Protokoll des Grauens

Verstörendes Kammerspiel: Historienfilm „Die Wannseekonferenz“

Reinhard Heydrich (Philipp Hochmair), Chef des Reichssicherheitshauptamts, Chef der Sicherheitspolizei und des SD.
Reinhard Heydrich (Philipp Hochmair), Chef des Reichssicherheitshauptamts, Chef der Sicherheitspolizei und des SD. © ORF/ZDFJulia Terjung

„Ich sehe es wie ein Handwerk“, sagt im Film einer der 15 Männer, die in einer noblen Villa am Berliner Wannsee bei einer „Besprechung mit Frühstück“ gemeinsam an einem Konferenztisch sitzen.

Da trafen während des Zweiten Weltkrieges, exakt vor 80 Jahren, Schreibtischtäter und Frontsoldaten zusammen, um im Auftrag von Hermann Göring die Umsetzung der sogenannten „Endlösung der Judenfrage“, die Ermordung von elf Millionen Menschen, zu planen: die Wannseekonferenz.

Nüchterne Beratung über Massenvernichtung

Der gleichnamige Spielfilm, den ORF 2 am 24. Jänner (20.15 Uhr) ausstrahlt, orientiert sich in der Regie von Matti Geschonneck an den Protokollen von Adolf Eichmann, in denen das Unfassbare bis ins Detail festgehalten worden ist.

Die mittlerweile dritte Verfilmung des historischen Ereignisses lässt einen als nüchternes Kammerspiel ob der gelassenen Selbstverständlichkeit, mit der über die Ermordung von Millionen Menschen, deren technische Umsetzung beraten wurde, sprachlos und verstört zurück. Geschonneck verzichtet dabei auf Musik, so richtet sich die Aufmerksamkeit gänzlich auf die Sprache.

Die ranghohen Nazi-Verbrecher sind sich darüber einig, dass die Juden ausgelöscht werden müssen. Und zwar in ganz Europa, als dessen uneingeschränkte Herrscher man sich in naher Zukunft sieht. Verfolgung und Ermordung der Juden haben schon lange begonnen, nun sollen sie quasi „industrialisiert“ werden.

Zweifel und Uneinigkeit gibt es zwischen diesen Männern nur, wenn es um Kompetenzen, Ränge, die eigene Eitelkeit geht. Bedenken kommen nur durch, wenn man sich fragt, wie die eigenen Soldaten ihre Gräueltaten verkraften könnten. „Ein kleiner Waldspaziergang und das war´s“, meint zwar einer der Herren, ein anderer, dass diese dann doch zu Verrohung und Sadismus in den Reihen der Soldaten führen würden. Als Zuseher sieht man mit wachsendem Unbehagen zu.

Eichmann referiert über „humanere“ Gaskammern

Dienstbeflissen und übereifrig referiert Adolf Eichmann (Johannes Allmayer) in einer völlig emotionslosen Sachlichkeit bis ins letzte Detail über Konzentrationslager und „humanere“ Gaskammern, Ergebnisse von Probebetrieben etc. — einen angenehm technischen, anonymen Vorgang für die, die ihn durchführen müssen.

Ein kleiner Hemmschuh in der gnadenlosen Vernichtung der Juden stellen Unruhen in der Bevölkerung dar, wie sie etwa das Vorgehen bei der Aktion T4, dem berüchtigten Euthanasie-Programm, das auch in Hartheim umgesetzt wurde, auslöste. Ungeniert werden die Nürnberger Rassengesetze rechts überholt, deren Schöpfer Wilhelm Stuckart (Godehard Giese) am Tisch mahnt, es müsse für die Bevölkerung weiter Recht und Ordnung gelten. Der Umgang mit Mischlingen, Halbjuden, Vierteljuden wird diskutiert.

Hauptsache, „Evakuierung“ und „Sonderbehandlung“ der Juden, wie man deren Vernichtung nennt, gehen schnell. Bei feinem Essen, Kaffee, Kuchen und Cognac denkt man darüber nach: Wie vereinfacht und beschleunigt man den geplanten Massenmord? „Wir müssen groß denken“, sagt einer. Als Rechtfertigung krude Verschwörungstheorien (!), die Juden seien an allem Schuld und den Nationalsozialisten die Last aufgebürdet, sie zu vernichten, wie SS-Mann Reinhard Heydrich erklärt.

Beeindruckend: Hochmair als SS-Mann Heydrich

In seine Rolle schlüpft Philipp Hochmair. War der Schauspieler in „Ein Dorf wehrt sich“ in der Übertreibung als Gauleiter August Eigruber beeindruckend, so sind es hier die leise Stimme, die äußerst gewählte Sprache, die freundliche Art und das vorzügliche Benehmen, mit denen er das Grauen artikuliert — und den Zuseher damit erschüttert.

Noch ein zweiter Österreicher trägt den Film mit: Simon Schwarz als Unterstaatssekretär Martin Luther, dienstbeflissener, verlässlicher wie skrupelloser Partner bei der Vernichtung, „Logistiker“ der Deportationen. Die Protokolle sollen, so ordnet es Heydrich an, so geschrieben sein, dass „die Herren aus den Ministerien wissen, was sie mitbeschlossen haben.“ Immer wieder unglaublich, wozu Menschen fähig sind.

Von Melanie Wagenhofer

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