Ungarn: Kurz will „sehr genau hinsehen“

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will „sehr genau hinsehen“, ob in anderen Ländern die außergewöhnlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus auch wieder zurückgenommen werden.

„Das gilt für Ungarn genauso wie für alle anderen Länder“, sagte er in einem von der „Tiroler Tageszeitung“, den „Vorarlberger Nachrichten“ und den „Oberösterreichischen Nachrichten“ veröffentlichten Interview.

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„Sobald wir Covid-19 erfolgreich bekämpft haben, werden wir die Maßnahmen zurücknehmen und selbstverständlich auch sehr genau hinsehen, ob sie auch außerhalb Österreichs zurückgenommen werden. Und nicht versucht wird, die Krankheit zu benutzen, um Freiheitsrechte einzuschränken. Das gilt für Ungarn genauso wie für alle anderen Länder“, sagte der ÖVP-Chef.

Entschließungsantrag

Kurz äußerte sich, nachdem der Nationalrat am Freitag mit den Stimmen von ÖVP und Grünen einen Entschließungsantrag beschlossen hatte, in dem die Bundesregierung dazu aufgerufen wurde, sich in Ungarn für eine „sofortige Rücknahme aller Notstandsgesetze und Sonderrechte nach Bewältigung der Corona-Krise einzusetzen“.

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Im Fall der anderen Mitgliedsstaaten hieß es, das entsprechende Sonderrechte „nach Beendigung der jetzigen Krise umgehend wieder zurückgesetzt werden“. Der Regierungsantrag stach Vorlagen von SPÖ und NEOS aus, die weitaus schärfer in Richtung Ungarn formuliert gewesen waren.

Orban regiert per Dekret

Das ungarische Parlament hatte vergangenen Montag ein Notlage-Gesetz beschlossen, wonach die rechtsnationale Regierung von Viktor Orban zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie auf unbestimmte Zeit per Dekret regieren kann. Während der Notlage sind Wahlen und Volksabstimmungen ausgesetzt.

Zudem enthält das Gesetz eine Änderung des Strafgesetzbuches, wonach die Verbreitung von Nachrichten, die die Bekämpfung der Pandemie untergraben könnten, mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden kann. Kritiker sprachen von einer „Selbstausschaltung des Parlaments“, das Gesetz löste heftige Proteste in der internationalen Politik aus.

16 der 27 EU-Regierungen zeigen sich in einer gemeinsamen Erklärung besorgt. Österreich schloss sich dieser als einziges vor dem Jahr 2004 beigetretenes EU-Land nicht an.

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) machte am Sonntagabend in der „ZiB2 am Sonntag“ klar, warum sich Wien in diesem Konflikt zurückhaltender verhält als andere Mitgliedsstaaten.

Man dürfe „eines nicht vergessen, Österreich ist das einzige Land, das eine direkte Grenze auch mit Ungarn hat und wir sind hier, gerade in der Krise, aber auch darüber hinaus, darauf angewiesen, dass wir mit Ungarn auch gut kooperieren“, sagte sie etwa mit Blick auf „Pendlerregelungen“.

Ungarn als „Semidiktatur“

Kurz hatte sich bisher nicht direkt zu den Maßnahmen in Ungarn geäußert. In einer ersten öffentlichen Reaktion am vergangenen Montagabend hatte er in der „ZiB“-Spezial des ORF mit Verweis auf die Corona-Krise in Österreich nur gemeint: „Ich habe, ehrlich gesagt, nicht die Zeit, mich mit Ungarn auseinanderzusetzen. Ich habe ganz andere Sorgen im Moment.“

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hatte ihrerseits die mangelnde Befristung der Notstandsmaßnahmen in Ungarn kritisiert, aber auch wiederholt betont, man setze auf das „direkte Gespräch“. Der Koalitionspartner, Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), übte hingegen offene Kritik an Ungarn als „Semidiktatur“ und forderte den Entzug von EU-Geldern.

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