Postcorona-Romantik und mehr

Musiktheater: „Lieder für eine Neue Welt“ von Jason Robert Brown

„Lieder für eine neue Welt“: Ensemble
„Lieder für eine neue Welt“: Ensemble © Reinhard Winkler

Erste Premiere nach der Corona-Zwangspause im Linzer Musiktheater! „Wir sind wieder da, nie war mehr Anfang wie jetzt“ — Intendant Hermann Schneider empfängt und verbeugt sich vor seinem Publikum. Ganz großer Beifall.

Endlich erblicken die von der Seuche gefesselten Inszenierungen das Licht der Bühne. Auftakt war am Mittwoch im Musiktheater mit einem Liederzyklus. Falsch liegt, wer dabei etwa an Schubert oder Kollegen denkt.

Aufbruch in neues Leben

„Songs For A New World“ entstand 1995 in New York. Musik und Texte stammen vom amerikanischen, mit dem Tony Award ausgezeichneten Musicalschaffenden Jason Robert Brown. Revueartig reiht er 16 Songs als isolierte Einzeldramen aneinander, umrahmt sie mit dem musikalischen und psychologischen Leitmotiv: Aufbruch in ein neues Leben in einer neuen Welt.

Aufgelegt der aktuelle Konnex, Querverbindungen beschränkt die Regie auf das Intro. Es folgen knappe zwei Stunden Minimusicals über Personen vor lebensverändernden Entscheidungen. Ihre Schicksale spielen quer durch die Geschichte, die, weil amerikanisch, 1492 beginnt. Was ursprünglich New York repräsentieren sollte, erweist sich ab dem gospeligen Song auf dem Schiff des Columbus als ewig gültig, international und aktuell, von Neugier und Aufbruch bis zu Zweifel und Umkehr. Als postpandemischer Überbau schwebt jenes viel beschworene Lichtlein am Ende des Tunnels über fast allen Stories.

Die Darsteller schälen sich aus Schutzanzügen, nehmen die Masken ab, der erste Song führt ins Hauptthema „The New World“ mit raumgreifenden Videos aus einem grausam-vertrauten Corona- Szenario. Musikalisch drängt der musicalmäßig an „Elisabeth“ erinnernde Titelsong in eine neue, bessere Welt. Das Ensemble brilliert. Regisseur Simon Eichberger, der auch für Choreografie, Bühne und Illustration steht, legt die psychologischen Ebenen der Songs bloß. Mit Dramaturg Arne Beeker inszeniert er das für vier Personen geschriebene Stück mit der zehnköpfigen Linzer Crew.

Virtuos und blitzschnell

Auf vielen Ebenen transportiert er sein Publikum zu den unterschiedlichsten Charakteren. So vielen, dass es schwer fällt, den Fokus auf den Geschichten zu bewahren. Blitzschnell wechseln die Ensemblemitglieder Funktionen und Kostüme (Bravo: Richard Stockinger), räumen zwischen den Sequenzen die Bühne, entzücken mit Choreos. So virtuos, wie die Gesangsparts ist das szenische Spiel. Mit großem Tempo und ebenso großer Intensität tauchen die Darsteller in ihre Rollen. Den meisten Zwischenapplaus erntet Daniela Dett für einen der wenigen komischen Parts, als sie in Brecht/Weill-Manier anstelle von Surabaya Johnny ihren angetrauten Weihnachtsmann vor die Tür setzt.

Großartiges Ensemble

Tom Bitterlich leitet eine Formation aus Piano, Keyboard, Bass, Drums und Percussion. Selber am Klavier vereint er mit dem Quintett ein Kaleidoskop amerikanischer Musikstile.

Sechzehn Schicksale im Zeitraffer können auch ermüden. Im Kampf dagegen bannen raumhohe, aus dem Rhythmus wachsende Grafiken von Jonatan Salgado Romero die Aufmerksamkeit. Ein großartiges Ensemble, manch mitreißender Hit, eine packende Story. Schöne Bilder und Choreografien lassen in ihrer Fülle die zusammenhanglosen Gschichtln, die mit weniger Drumherum vielleicht beeindruckt hätten, vergessen. Das Publikum applaudierte, aber nicht ganz so stürmisch wie anfangs zu „Wir sind wieder da“.

Weitere Termine, Mai: 29. (17 Uhr); Juni: 3., 10., 11., 20., 24. (jeweils 19.30 Uhr)
Tel. 0732/76 11-401

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