haltbarkeitsdatum überschritten war oder der Test zwar begonnen, aber nicht abgegeben wurde – und das bei einem Durchschnittspreis von rund fünf Euro pro Testkit.
Die Stadt Wien hätte hier mehr Druck machen müssen, dass die Tests tatsächlich verwendet werden, meinte der RH, etwa durch Bindung des Bezugs an den Verbrauch vorher bezogener Einheiten. Die Rücklaufquote betrug in der Bundeshauptstadt anfangs 23 Prozent, fünf Monate später stieg sie auf 41 Prozent. Noch schlechter die Zahlen in Niederösterreich: Hier waren es zunächst sogar nur vier, später dann 31 Prozent.
Die zentralen Empfehlungen des Rechnungshofs: Das Gesundheitsressort sollte seine Zuständigkeit für die Pandemiebewältigung wahrnehmen. Es sollte darauf hinwirken, dass nicht andere Stellen die betreffenden Entscheidungen treffen und dann Maßnahmen setzen, die mit der eigenen Teststrategie nicht konform gehen. Das lange durchgehaltene massenweise Testen in Österreich stellt der RH grundsätzlich infrage. „Beim Testen wäre der zielgerichtete, risikoorientierte Ansatz zu verfolgen und auszubauen“, so die Prüfer wörtlich: „Bevölkerungsweite Tests wären zusätzlich zu diesem Ansatz nur abhängig von der epidemiologischen Lage und unter Zugrundelegung von Kosten-Nutzen-Aspekten im Vergleich zu den Surveillance-Programmen anzubieten.“
Wünschenswert wäre aus RH-Sicht ein an die epidemiologische Lage angepasstes, abgestimmtes Testangebot mit einem ausgewogenen Kosten-Nutzen-Verhältnis. Dafür braucht es nach Ansicht der Prüfer fundierte strategische Grundlagen, Daten für Monitoring und Evaluierung sowie die Steuerung der Testangebote durch Mindeststandards, Vorgaben und eine Abstimmung zur Vermeidung von Parallelstrukturen und Mehrfachtestungen.
In der Historie des Corona-Testens kritisiert der Rechnungshof unter anderem, dass das Gesundheitsministerium Anfang 2021 keine Mindeststandards für die Umsetzung vorgab, als ein bevölkerungsweites, niederschwelliges Testangebot beschlossen worden war. Die Länder gingen dann unterschiedlich vor: Gurgeltests in Wien, in Niederösterreich anfangs eher Antigen-Tests. Zusätzlich gab es Test in Apotheken, bei Ärzten, im Tourismus, an Schulen, aber auch in Betrieben. All das sei nicht abgestimmt gewesen, das Gesundheitsressort habe nicht einmal Daten über die Anzahl der durchgeführten Tests ermitteln können. „Dieser Mangel an qualitätsgesicherten Daten erschwerte es, das Testgeschehen zu steuern und seinen Einfluss auf die epidemiologische Lage zu beurteilen“, heißt es. Auch etwaige Parallelstrukturen und Mehrfach-Testungen seien dadurch begünstigt worden.
Im Laufe des Jahres 2021 änderte das Ressort seine Strategieüberlegungen innerhalb weniger Monate mehrmals, eine neue Teststrategie wurde aber erst im April 2022 veröffentlicht. „Den Ländern war keine vorausschauende Planung möglich, auch weil das Gesundheitsministerium keine langfristigen Zusagen für Projekte zur Ausweitung von PCR-Tests in den Ländern machte“, so der RH weiter. Die Länder begannen dann, ein bevölkerungsweites PCR-Gurgeltest-Angebot zur Eigenanwendung auszubauen. Der Bund trug die Testkosten nahezu unbeschränkt und analysierte nicht, welche Art von Tests im Durchschnitt wie viel kosteten.
Aufgrund der Ausbreitung neuer Virusvarianten änderten sich die Rahmenbedingungen. Im April 2022 kehrte das Gesundheitsministerium dann zum risikoorientierten Testen zurück. Mit dem Abwassermonitoring wurde ein alternatives Surveillance-Programm verfolgt. Allerdings gab es auch hier keine österreichweiten Vorgaben, was die Vergleichbarkeit der Ergebnisse und deren Einbeziehung in das nationale Monitoring erschwerte, so der RH.
Die FPÖ sah sich durch den Bericht bestätigt. Die Millionen Corona-Tests seien nicht zielführend und signifikant, sondern vernichteten nur schwer erarbeitetes Steuergeld, das im Gesundheitssystem fehlen werde, so FP-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak in einer Aussendung. Schuld an diesem Chaos trage laut RH vor allem das grün-geführte Gesundheitsministerium. Zudem decke der Rechnungshof auch auf, dass in Wien vier Millionen Testkits gar nicht ausgewertet wurden, was allein schon einen Schaden von etwa 20 Millionen Euro verursacht habe. Kaniak ortete „Stümperei auf Kosten der Steuerzahler und auf Kosten unseres Gesundheitswesens“.