Weiter fremdeln mit Österreich

Neue Studie zu Wiener Moscheen: Etwas Licht, viel Schatten, wenig Beiträge zur Integration

Islamisches Zentrum Wien-Floridsdorf: Hier wird auch auf Deutsch gepredigt. Viele Wiener Moscheen haben das nicht zu bieten. © APA/Gindl

„Eine emotionale Verbundenheit mit der österreichischen Gesellschaft war in keiner der untersuchten Moscheen zu beobachten und auch kein auf Österreich gerichteter Heimatbezug“ — zu diesem Schluss kommt eine vom Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) herausgegebene Studie über Wiener Moscheen [PDF].

Historiker und Islamismusexperte Heiko Heinisch, Jurist Imet Mehmedi und Migrationsforscher Zoltan Peter gehen darin der Frage nach, was sich seit der im Herbst 2017 veröffentlichten Studie „Die Rolle der Moschee im Integrationsprozess“ verändert hat? Analysiert wurden 53 Predigten, die 2020 in 14 Moscheen aufgezeichnet wurden.

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Öfter deutschsprachig

Gleich vorweg: Es gibt Lichtblicke. Die einzige rein deutschsprachige Moschee, welche die Forscher 2017 besuchen konnten, existiert zwar nicht mehr, dennoch gibt es „erste Anzeichen“ für eine vermehrte Verwendung der deutschen Sprache — vor allem dort, wo bewusst ein multiethnisches Publikum angesprochen wird.

Dennoch: „Moscheen, in denen auf deutsch gepredigt wird, sind die große Ausnahme“, heißt es in der Studie. Einzig das Islamische Zentrum in Floridsdorf, Österreichs größte Moschee, bietet die komplette Predigt zweisprachig (Arabisch und Deutsch) an. In drei türkischen Moscheen wird zumindest teilweise Deutsch gepredigt.

Der Beitrag der weitgehend nach ethnischer Herkunft sortierten Moscheen zur Integration hält sich auch aufgrund der gepredigten Inhalte in Grenzen.

Wenige liberale Predigten

31 Predigten „zeichneten sich durch eine traditionell-konservative Auslegung der islamischen Quellen aus“, so die Studie. Nur in zwölf Predigten konnte eine offene Auslegung der Quellen beobachtet werden. Neun Predigten wurden als fundamentalistisch gewertet. 26 Predigten zeugten „von einer sozial-kulturell weitgehend verschlossenen Einstellung“. Acht Predigten wurden als segregierend (absondernd, Anm.) bewertet. Dezidiert politische Inhalte fanden sich in 25 Predigten. Nur fünf davon wurden als demokratisch und liberal eingestuft. 13 Predigten waren zwar demokratisch, aber illiberal und sieben undemokratisch und illiberal.

Auf einer von den Studienautoren erstellten Integrationskala hat sich das Ergebnis im Vergleich zu 2017 „etwas verbessert“. „Dennoch konnte keine der untersuchten Moscheen die Stufe der Identifikation (mit Österreich, Anm.) erreichen.“ Die sprachliche Abschottung sei meist mit einem, wenn auch unterschiedlich ausgeprägten, Bezug auf das Heimatland verbunden.

Abwertung anderer

In fünf der 14 Moscheen „ist eine explizite Überhöhung der islamischen Gemeinschaft (Umma) zu bemerken, die mit der Abwertung des Rests der Gesellschaft gegenüber dieser Gemeinschaft einhergeht“. Bei diesen Moscheen handelt es sich um vier türkische und eine arabische. So wurden in dem der Muslimbruderschaft nahestehenden arabischen Gebetshaus fünf der sechs analysierten Predigten als undemokratisch, illiberal, intolerant und segregierend bewertet.

„Über die Predigten wird Misstrauen und Feindschaft gegenüber der nicht-muslimischen Mehrheitsgesellschaft aufgebaut“, heißt es dazu in der Studie. Der österreichische Staat werde „als Feind der Muslime beschrieben“. Auffallend: Die einzige Predigt, die von diesem Schema etwas abwich, wurde im November 2020 wenige Tage nach dem Terroranschlag in Wien und den Hausdurchsuchungen gegen mutmaßliche Muslimbrüder gehalten. Die Studie mutmaßt, die vergleichsweise harmlose Predigt war „dem Umstand geschuldet, dass man sich beobachtet fühlte“.

Verschwiegene Vereine

Die Autoren warnen allerdings vor falschen Schlussfolgerungen. Die Studie erlaube „keine Rückschlüsse auf das Integrationsverhalten der einzelnen Mitglieder oder Besucher/innen der verschiedenen Moscheen“. Die Untersuchung war ausschließlich auf die Moscheevereine selbst ausgerichtet und auf die von diesen verbreiteten Inhalte in Predigten, auf Facebook und Webseiten der Vereine.

Die Frage, warum in den Moscheen nicht stärker eine Identität als österreichische Muslime beworben wird, konnten die Studienautoren den Verantwortlichen allerdings nicht stellen. Sämtliche Moscheevereine hatten das Ersuchen um eine Befragung der Imame und Vereinsfunktionäre abgelehnt bzw. nicht beantwortet. Einige Funktionäre begründeten ihre Absage mit einer Vorgabe der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ).

Von Manfred Maurer

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