„Wir werden das Regierungsprogramm abarbeiten“

Vor genau 20 Jahren wurde August Wöginger angelobt ... und „ich bin noch immer voller Tatendrang“

Seit 20 Jahren ist das Rednerpult im Hohen Haus ein Arbeitsplatz für August Wöginger, vor 20 Jahren im alten Plenarsaalm (o. l.), in den vergangenen Jahren in der Hofburg. Und Wöginger holte auch die Bundespolitik nach OÖ — mit Karl Nehammer am Kasberg und mit Wolfgang Schüssel am Baumkronen weg.
Seit 20 Jahren ist das Rednerpult im Hohen Haus ein Arbeitsplatz für August Wöginger © ÖVP-Klub

ÖVP-Klubobmann August Wöginger ist seit seinem 16. Lebensjahr politisch aktiv. Von 1997 bis 2002 war er Gemeinderat in Esternberg im Innviertel, seit 2003 ist er im Gemeinderat seiner Wohngemeinde Sigharting tätig, wo er in der Zeit von 2008 bis 2015 auch Vizebürgermeister war. Und seit genau 20 Jahren —er wurde am 20. Dezember 2002 angelobt — sitzt er im Nationalrat.

VOLKSBLATT: Können Sie sich noch an Ihre erste Rede erinnern?

WÖGINGER: Ja, das ist ein Moment, den wohl kaum ein Parlamentarier vergisst. Ich habe sie am 4. Juni 2003 anlässlich der Debatte zur Erklärung von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zur Pensionssicherungsreform gehalten.

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Was war Ihr peinlichster Lapsus in den 20 Jahren?

Auch das ist mir in Erinnerung geblieben. Am 12. Juni 2003 habe ich die Wege im Parlament am Ring noch etwas unterschätzt und habe eine Abstimmung versäumt. Gottseidank hat das keine Auswirkungen auf den Beschluss gehabt. Seither ist mir so etwas nicht mehr passiert.

Haben Sie Ihren Schritt in die Bundespolitik jemals bereut?

Nein, zu keinem Zeitpunkt. Die Arbeit für Land und Leute macht mir noch immer große Freude und ich gehe mit der gleichen Tatkraft in den Tag wie vor zwanzig Jahren.

Die Politik und die Politiker haben derzeit ein echtes Imageproblem. Können Sie den Schritt in die Politik trotzdem Jugendlichen empfehlen?

Wenn jemand den Willen und das Engagement hat, für unser Land und eine gute Zukunft für nachfolgende Generationen zu arbeiten, ist Politik eine erfüllende Aufgabe. Jede und jeder, der diese Eigenschaften besitzt und sich auf Ebene der Gemeinde, des Bezirks, des Bundeslandes, der Republik oder in Europa politisch einbringen will, soll das auch tun.

Sie haben vier ÖVP-Klubobleute erlebt – Wilhelm Molterer, Wolfgang Schüssel, Karlheinz Kopf und Reinhold Lopatka. Seit 2017 leiten Sie nun den ÖVP-Klub. Was haben Sie von Ihren Vorgängern lernen können? Oder anders gefragt, was zeichnet einen guten Klubobmann aus?

Jeder Klubobmann hat seinen persönlichen Stil und seine individuelle Arbeits- und Herangehensweise. Summa summarum habe ich mir von jedem meiner Amtsvorgänger viel mitnehmen können. Alle Klubobleute, egal welcher Fraktion sie angehören, müssen Allrounder ein. Gute Klubobleute zeichnen sich meiner Meinung nach durch klare Kommunikation, ein offenes Ohr für die Mandatarinnen und Mandatare sowie Sachlichkeit aus. Diesem Anspruch versuche ich gerecht zu werden.

Als Klubobmann sind Sie für die Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner zuständig. In letzter Zeit wirkte diese ein bisschen holprig, so wurde die Arbeitslosengeld-Reform bis auf weiteres vertagt. Ist das die Ausnahme oder der Beginn einer Abgrenzung für einen möglichen Wahlkampf? Anders gefragt: Rechnen Sie im kommenden Jahr mit Neuwahlen?

Wir wollen unser Regierungsprogramm weiterhin abarbeiten und die Koalition bis zum nächsten regulären Wahltermin im Jahr 2024 fortsetzen. Wir haben viel weitergebracht. Allein heuer wurden mehr als 300 Gesetze beschlossen, Meilensteine wie die Abschaffung der Kalten Progression und die Valorisierung der Sozialleistungen sowie die ökosoziale Steuerreform sind darunter. Daher ein klares „Nein“ zu Neuwahlen im kommenden Jahr. Wir werden das Regierungsprogramm weiter abarbeiten!

Die Teuerung brachte es mit sich, dass auch die KV-Verhandlungen schärfer geführt werden, samt 24-Stunden-Streiks. Wie geht es Ihnen dabei als ÖAAB-Obmann?

Die Kollektivvertragsverhandlungen sind alle Jahre wieder eine Herausforderung für die Arbeitnehmer- und die Arbeitgeberseite. Als ÖAAB-Obmann bin ich Arbeitnehmervertreter mit Leib und Seele, die Verhandlungen führen aber die Sozialpartner. Streiks sind das letzte Mittel und sollten vermieden werden.

Reichen die derzeitigen Hilfen oder werden wir im kommenden Jahr die nächsten Pakete schnüren müssen?

Wir haben Pakete im Ausmaß von mehr als 50 Milliarden Euro geschnürt, um den Teuerungen und Krisen entgegenzuwirken. Das ist historisch. Wo es notwendig ist, werden wir weiter prüfen, ob es noch Bedarf für Maßnahmen gibt. Ein Beispiel dafür ist der zuletzt im Ministerrat beschlossene 500 Millionen Euro umfassende Wohn- und Heizkostenzuschuss.

Schon bei der Pandemie auch bei der Teuerung wird die Erwartung geschürt, dass der Staat immer einspringen muss. Wo sehen Sie die Grenzen?

Hilfe sollen jene bekommen, die sie brauchen. Natürlich verfügt der Staat nicht über unbegrenzte Mittel. Wir versuchen, niemanden zurückzulassen – das war bereits während der Hochphase der Corona-Pandemie so und bleibt auch in Zeiten von galoppierender Inflation und hohen Energiepreisen so. Wo es Handlungsbedarf gibt, werden wir weiter handeln, mit Vernunft und Augenmaß.

In den vergangenen Tagen wurde zum letzten Mal im Ausweichquartier getagt, ab dem kommenden Jahr geht es in das frisch sanierte Haus am Ring. Freuen Sie sich schon?

Der Wiedereröffnung des historischen Parlamentsgebäudes sehe ich mit großer Freude entgegen. Die Renovierung unter der Federführung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ist hervorragend gelungen. Es wird ein offenes Haus, das ein Ort der Begegnung, des Dialogs, der Transparenz und der gelebten Demokratie sein.

Und apropos Freude: Was wünschen Sie sich zu Weihnachten?

Dass es uns gemeinsam gelingt, Österreich weiterhin gut durch diese herausfordernden Zeiten zu bringen. Dass wir Wohlstand und soziale Sicherheit bestmöglich erhalten können. Und nicht zuletzt ein paar ruhige und besinnliche Tage im Kreis meiner Familie.

Und gibt es einen Vorsatz für das neue Jahr?

Einen speziellen Vorsatz habe ich nicht. Allerdings nehme ich mir allgemein vor, meinen Beitrag für eine sachliche und respektvolle politische Diskussionskultur auch künftig zu leisten.

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