Psychothriller als Oper

„Die tote Stadt“ feierte große Premiere im Musiktheater

Andreas Hermann als Witwer Paul
Andreas Hermann als Witwer Paul © Reinhard Winkler

Zu einem mehr als eindrucksvollen Start in die Opernsaison verhalf die Premiere von Erich W. Korngolds 1920 uraufgeführter Oper „Die tote Stadt“ am 24. September dem Linzer Musiktheater. Die Zutaten des Erfolgs: opulente, spätromantische Musik; hervorragendes Vokalensemble; ideenreiche Inszenierung (Andreas Baesler) und Bühne (Harald B. Thor), fantasievolle Kostüme (Tanja Hofmann), intensive optische Effekte (Video: Philipp L. Stangl, Lichtdesign: Stefan Bolliger) und vor allem eine extravagante Handlung mit verblüffendem Ausgang.

Vor der Kulisse einer „toten Stadt“ (gemeint ist das einer großen Vergangenheit nachtrauernde Brügge in Belgien) kann sich ein Witwer von der übertriebenen Trauer um seine Frau Marie nicht lösen; er verliebt sich in eine Doppelgängerin (Marietta), die aber durch ihren gänzlich anderen Charakter das idealisierte Bild Mariens zerstört und deshalb von ihm getötet wird.

Die Regie Baeslers weckt im Verlauf des Geschehens eine Kette von Assoziationen an die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, die von sozialen und politischen Umbrüchen, von Nostalgie an die versunkene Monarchie, aber auch Aufbruchstimmung und Lebensgier, sowie künstlerischen und wissenschaftlichen Umwälzungen geprägt war. Man denke an Sigmund Freuds Psychoanalyse und Traumdeutung und an die neuen Zeiten der Kunst, symbolisiert beispielsweise durch den Kreis um Alma Mahler oder Arnold Schönberg und seine Theorien. Dazu kommen noch die beharrenden Kräfte der Kirche und das profane Aufbegehren fortschrittlicher Künstlerinnen und Künstler. „Tote Städte“ gab es um diese Zeit viele, unter anderem Wien, die Heimat Korngolds.

Erica Eloff, die Königin des Abends

Seine Musik gestaltet die Oper in rauschhaften Farben und Klängen, die an Wagner, Strauss und Puccini erinnern, aber doch den Individualisten und künftigen Komponisten von Filmmusik spüren lassen. Das groß aufspielende Bruckner Orchester wird von Markus Poschner empathisch mit maximalem Einsatz geführt. Erica Eloff bewältigt die Doppelrolle Marietta/Marie mit glänzender Bravour. Der Tenor Andreas Hermann spielt und artikuliert als Witwer Paul beeindruckend, kämpft jedoch bisweilen mit der Höhe der schwierigen Partie. Herausragend der Bariton Adam Kim als Pierrot Fritz. Durchwegs gut präsentieren sich Martin Achrainer (Frank), Manuela Leonhartsberger (Brigitta) sowie in einer Reihe von Nebenrollen Ilona Revolskaya, Gotho Griesmeier, Domen Fajfar, Jin Hun Lee und Yuranny Hernandez Gomez.

Jubelnder Beifall auch für das grandiose Orchester

Der Chor sowie Kinder- und Jugendchor des Landestheaters löst seine vokalen und szenischen Aufgaben unter Elena Pierini bestens. Nach der überragend inszenierten Auflösung des Thrillers, dessen Thema Filmen wie Hitchcocks „Vertigo“ und Scorseses „Shutter Island“ als Anregung gedient haben mag, brach jubelnder Beifall für alle Beteiligten aus, von dem die Königin des Abends, Erica Eloff, und Markus Poschner mit dem Bruckner Orchester das Meister ernteten.

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Von Paul Stepanek

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