Prix Ars Electronica: Zwischen Kunst und Kampf

Ars Electronica: Erstmals Goldene Nica für anonymen Protest — Auszeichnungen für menschliche Alexa und erstickende Godzilla

Goldene Nica für das optisch sehr ansprechende und auf den Punkt kritische „Infinitely Yours“
Goldene Nica für das optisch sehr ansprechende und auf den Punkt kritische „Infinitely Yours“ © Keida Mascaro

Die Gewinner des Prix Ars Electronica werden jedes Jahr beim Festival im Herbst gezeigt, präsentiert werden sie aber schon ein paar Monate davor. Soweit noch alles normal, als gestern bekannt gegeben wurde, welche Projekte von den insgesamt 3209 Einreichungen aus 90 Ländern ausgezeichnet werden.

Dann wird es aber auch schon ziemlich „unnormal“ beim Prix 2020. Für das Festival im September (9. bis 13.) sollen „so viele Gewinner wie möglich nach Linz gebracht werden“, versprach der Künstlerische Leiter Gerfried Stocker. Das heißt aber bereits, dass doch ein Teil virtuell stattfinden wird müssen, so wie dies auch schon für die Jurysitzungen praktiziert hat werden müssen.

Ein Klacks, denkt man sich, für ein Unternehmen wie die Ars Electronica, Spezialistin in Sachen digital, aber so einfach hat sich das dann doch nicht dargestellt. Am Ende kam man aber zu Einigungen und noch einem Novum für die Auszeichnungen: Erstmals in der jahrzehntelangen Geschichte der noch immer „wichtigsten Medienkunstpreise weltweit“ (Stocker) wurde eine Goldene Nica an eine anonyme Bürgerbewegung vergeben. Auch wenn es 2020 verwundert, ist es ebenfalls eine Premiere, dass alle anderen Nicas in Gold an Frauen gingen.

Wer sich ausspionieren lässt, wird wunschlos glücklich

Eine „mutige Entscheidung der Jury und eine klare gesellschaftliche und demokratiepolitische Haltung“ sah Bürgermeister Klaus Luger in der Auszeichnung der Protestbewegung „Be Water by Hong Kongers“ in der Kategorie in „Digital Communities“, die 2019 durch das in Peking beschlossene Auslieferungsgesetz Hongkonger Bürger an China ausgelöst worden ist und sich dem Kampf für demokratische Grundrechte verschrieb.

Die US-Amerikanerin Lauren Lee McCarthy bekommt die Goldene Nica in „Interactive Art+“ für „SOMEONE“, eine interaktive Installation, in der die Menschen zu helfenden Avataren à la Amazons Alexa werden. Ein Machtspiel beginnt, in dem die eine Partei Aufgaben erfüllen muss, dafür aber die andere gnadenlos ausspionieren und wunschlos glücklich machen kann. Am 18. Juni ist die Künstlerin via Skype beim nächsten Ars Electronica „Home Delivery“ dabei.

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Für die beste Computeranimation wird Miwa Matreyek mit der Goldenen Nica ausgezeichnet — für ihr Genre und Techniken verwebendes Film- und Performanceprojekt „Infinitely Yours“, in dem sie sich, optisch höchst ansprechend, Godzilla ähnlich durch die Welt kämpft, Umwelten zerstörend, Industrie und menschlichen Lebensraum aufbauend, vernichtend und erstickend, wütet und lebt.

Dystopisch und verankert in der grausamen Pubertät

Stop-Motion-Technik, Spiele, aber auch utopische Raumplanung überzeugte die Jury in den U19-Kategorien. Thematisch zeigt sich die Jugend dystopisch bis „klassisch“verankert, wie etwa in der recht grausam anmutenden Welt der Pubertät.

Pünktlich zum 80er bekommt auch die Linzerin VALIE EXPORT ihre hochverdiente Goldene Nica und zwar jene als visionäre Pionierin feministischer Medienkunst. „Ein starkes Zeichen und ein tolles Signal“, betonte die Linzer Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer und würdigte damit auch alle anderen weiblichen Preisträger. Von einem weiblichen Mitglied der Ars Electronica der ersten Stunde verabschiedete man sich gestern ausdrücklich nicht. Nichtsdestotrotz wird sich die Co-Direktorin Christine Schöpf nach 40 Jahren aus ihre operativen Tätigkeit zurückziehen.

Von Mariella Moshammer

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