Hartinger-Klein verteidigt in SPÖ-FPÖ-Ausschuss Kassenreform

Hartinger-Klein verteidigte die Sozialversicherungsreform © APA/ALEX HALADA

Ex-Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hat ihre Kassenreform am Mittwoch vor dem von der ÖVP eingesetzten U-Ausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ verteidigt. Vorwürfe, sie habe Dokumente dazu als „Privatakten“ an das Staatsarchiv übergeben, wies sie zurück. Neben der Fusion hatten die Spionageaffäre um den ehemaligen Verfassungsschützer Egisto Ott und die Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) den Sitzungstag dominiert.

Die Sozialversicherungsreform „war und ist die richtige Entscheidung“, verteidigte sich Hartinger-Klein gegen die Kritik der Fusion. Das Ziel sei gewesen, gleiche Leistungen bei gleichen Beiträgen zu bieten. Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) rechne nun mit einer „schwarzen Null“, es seien ausreichende Mittel vorhanden. Die Patientenmilliarde sei „Marketing-Wording“ gewesen, die nicht in „Cash“, aber durch Mehrleistungen bei den Versicherten angekommen sei. Laut einem Rechnungshofbericht von 2022 hatte die Reform 215 Millionen Euro an Kosten verursacht, statt die versprochenen Einsparungen von einer Milliarde zu bringen.

Lesen Sie auch

Die Akten können jedenfalls nicht von ihr an das Staatsarchiv übergeben worden sein, sagte Hartinger-Klein. Diese seien nämlich erst nach ihrer Amtszeit fertiggestellt und dann von einer Anwaltskanzlei an das Ministerium übermittelt worden. Sie habe Akten gemäß dem Bundesarchivgesetz an das Staatsarchiv übermittelt, dabei habe es sich aber nicht um „Privatakten“ gehandelt. Das Gesetz gehöre geändert, meinte die Ex-Ministerin. Auch seien in ihrem Ministerium keine Akten geschreddert worden.

Zu Ende ging die Befragung der ehemaligen Sozialministerin und letzten Auskunftsperson des Tages dann mit dem Thema Inserate. Nur einmal sei sie in deren operative Schaltung involviert gewesen, nämlich als es darum ging, ob in „alles roger?“ geschalten werden solle. Sie habe verneint, da sie keine „freiheitlichen Medien“ unterstützen wollte. Andere FPÖ-geführte Ministerien der türkis-blauen Regierung hatten in rechten Medien inseriert.

Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker war am frühen Nachmittag ebenso zur Fusion der Sozialversicherungsträger befragt worden. Sie stützte sich dabei auf einen Prüfbericht des Rechnungshofes (RH) von 2022. Auf die als „Privatakten“ an das Archiv gelieferten Dokumente, wie es im Bericht heißt, hatte der RH bei seiner Prüfung keinen Zugriff. Die Lieferung von Akten an das Staatsarchiv sei zwar im Bundesarchivgesetz geregelt, erinnerte Kraker, der RH erwarte aber, dass Ministerien Informationen über Vergabeverfahren erteilen können. Die Übergabe gewisser Akten an das Staatsarchiv sei für den RH nicht nachvollziehbar gewesen.

Video
Ich möchte eingebundene Social Media Inhalte sehen. Hierbei werden personenbezogene Daten (IP-Adresse o.ä.) übertragen. Diese Einstellung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft in der Datenschutzerklärung oder unter dem Menüpunkt Cookies geändert werden.

Der mit Spionagevorwürfen konfrontierte Ott stand zuerst im Fokus der Befragung der früheren Leiterin des Extremismusreferats des BVT. Die Verfahrensrichterin hatte eingangs allerdings „Erwartungshoffnungen“ gedämpft: Russland und Spionage seien keine zulässigen Themen. Weder Jan Marsalek, noch Russland, noch Egisto Ott kommen im Einsetzungsverlangen des U-Ausschusses vor, meinte Christa Edwards, die die Fragen einzeln auf ihre Zulässigkeit beurteilte, was zu langen Diskussionen unter den Abgeordneten führte.

Zum Thema könnte man einen eigenen U-Ausschuss starten, meinte Vorsitzender Wolfgang Gerstl (ÖVP), der am Mittwoch Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) vertrat. Einen solchen wünschen sich die Grünen explizit. „Egisto Ott kann auch geladen werden“, sagte Gerstl in Richtung der Fraktionen. Die NEOS wollen das laut einem Antrag, der der APA vorliegt, auch tun. Ebenso wollen sie den ehemaligen FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus und den ehemaligen Generalsekretär der österreichisch-russischen Freundschaftsgesellschaft Florian Stermann laden.

Sie kenne Egisto Ott „natürlich“ persönlich, meinte die Beamtin. Sie habe sich mit ihm mit der Einflussnahme Russlands in die österreichische Politik und Wirtschaft nach der EU-Ostöffnung beschäftigt. Keine Wahrnehmung habe sie dazu, wie Ott in die geplante Umstrukturierung des BVT involviert gewesen sei. Die ÖVP hatte kürzlich ein Organigramm entdeckt, nachdem Ott die Koordinierungsstelle in einem der Referate des BVT nach dessen damals geplanter Neuaufstellung hätte leiten sollen.

Zu anderen Fragestellungen wiederholte die pensionierte Beamtin großteils Vorwürfe, die sie bereits beim BVT-U-Ausschuss geäußert hatte. Ob von der FPÖ Akten aus dem BVT angefordert worden waren, wollte NEOS-Fraktionsführer Yannick Shetty wissen. Es habe zuvor keinen Generalsekretär gegeben, danach sei vieles neu gewesen, meinte die Beamtin. So hätten etwa Akten zur Identitären Bewegung geliefert werden müssen. Generalsekretär im Innenministerium war damals Peter Goldgruber.

Thema war schließlich auch die Razzia im BVT 2018. Danach sei sie Zeugin gewesen, habe sich aber gefühlt wie eine Beschuldigte, sagte die pensionierte Beamtin, deren Raum durchsucht worden war. Danach seien „sehr viele Umstände eingetreten“, bei denen sie sich gefragt habe, ob es sich dabei um Gefälligkeiten für die nationalsozialistisch ideologisierte Szene gehandelt habe. So sei etwa das Zimmer eines Kollegen, der Rechtsextreme überwacht und später einen höheren Posten erhalten hatte, nicht geöffnet worden. Nach der Hausdurchsuchung habe sie außerdem ein Dokument vermisst. Dabei sei es um ein Mail mit einer Einladung des verurteilten Rechtsextremen Gottfried Küssels in ein Lokal gegangen, auch jemand mit einer Polizei-Mailadresse sei im Verteiler gewesen. Natürlich seien „überall Vertrauensleute reingekommen“, sagte die Befragte außerdem zu einer von den Grünen vermuteten „Umfärbung“ des BVT. Einen Vertrauensvorschuss bekomme aber jeder Kollege.

Den Versuch der ÖVP, die Finanzcausa der FPÖ Graz im U-Ausschuss zu thematisieren, hat Verfahrensrichter Wolfgang Köller nicht zugelassen. Dieser sei nicht Teil der Bundesvollziehung und somit auch nicht Teil des Untersuchungsgegenstands.

Am Donnerstag folgt schließlich FPÖ-Chef Herbert Kickl selbst als Auskunftsperson, worauf sich vor allem ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger im Zusammenhang mit Ott freut, denn: Entweder habe der frühere Innenminister von den Vorgängen gewusst, „dann ist es ein riesengroßer Skandal“. Wenn nicht, „ist es genau so ein Skandal“.

Das könnte Sie auch interessieren