Zweiter Terror-Prozess gegen IS-Mann Lorenz K. gestartet

In der JA Karlau soll sich Lorenz K. terroristisch betätigt haben © APA/ERWIN SCHERIAU

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat am Freitag am Wiener Landesgericht der zweite Terror-Prozess gegen den im April 2018 zu neun Jahren Haft verurteilten IS-Terroristen Lorenz K. begonnen. Der mittlerweile 25-Jährige bekannte sich teilweise schuldig. Er gab zu, sich in Strafhaft für den „Islamischen Staat“ (IS) betätigt und Propagandamaterial verbreitet zu haben: „Ich habe den IS geliebt.“ Zu den zentralen Vorwürfen der Anklage war Lorenz K. aber nicht geständig.

„Ich hatte nie die Absicht, jemanden zu einem Mord anzustiften oder eine Bombe zu machen“, versicherte der groß gewachsene, kahl geschorene und ausgesprochen durchtrainiert wirkende 25-Jährige. „Bedenken Sie, was für ein gefährlicher Mann Lorenz K. ist“, meinte dagegen Staatsanwalt Hannes Winklhofer in Richtung der Geschworenen. Dieser habe sich „bei der ersten Möglichkeit wieder ein Instrument verschafft, um Werbung für den ‚Islamischen Staat‘ zu betreiben und ganz gezielt zur Begehung von Selbstmordanschlägen aufzufordern“. Der Ankläger betonte, der 25-Jährige habe im Gefängnis verbotenerweise zumindest zwei Handys besessen und genutzt, „um Leute zu Anschlägen anzustiften. Das ist die Definition eines Terroristen.“

Lesen Sie auch

Konkret wirft der Staatsanwalt Lorenz K. und einem mitangeklagten Mithäftling – die beiden lernten einander in der Justizanstalt (JA) Graz-Karlau kennen – eine Fülle terroristischer, in Strafhaft begangener Straftaten vor. Lorenz K. hat sich wegen Bestimmung zum Mord sowie Bestimmung zur vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel, jeweils begangen als terroristische Straftaten, zu verantworten, „wobei diese Verbrechen im Versuchsstadium steckengeblieben sind“, wie der Staatsanwalt darlegte. Zusätzlich sind die Verbrechen der terroristischen Vereinigung und der kriminellen Organisation inkriminiert – nur dazu ist Lorenz K. geständig. Bei einer anklagekonformen Verurteilung müsste der 25-Jährige, dessen reguläres Strafende Ende Oktober 2026 wäre, mit weiteren zehn bis 20 Jahren oder gar lebenslanger Haft rechnen.

Nach den im Namen der radikalislamistischen Terror-Miliz begangenen Anschlägen in Paris vom Oktober 2015 und in Brüssel vom März 2016 hatte der damals 17-jährige Lorenz K. im Namen des IS einen Bombenanschlag auf den deutschen US-Truppenstützpunkt Ramstein geplant und wollte zudem einen damals unmündigen, 13 Jahre alten Buben Ende November 2016 dazu bringen, mit einem selbst gebauten Sprengsatz einen Selbstmordanschlag auf einen Weihnachtsmarkt im deutschen Ludwigshafen durchzuführen. Der Bub begab sich tatsächlich mit einem Sprengsatz auf einen Weihnachtsmarkt, der Selbstmordanschlag scheiterte nur deshalb, weil die Zündung nicht funktionierte. Obwohl er dafür zu neun Jahren Haft verurteilt und einem Deradikalisierungsprogramm beim Verein Derad unterzogen wurde, legte Lorenz K. seine dem IS verhaftete Gesinnung nicht ab. „Die Haft und alles, was danach gekommen ist, hat meine Radikalisierung nur verstärkt“, gab er nun vor dem Schwurgericht unumwunden zu. Mittlerweile habe er sich jedoch von der Terror-Miliz distanziert: „Ich bin kein IS-Mitglied mehr. Ich scheiß auf den IS.“

Der nunmehrigen Anklage zufolge soll Lorenz K. seine erneuten terroristischen Aktivitäten ab November 2019 zunächst in der JA Stein und nach seiner Verlegung nach Graz ab Jänner 2020 in der JA Karlau mittels illegal beschaffter Mobiltelefone betrieben haben. Lorenz K. unterhielt zwei Instagram-Profile mit 228 bzw. 73 Abonnenten und nutzte den Messenger-Dienst WhatsApp, wobei er seine Profile mit dem IS-Logo versah. „Der Name macht den Mann in der Szene“, sagte er dazu in seiner Beschuldigteneinvernahme. Er gab zu, über die Kanäle Propagandamaterial des IS – etwa ein Video mit bei lebendigem Leib verbrannten Geiseln des IS – verbreitet zu haben. Ihm sei es um „Aufmerksamkeit und Anerkennung“ gegangen: „Ich lag den ganzen Tag in der Zelle rum, faul.“ Er sei „zu stur“ gewesen, „um mich vom IS abzuwenden. Das war das Einzige in meinem Leben, was ich gekannt habe. Ich konnte mich davon nicht trennen. Es war für mich schwer, die Anerkennung der Leute abzulehnen“.

Video
Ich möchte eingebundene Social Media Inhalte sehen. Hierbei werden personenbezogene Daten (IP-Adresse o.ä.) übertragen. Diese Einstellung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft in der Datenschutzerklärung oder unter dem Menüpunkt Cookies geändert werden.

Lorenz K. soll darüber hinaus versucht haben, mit seinem Handy einen in Deutschland vermuteten Ansprechpartner, der sich Manfred U. nannte, zu einem Selbstmordattentat mittels eines Sprengsatzes an einem nicht näher bestimmten Ort in Österreich oder Deutschland anzustiften. „Du kannst die Kuffar (Ungläubige, Anm.) versteckt angreifen“, schrieb Lorenz K. dem Mann in einem Chat. „Für mich war absolut klar, dass er keinen Anschlag machen wird in Form einer Bombe“, wies der Angeklagte den Vorwurf zurück, damit seinen Gesprächspartner zu einem Attentat angestiftet zu haben. Er habe bei der Unterhaltung „an nichts Bestimmtes“, allenfalls „eine Operation“ gedacht.

Beim Chatten verwendete Lorenz K. allerdings das arabische Wort für Märtyrertod. „Dafür brauch’ ich Material“, antwortete ihm U. Damit sei „Material zum Lernen“ gemeint gewesen, erläuterte Lorenz K., was die Richterin als „nicht ganz nachvollziehbar“ bezeichnete. Denn im Chat hatte der 25-Jährige dem Deutschen „Du kannst eine amelia (Bombe, Anm.) machen“ erwidert und darauf verwiesen, entsprechende pdf-Files gebe es im Internet.

„Ich wusste, dass er nicht bereit war, einen Mord zu begehen“, insistierte der 25-Jährige. Und er versicherte: „Schauen Sie, ich habe ihn weder zum Mord angestiftet noch ihm irgendwelche pdf-Dateien geschickt noch ihm irgendwas beigebracht.“ Auch mit einem zweiten in Deutschland ansässigen Islamisten, der ausgeforscht werden konnte, hatte Lorenz K. gechattet. Diesem schickte er ein Hinrichtungsvideo und machte sich über das Deradikalisierungsprogramm und das Anti-Gewalt-Training lustig, das ihm im ersten Schwurverfahren auferlegt worden war: „Ich mache seit sechs Jahren ne Antigewalttherapie. Und frag mich mal, wie viel die mir geholfen hat.“ Dieser Nachricht ließ er dann ein Bild mit einer Nagelbombe und in großen Lettern „So viel!!! Hahahahahahaha“ folgen.

In der JA Karlau, wo er als Hausarbeiter beschäftigt wurde, soll Lorenz K. gemeinsam mit zwei anderen Hausarbeitern sogar eine Art „Terror-Zelle“ gebildet haben. Zum einen lernte er den mehrfach vorbestraften, nunmehr mitangeklagten Nino K. (33) kennen, der eine 16-jährige Freiheitsstrafe wegen versuchten Raubmordes verbüßt und der sich als Anhänger des IS erwies. Lorenz K. übermittelte dem 33-Jährigen per WhatsApp ein Propagandavideo des IS, in dem erläutert wird, dass man keine Waffen benötige, um „verheerenden Schaden bei den ‚Kuffar‘ anzurichten“. Und weiter: „Feuer ist auch eine Waffe“.

Zum anderen stieß Lorenz K. auf Abdelkarim Abu H., den das Landesgericht Krems wegen versuchter Bestimmung zu Mordanschlägen und Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung – nämlich der Hamas – zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt hatte. Lorenz K. soll dem „Lebenslangen“ eine Anleitung zum Bombenbasteln übermittelt und ersucht haben, einen Mann zu einem Treueschwur auf den IS zu bringen, was er vor Gericht in Abrede stellte. Anfang August 2020 wurden bei einer Durchsuchung der Zelle von Abdelkarim Abu H. Elektronikteile sowie vier Patronenhülsen aus einer Langwaffe gefunden, mit denen dieser vermutlich eine Sprengvorrichtung bauen wollte. Gegen den Hamas-Terroristen wird von der Staatsanwaltschaft Graz separat ermittelt.

Ende Juli 2020 lud sich Lorenz K. in seiner Zelle ein vom IS produziertes Video auf sein Handy, auf dem unter anderem zu sehen ist, wie eine Geisel des IS getötet, eine Bombe gebastelt und ein Sprengsatz gezündet wird. Diese Datei mit der Tötung einer gefesselten Geisel – laut Anklage ein „Lehrvideo“ des IS, wie Ungläubige zu töten sind – wurde in Teilen im Gerichtssaal abgespielt, wobei einigen Geschworenen bei den bedrückendsten Sequenzen das Entsetzen anzusehen war. Lorenz K. hatte dieses Video verbreitet. „Ich verstehe nicht, dass man das weitergibt“, hielt die vorsitzende Richterin fest. „Wenn man dieser Ideologie angehört, ist man bereit dafür zu sterben. Die IS war meine Welt“, antwortete Lorenz K., der seit Ende Juli 2020 im Gefängnis keinen Zugang zu Handys mehr haben soll. IS-Mitglieder habe er „als meine Geschwister“ angesehen.

Der mitangeklagte Nino K. gab zu, ein IS-Video von Lorenz K. erhalten und geteilt zu haben. Er bekannte sich dessen ungeachtet „nicht schuldig“ und erklärte: „Dass ich da drin bin (gemeint: Mitglied des IS, Anm.), stimmt nicht.“ Er habe folglich auch nicht die Ziele des IS fördern wollen. Der 33-Jährige räumte ein, im Gefängnis verbotenerweise über eine präparierte Unterhose („Man macht einen Riss rein, gibt das Handy rein und näht zu“) an ein Mobiltelefon gekommen zu sein. Er sei erst im Gefängnis zum Islam konvertiert, aufgewachsen sei er als orthodoxer Christ.

Zum Glaubenswechsel kam es, nachdem Nino K. im Gefängnis den rechtskräftig zu 20 Jahren Haft verurteilten radikalislamistischen Hassprediger Mirsad O. alias Ebu Tejma kennengelernt hatte. „Ich war Hausarbeiter und hab ihn bei der Essenausgabe kennen gelernt. Wir haben uns auch im Fitnessraum getroffen“, schilderte der 33-Jährige dem Gericht. Radikales Gedankengut habe er aber „nur zwei bis drei Monate“ vertreten, seither verfolge er eine gemäßigte Auslegung des Islam. Seine radikale Phase sei „so wie eine Grippe, eine starke Grippe“ gewesen.

Die Verhandlung dürfte für die Geschworenen nicht nur aufgrund der Materie eine besondere Herausforderung darstellen. Schon während des Eingangsplädoyers des Staatsanwalts war es schwierig, den Ausführungen des Anklägers zu folgen. Dessen Worte gingen im Baulärm teilweise unter – das Wiener Landesgericht wird einer Generalsanierung unterzogen, was sich unter anderem an Presslufthammergeräuschen manifestiert.

Die Verhandlung wird am 13. Mai fortgesetzt. Als Zeugen geladen sind ein Beamter der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) sowie ein früherer Mithäftling der beiden Angeklagten. Verteidiger David Jodlbauer beantragte zusätzlich die Einvernahme des ausgeforschten deutschen Chat-Partners, auch Abdelkarim Abu H. soll als Zeuge befragt werden.

Das könnte Sie auch interessieren