Prozess um Missbrauch an 109 Buben: Arzt wollte Aufklärungscoach sein

Unter großem Medieninteresse startete am Dienstag am Landesgericht Wels der Prozess gegen einen 56-jährigen Urologen aus dem Salzkammergut. Die Anklage legt dem Mediziner zur Last, ab dem Jahr 2000 bis zum 29. Jänner 2019 insgesamt 109 Buben sexuell missbraucht zu haben.

Coronabedingt wurden für die elf Opfervertreter Einzeltische mit Abständen aufgestellt. Und die Zuschauer mussten in einen anderen Saal ausweichen, in den das Verfahren per Video übertragen wurde – allerdings nur bis zur Befragung des Angeklagten. Im Anschluss wurde die Öffentlichkeit bis zur Urteilsverkündung, die für den 10. Juni geplant ist, ausgeschlossen.

Wie zuvor von seinem Verteidiger angekündigt, bekannte sich der Urologe großteils schuldig. „Ich bereue es sehr. Ich habe im Rahmen von Aufklärungsgesprächen Übergriffe auf pubertierende Burschen begangen“, meinte der 56-Jährige vor Gericht. Mit dem Bild, das die Medien von ihm zeichnen würden, könne er aber nicht leben. „Ich bin nicht dieser Mensch“, betont der Angeklagte.

Angeklagter sah sich als Aufklärungscoach

Während der Verteidiger von „Grenzüberschreitungen“ sprach und meinte, sein Mandant sei weder pädophil, noch gefährlich und habe sich ein bisschen als Aufklärungscoach gesehen, geht der Staatsanwalt von schwerem sexuellem Missbrauch aus. Vielfach seien die Untersuchungsmethoden medizinisch nicht indiziert gewesen, in einigen Fälle habe er Anleitungen zur Masturbation gegeben. Er sei den Jugendlichen gegenüber freundlich und locker gewesen. Viele seien überrumpelt worden oder hätten geglaubt, die Handlungen des Arztes wären medizinisch nötig. Für den Anklagevertreter stellt das Vorgehen des Mediziners einen Tatplan dar, „der darauf ausgerichtet war, seinen Beruf für regelmäßigen Missbrauch zu nutzen“.

„Sex mit Kindern hat es nicht gegeben“, betonte der Verteidiger, ebenso wenig Gewalt oder Zwang. Vielmehr gehe es um den Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses. Bezüglich der Masturbationen sei sein Mandant schuldig, nicht aber des schweren Missbrauchs.

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Die Opfervertreter machten jeweils ein Teilschmerzensgeld für ihre zum Teil noch minderjährigen Mandanten geltend und schilderten, dass diese mit einem Vertrauensverlust zu kämpfen haben und einige seien in psychiatrischer Behandlung, wobei Dauer und Spätschäden nicht auszuschließen seien.

Dem Urologen drohen im Falle einer Verurteilung bis zu 15 Jahre Haft sowie eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Das Schöffengericht wird voraussichtlich am 10. Juni ein Urteil sprechen.

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