„Wir müssen das Image des Lehrberufs verbessern“

Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) über Strategien gegen den Lehrermangel, Corona und neue Fächer

Passend zur Halbzeit der Sommerferien in Oberösterreich sprach das VOLKSBLATT mit den Vertretern aus dem Bildungsbereich über Lehren, die man aus dem vergangenen Schuljahr ziehen muss und mit welchen Gefühl sie auf das bevorstehende Jahr blicken. Im Gespräch stellt sich dieses Mal Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) den Fragen.

VOLKSBLATT: Herr Minister, wir haben gerade Ferien-Halbzeit, haben Sie sich schon von dem herausfordernden vergangenen Schuljahr erholt?

POLASCHEK: Sicherlich gab es einige Herausforderungen, aber die Lehrkräfte und die Schülerinnen und Schüler haben zusammengehalten und diese Herausforderungen großartig bewältigt. Dafür möchte ich mich bedanken. Ich wünsche Ihnen jedenfalls weiterhin schöne Sommerferien und gute Erholung. Und auch ich bin froh, dass ich im Sommer zumindest ein paar Tage Urlaub mit meiner Familie verbringen kann.

Sie waren zuletzt Rektor der Universität Graz und sind seit Dezember 2021 Bildungsminister. Warum schlägt man ausgerechnet in einer der größten Krisen so einen Weg ein?

Ich bin schon immer ein Mensch gewesen, der gestalten will. Das habe ich an meiner Universität getan: Zuerst 16 Jahre als Vizerektor für Lehre und schließlich als Rektor. Der Bildungsbereich war mir immer ein Herzensanliegen und ich habe mich praktisch mein gesamtes Leben bereits damit beschäftigt. Und als ich dann gefragt wurde, ob ich diese verantwortungsvolle Aufgabe für unser Land übernehmen möchte, habe ich das gerne getan.

Sie haben für 29. August einen „gesamthaften Variantenplan“ angekündigt. Werden damit alle Fragen, Sorgen und Ängste geklärt werden?

Für mich war immer klar, dass der Schulbereich Teil einer Gesamtstrategie des Bundes sein muss. Diese Gesamtstrategie wurde nun vom Gesundheitsminister in Form des Variantenmanagementplans in enger Abstimmung mit den anderen Ressorts vorgelegt. Darin haben wir auch für den Schulbereich Maßnahmen für insgesamt vier Szenarien festgelegt. Je nach Corona-Szenario werden diese Maßnahmen so wie in allen anderen Bereichen gesetzt werden. Klar ist: flächendeckende Schulschließungen wird es nicht mehr geben.

Was können Sie jetzt schon verraten?

Wir sind in enger Abstimmung mit dem Gesundheitsressort was den Schulbeginn betrifft. Wir werden hier am 29. August alle Schulen, Eltern sowie die Schülerinnen und Schüler informieren, ob und welche Maßnahmen zum Schulstart gelten werden.

Viele, darunter Eltern- und Lehrervertreter, kritisieren den Zeitpunkt. So läuft am 29. August vielerorts bereits die Sommerschule. Wenige Tage später beginnt das reguläre Schuljahr im Osten. Kommt der Plan rechtzeitig?

Mit dem Variantenmanagementplan haben wir Klarheit geschaffen, welche Maßnahmen in den unterschiedlichen Szenarien zu erwarten sind. Welches Szenario wir zu Schulstart haben werden, wird je nach Infektionslage entschieden. Die Vorbereitungen sind für alle möglichen Szenarien getroffen.

Sie haben am Dienstag erneut einheitliche Regelungen für Lehrer bekräftigt. Das heißt, auch infizierte Lehrer dürfen in den Klassen unterrichten. Haben Sie keine Sorge vor großen Corona-Clustern in den Schulen?

Das ist eine gesundheitspolitische Frage und keine bildungspolitische. Wie in allen anderen Bereiche können auch Lehrkräfte, die keine Symptome haben, in die Arbeit gehen, wenn sie durchgehend eine Schutzmaske tragen. Wer sich krank fühlt, soll natürlich zuhause bleiben. Das wurde für alle Bereiche in der Verordnung des Gesundheitsressorts festgelegt. So wie etwa für den Pflegebereich gilt das auch für den Schulbereich. Die einzige Ausnahme besteht für Kinder unter 11 Jahren – also im elementarpädagogischen Bereich und in der Volksschule. Hier gibt es ein Betretungsverbot für die Kinder während einer Infektion, weil es nicht umsetzbar ist, dass sie in diesem Alter durchgehend eine Schutzmaske tragen.

Viele Beobachter und Experten habe lange vor dem Lehrermangel gewarnt. Jetzt liegt es an Ihnen, das Problem zu lösen. Wie wollen Sie das machen?

Wir haben bereits einige Sofortmaßnahmen gesetzt. So haben wir den Quereinstieg vereinfacht. So können wir qualifiziertes Lehrpersonal in die Schulen bringen. Langfristig müssen wir das Image des Lehrberufes verbessern, um viele junge Menschen zu motivieren, diesen wunderschönen und wichtigen Beruf zu ergreifen. Hier arbeiten wir an einem Maßnahmenmix, um auch zukünftig die besten Köpfe für diesen schönen Beruf zu bekommen.

Braucht es – wie auch die beiden Linzer PH-Rektoren fordern – eine Verkürzung der Studiendauer?

Ich denke nicht, dass man das Problem damit löst. Man sagt ja auch nicht, dass man das Medizinstudium verkürzt, weil es zu wenig Ärztinnen und Ärzte gibt. Aber über eine Attraktiverung des Studiums – etwa durch Teilzeitmöglichkeiten, um während des Studiums schon früher arbeiten zu können, kann man natürlich sprechen und nachdenken.

Könnte ein finanzieller Anreiz, also ein höheres Gehalt, mehr Menschen für den Beruf überzeugen?

Ich denke es geht hier um andere Anreize. Es geht einerseits um den Stellenwert, den wir als Gesellschaft Bildung geben und damit auch den Pädagoginnen und Pädagogen. Einige verbinden Schule mit punktuellen persönlichen negativen Erlebnissen und meinen dann Schule ist allgemein so. Sie vergessen dabei, wie viel ihnen Schule gebracht hat, wie sie Lehrerinnen und Lehrer über die Jahre in der Schule zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern gemacht haben, die persönlich und beruflich auf diese Bildung bauen. Andererseits müssen wir aber auch darauf schauen, wo wir die Lehrerinnen und Lehrer entlasten können. Ich habe bereits erste Entlastungsmaßnahmen angeordnet, und wir sind in intensivem Austausch mit der Standesvertretung und den Bildungsdirektionen, wo man mit weiteren administrativen Entlastungen ansetzen kann. Und wir müssen mehr unterstützendes Personal in die Schulen bekommen.

Wie überfällig ist die Einführung der beiden Pflichtfächer „Digitale Grundbildung“ und „Ethik“?

Insbesondere die Digitale Grundbildung ist mir ein großes Anliegen. So wie unsere Welt ist auch Schule dynamisch. Die Digitalisierung bietet große Chancen, birgt aber auch Gefahren. Schülerinnen und Schüler sollen daher früh lernen, sich in der digitalen Welt zu bewegen, sie zu gestalten und die Informationen daraus zu verarbeiten. Es ist daher sehr erfreulich, dass wir mit dem kommenden Schuljahr dieses neue Pflichtfach haben.

Abschließend, wo holt sich der Minister im Sommer Kraft für das neue Schuljahr?

Bei meiner Familie.

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