Nepp mit 99,5 Prozent als Wiener FPÖ-Chef wiedergewählt

Der Wiener FPÖ-Parteitag wurde als Wahlkampfbühne genutzt. © APA/GEORG HOCHMUTH

Die Wiener FPÖ hat am Samstag ihren Obmann Dominik Nepp mit 99,5 Prozent bestätigt. Die Blauen nutzten den Parteitag in der Messe Wien aber vor allem als Wahlkampfbühne im Superwahljahr: Bundesparteichef Herbert Kickl wetterte gegen die Konkurrenz als „gegnerische Einheitspartei“, während EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky einen blauen EU-Kommissar „für Remigration“ forderte. Nepp wiederum rief mit scharfen Worten ein „Duell“ gegen Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) aus.

Mit allerlei Österreich-, Wien- und Bezirksfahnen bestückt zog die Parteiprominenz mit Kickl und Nepp an der Spitze in den Saal ein. Gut zwei Monate vor der EU-Wahl nutzte zunächst Spitzenkandidat Vilimsky das Wiener Parkett für eine deftige Wahlkampfrede: Man stelle sich einen roten Knopf vor, um Österreich aus dem „EU-Irrsinn“ herauszuholen. „Ich würde keine Millisekunde zögern, auf diesen Knopf zu drücken.“ Damit sei freilich kein „Öxit“, also Austritt aus der EU gemeint, fügte er sogleich hinzu, sondern das Ziel sei, die EU „abzuspecken, zu redimensionieren“ und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie sonstige „Witzfiguren“ auf europäischer Ebene auszutauschen. EU-Parlament und Kommission sollten halbiert werden, forderte Vilimsky.

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Zudem hätte Vilimsky gerne einen EU-Kommissar aus den Reihen der Blauen. Warum solle man neben einem „Volkskanzler“ Herbert Kickl nicht auch den Anspruch auf den Kommissar stellen, meinte er: Nämlich einen Kommissar für einen Rückbau der EU und „für Remigration“, bemühte Vilimsky einen umstrittenen und in den vergangenen Jahren oftmals von der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Identitären Bewegung genutzten Begriff. Ziel für die EU-Wahl sei es jedenfalls, die derzeit drei Mandate auf sechs zu verdoppeln. Das sei aber „nur die halbe Miete“, deshalb arbeite er an einer Vernetzung von Partnerparteien in einem Bündnis – „dass wir diesen roten Knopf drücken können“.

Empört reagierte ÖVP-EU-Spitzenkandidat Reinhold Lopatka: „Geht’s noch, Herr Vilimsky!?“, fragte er in einer Aussendung. „Sie fordern ein Ausschalten der EU per Knopfdruck, den Sie, ohne nachzudenken, sofort betätigen würden. Endlich haben Sie Ihr wahres Gesicht gezeigt, nämlich das eines EU-Zerstörers.“ Auch NEOS-Spitzenkandidat Helmut Brandstätter zeigte sich entsetzt: „Die FPÖ will offenbar ihren Vertrag mit Putin erfüllen und die EU zerstören“, sagte er in einer Aussendung. Die FPÖ, Vilimsky „und ihre radikalen Freunde“ hätten am 9. Juni nur ein Ziel: „den Öxit“. „Wir NEOS lassen nicht zu, dass die blauen EU-Zerstörer und Putin-Freunde uns dieses Europa kaputt machen.“

Wie üblich nicht gerade zimperlich in seiner Wortwahl holte auch Bundesparteichef Kickl später zu einem Rundumschlag gegen die Konkurrenz als „gegnerische Einheitspartei“ aus und inszenierte sich einmal mehr als „Volkskanzler“. Prominent widmete sich der FPÖ-Chef abermals den Corona-Maßnahmen. Das damalige System bezeichnete er als „ein Verbrechen an der Menschlichkeit, begangen von der eigenen Regierung und ihren Steigbügelhaltern“ an der eigenen Bevölkerung. Seinen viel kritisierten Ausdruck einer „Fahndungsliste der Verantwortungsflüchtigen“ verteidigte Kickl: Plötzlich seien die „Fahndungslistenersteller der letzten Jahre“ selbst „empfindlich“, obwohl sie während Corona selbst „Fahndungslisten erstellt“ hätten. „Jetzt steht den Folterknechten das Wasser bis zum Hals.“ Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), die sich mit dem Hinweis darauf, dass sie ihn als Staatssekretärin aus dem Innenministerium kenne, immer wieder gegen Kickl äußert, richtete er aus: „Kennenlernen wird sie mich vielleicht noch, wenn wir die Corona-Schweinereien (…) aufarbeiten.“

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Auch das Thema Migration kam erwartungsgemäß nicht zu kurz, erneut sprach Kickl von einer „Völkerwanderung“. „Größter und lautester Lügner vor allen anderen“ sei die ÖVP, findet der blaue Parteichef, anstatt die Missstände zu bekämpfen, bekämpfe man die Freiheitlichen. Freilich müsse man unterscheiden: Es gebe auch Zuwanderer, die sich gut und ohne Kurse integrierten. Und diese, so Kickl, seien ihm tausendmal lieber als „die rot-grünen Spinner, die von nichts eine Ahnung haben“ und „die schwarzen Versager, allen voran die Blindschleiche im Innenministerium“, beflegelte er Gerhard Karner (ÖVP). Man müsse „den Kampf führen“, rief Kickl mehrmals aus, etwa auch gegen „die Bestrafung von Leistung“ oder „die Unterjochung durch internationale Organisationen“, ob EU oder WHO, gab er seine bekannten Botschaften zum Besten. Bei der Nationalratswahl gehe es um die Schicksalsfrage, ob es so weiter gehe wie bisher, oder ob ein „Befreiungsschlag“ stattfinde.

Einen solchen wünscht sich der Wiener Parteichef Nepp auch für die Bundeshauptstadt, wo sich die Blauen ja laut Umfragen gerade von ihrem desaströsen Absturz bei der letzten Wahl 2020 erholen, als sie um fast 24 Prozentpunkte auf knapp acht Prozent schrumpften. Man sei nunmehr der einzige Herausforderer für Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), rief Nepp ein „direktes Duell“ bei der nächsten Wien-Wahl aus. Es sei „fünf vor zwölf“, um Wien zu retten, denn Ludwig habe die Stadt „in den regelrechten Abgrund geführt“, zeichnete der Blaue ein düsteres Bild. Unter anderem wegen der „Belastungslawine“, die Nepp ausmachte, müsse „der Räuber Rathausplatz Ludwig“ aus dem Rathaus „verjagt“ werden. In einem eingespielten Video wurde eine hungernde, frierende Familie einem Bürgermeister gegenübergestellt, der sich an einer saftigen Keule erfreut. „So herzlos“ behandle Ludwig die Wiener, kommentierte Nepp, „zuerst rupft er sie, dann nimmt er sie aus“.

In Wien-Favoriten herrsche nur mehr Angst, forderte Nepp einen „sofortigen Asylstopp“ und mehr Polizei. „Dieses Pack, diese Vergewaltiger, die unsere Frauen vergewaltigen, diese Bestien, die unsere Kinder ermorden, für die gibt es kein Pardon. Die müssen zurück, nicht in den österreichischen Häfn, sondern in den afghanischen Kerker“, wetterte er. Dass nun Containerklassen für zusätzliche Schüler durch Familienzusammenführungen eingerichtet werden, lehnt er ab. Familienzusammenführungen sollten besser in Syrien und Afghanistan stattfinden, indem man die Männer wieder abschiebe, befand er.

Nepp wurde schließlich mit 99,5 Prozent als Landesparteiobmann bestätigt, er erhielt 396 von 398 gültigen Delegiertenstimmen. Der 42-Jährige steht seit 2019 an der Spitze der Wiener Blauen, bei seiner Wahl am Landesparteitag 2021 hatte er knapp 97,9 Prozent erreicht.

Scharfe Kritik an den Äußerungen Kickls übten SPÖ und auch die Volkspartei: ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker sprach von „Entgleisungen“ des freiheitlichen Parteichefs und verwies auf die blaue Regierungsbeteiligung unter Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP): „In seiner einzigen Regierungsfunktion im Innenministerium hat er (Kickl, Anm.) innerhalb kürzester Zeit einen desaströsen Scherbenhaufen hinterlassen, der in der Zweiten Republik einmalig ist.“

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim sagte, Kickl säe Hass, hetze gegen Minderheiten und spalte die Gesellschaft. „Die Orbanisierungsphantasien des FPÖ-Chefs beschneiden die Menschenrechte, schränken die Pressefreiheit ein und setzen politische Gegner auf Fahndungslisten.“ Auch warnte er eindringlich vor einer blau-schwarzen „Schreckenskoalition“, die sich, „je näher der Wahltag rückt“, immer deutlicher abzeichne. „Blau-Schwarz steht für Demokratieabbau und die Zertrümmerung des Sozialstaats. Für Angriffe auf vieles, worauf wir zurecht stolz sind in Österreich. Kommt es zu einer weiteren Schreckenskoalition unter FPÖ und ÖVP, sind unser Rechtsstaat, Gesundheitssystem und die Pensionen in akuter Gefahr.“

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