Stephansdom-Anschlagspläne-Verdächtige nicht mehr in U-Haft

Im Zusammenhang mit den angeblichen Anschlagsplänen gegen den Stephansdom und den Kölner Dom, die vor Weihnachten zu Festnahmen mehrerer Terrorverdächtiger in Wien und in Deutschland geführt hatten, ist hinsichtlich der vier Hauptverdächtigen am Donnerstag auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Wien die U-Haft aufgehoben worden. Das bestätigte die Sprecherin des Landesgerichts, Christina Salzborn, der APA. Die vier Beschuldigten befinden sich jedoch nicht auf freiem Fuß.

Die U-Haft sei deshalb aufgehoben worden, weil die Anklagebehörde nicht mehr von dringendem Tatverdacht ausgehe. „Aber selbstverständlich wird weiter wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung ermittelt“, betonte Judith Ziska, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft gegenüber der APA. Zunächst hatte „Puls 24“ über die Anordnung der Staatsanwaltschaft auf Beendigung der U-Haft berichtet.

Wie das Innenministerium auf Anfrage der APA mitteilte, wurden die vier unmittelbar nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft festgenommen und befinden sich derzeit in einem Polizeianhaltezentrum (PAZ). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) hat nun 72 Stunden Zeit, die Schubhaft zu verhängen. Sollten die Voraussetzungen vorliegen und die Schubhaft verhängt werden, würden die Abschiebungen vorbereitet. „Das kann dann schnell gehen“, hieß es aus dem Innenministerium.

Seit mehreren Monaten hatten sich die vier Beschuldigten – ein in Deutschland gemeldeter 30 Jahre alter Tadschike, ein um zwei Jahre jüngerer Landsmann, dessen 27 Jahre alte, ursprünglich aus der Türkei stammende Ehefrau und ein 40 Jahre alter Mann aus Dagestan – in U-Haft befunden. Gegen die vier und drei weitere Beschuldigte wird von der Staatsanwaltschaft wegen terroristischer Vereinigung (§278b StGB) in Verbindung mit terroristischen Straftaten (§278c StGB) ermittelt. Es besteht der Verdacht, diese könnten eine Terror-Zelle der radikalislamistischen Gruppierung „Islamischer Staat Provinz Khorasan“ (ISPK) gebildet haben. Allerdings waren zuletzt Grabungsarbeiten nach einem möglichen ISPK-Waffenlager in einem Waldstück bei Sieghartskirchen (Bezirk Tulln) und in einer Schlucht in Hinterbrühl (Bezirk Mödling) erfolglos verlaufen. Es konnten nur Blechteile und Draht, aber kein die Verdachtslage stützendes Beweismaterial gefunden werden.

„Nach den Grabungsarbeiten wurde die Beweislage neu bewertet“, teilte dazu die Sprecherin der Staatsanwaltschaft mit. Dazu sei man bei einem laufenden Ermittlungsverfahren verpflichtet. „Aus unserer Sicht reicht die Beweislage derzeit nicht aus, um weiter den dringenden Tatverdacht aufrecht zu erhalten“, meinte Judith Ziska im Gespräch mit der APA.

Der 30-jährige Tadschike gilt als Hauptverdächtiger. Er war auf Basis eines Europäischen Haftbefehls am 24. Dezember 2023 im deutschen Wesel am Niederrhein festgenommen worden und wurde in weiterer Folge an die Wiener Justiz ausgeliefert. Sollte über ihn die Schubhaft verhängt werden, würde er nach Deutschland abgeschoben werden. Gesichert ist, dass er im Jahr 2018 in seiner Heimat wegen terroristischer Aktivitäten zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. In Wien wurde er Ende des Vorjahrs dabei observiert, wie er den Stephansdom in einer für Touristen untypischen Weise filmte, auf Überwachungskameras überprüfte und das Gemäuer abklopfte. Er soll obendrein Fotos und Videoaufnahmen vom Prater – womöglich ein weiteres potenzielles Anschlagsziel der ISPK-Zelle – angefertigt haben. Er dürfte aber nicht nur terroristische Absichten verfolgt haben: mittlerweile konnte auch erhoben werden, dass der Mann im Oktober und November 2023 mit einer Kontaktperson mindestens fünf Telefonate führte, in denen von einem Raubüberfall, einer erpresserischen Entführung und einem Mord gegen Entgelt die Rede war.

Bereits am 10. Mai in die Freiheit entlassen wurde indes jener 17-Jährige, der im September vergangenen Jahres am Wiener Hauptbahnhof einen Terroranschlag verüben wollte, in letzter Sekunde aber davon abgesehen hatte. Diesen Rückzug vom Versuch gestand ihm das Gericht auch zu, weshalb er Mitte April lediglich wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu zwei Jahren – davon acht Monate unbedingt – verurteilt wurde. Unter Anrechnung der U-Haft hatte er den unbedingten Strafteil vor knapp zwei Wochen abgesessen. Seit 10. Mai ist er in einer betreuten Wohngemeinschaft in Wien-Simmering untergebracht.

„Es geht ihm gut. Es ist natürlich eine Umstellung, er war jetzt länger eingesperrt“, sagte sein Anwalt David Jodlbauer zur APA. Die Kinder- und Jugendhilfe habe Kontakt zu ihm aufgenommen und „bringt sich ein“. So soll ein möglicher Wohnplatz in der Steiermark zur Verfügung stehen, wohin der 17-Jährige mit Anfang Juni übersiedeln könnte. Aufgrund justizieller Weisungen muss sich jedenfalls einer Psychotherapie, einem Deradikalisierungsprogramm beim Verein Derad und einem Anti-Gewalt-Training unterziehen. Auch Bewährungshilfe wurde ihm beigestellt.

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